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Open Source: Wettlauf mit Microsoft

Der US-Konzern soll der Bundesregierung eine kostenfreie souveräne Cloud-Plattform angeboten haben, allerdings mit Bedingungen. In NRW und Baden-Württemberg tut sich derweil einiges bei Open-Source. Und München will wieder zur freien Software zurück.
11.05.2021

Als Open Source wird Software bezeichnet, deren Quelltext öffentlich und von Dritten eingesehen, geändert und genutzt werden kann. Open-Source-Software kann meistens kostenlos genutzt werden.

Die Bundesregierung arbeitet nach Informationen der Computerzeitschrift C't  an einem Konzept für eine "autarke Hyperscaler-Cloud-Infrastruktur". Dazu verhandle der Bund mit Microsoft über den Aufbau eines speziellen Rechenzentrums, das die Azure-Plattform und Anwendungen wie Microsoft 365 für Behörden bereitstellen soll, heißt es weiter. Der Konzern habe dabei Ende April angeboten,  auf eigene Kosten eine "souveräne Cloud-Plattform" zu entwickeln.

Allerdings nicht bedingungslos: Nach Angaben von C't muss sich der Bund im Gegenzug bereiterklären, die Plattform für die produktive Nutzung freizugeben, sobald festgestellt sei, dass alle Anfoderungen eingehalten wurden. Zudem wünsche sich Microsoft, dass der Bund die Plattform auch für die Verwaltungen der Länder und Kommunen freigibt. Kosten entsünden erst "nach erfolgter Abnahme auf Basis der produktiven Nutzung", heißt es weiter. Das dazugehörige Rechenzentrum soll aus Datenschutzgründen von einer deutschen Gesellschaft betrieben werden.

Forderungen von Microsoft

Eine schriftliche Übereinkunft soll zudem helfen, "für beide Seiten Planungssicherheit zu schaffen". Das Bundesfinanzministerium bestätigte der Zeitschrift Gespräche mit Microsoft, erklärte aber auch, dass es einen solchen Deal bislang nicht gebe. Man wolle die "autarke" Cloud aber schrittweiste testen und dann über die nächsten Schritte entscheiden. Auch ob tatsächlich ein Rechenzentrum gebaut werde, sei noch nicht beschlossen. Neben Anwendungen wie Microsoft 365 könnten zudem in der Public-Cloud-Infrastructure auch spezielle Verwaltungssoftware laufen.

Für Microsoft könnte eine solche Regierungscloud laut dem Magazin hohe Umsätze bedeuten. Im Haushaltsjahr 2020 kauften die Bundesministerien demnach für knapp 180 Mio. Euro Softwarelizenzen, Cloud- und Serverdienste bei dem US-Konzern ein. Gleichzeitig will das Bundesministerium Open-Source-Alternativen aufbauen, um die Abhängigkeit von Microsoft zu verringern.

Entwicklungen bei Open-Source

So entwickelt das Bundesinnenministerium (BMI) mit Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg das erste Open Source Repository für die Verwaltung und bindet Vorarbeiten der Initiative „Ein Ort für öffentlichen Code“ stark ein. Der Gedanke hinter "Public Money, Public Code": Mit öffentlichen Geldern entwickelte Software sollte sowohl anderen Verwaltungsebenen zugänglich sein, als auch Gesellschaft und Industrie nutzen und zur Weiterentwicklung frei zur Verfügung stehen. Damit freier Zugriff auf diese Software möglich ist, braucht es eine Plattform, einen „Ort für öffentlichen Code“. Das übergeordnete Ziel ist die digitale Souveränität, also das Minimieren der derzeitigen Abhängigkeit von Hard- und Softwareherstellern vorwiegend aus den USA.

Ein solches erstes Zuhause soll nun in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg entstehen. Inzwischen hat die heiße Phase begonnen: BMI und die beiden Bundesländer testen die erste Ausbaustufe einer Plattform zum Austausch und zur Weiterentwicklung von Open Source-Software. Damit soll es für Bund, Länder und Kommunen einfacher werden, Open Source-Software wiederzuverwenden und gemeinsam weiterzuentwickeln.

Erstes Minimum Viable Product fertig

„Die Durchführung des Projektes zur Pilotierung der Open Source-Plattform erfolgt gemeinsam mit dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie Nordrhein-Westfalen, dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg sowie der baden-württembergischen IT-Dienstleisterin Komm.ONE“, teilte das BMI unlängst mit. „Als erstes Umsetzungsergebnis wurde Ende März ein Minimum Viable Product (MVP) mit den Kernfunktionen der zentralen Open Source-Plattform fertiggestellt. Auf dessen Grundlage erfolgen derzeit die ersten Tests im Kreis der Projektpartner sowie die agile Weiterentwicklung der Plattform“, so das Ministerium.

„Neben den technischen Aspekten für solch ein Repository, die Dokumentationsplattform und ein Anwendungsverzeichnis wollen wir auch künftig dafür sorgen, dass die ebenso wichtigen Punkte wie verständliche Nutzungsregeln, Aufklärung zu Open Source im Allgemeinen aber auch die Integration der großen Community in das Vorhaben angegangen werden“, erklärt Christian Knebel, Geschäftsführer von OSB Alliance-Mitglied publicplan GmbH, der die gemeinsame Arbeitsgruppe leitet.

München kehrt zurück zu Open Source

In der bayerischen Hauptstadt hatte man schon Anfang der 2000er Jahre Erfahrungen mit der Open-Source-Software Linux gesammelt. Die Umstellung sparte Geld, es wurde jedoch auch kritisiert, dass für die Mitarbeiter ein höherer Schulungsbedarf entstand. 2017 wurde das Projekt wieder eingestellt und die Stadt kehrte zurück zu  Windows – ein Jahr zuvor hatte der US-Konzern seine Deutschland-Zentrale an der Isarmetropole eröffnet.

Nun hat die Koalition aus SPD und Grünen das Thema Open Source wieder hervorgeholt. Beide Parteien hatten bei den Kommunalwahlen im März 2020 gewonnen. Im Koalitionsvertrag ist unter anderem festgehalten: "Wo immer technisch und finanziell möglich, setzt die Stadt auf offene Standards und freie Open-Source-lizenzierte Software und vermeidet damit absehbare Herstellerabhängigkeiten."

Förderung von Software für kommunalen Nutzen

Geplant ist außerdem laut heise.de ein öffentlich zugängliches "Open-Source-Dashboard" inklusive Kostenbilanz auch bei Betriebssystemen und Office-Anwendungen zu unterhalten, aus dem hervorgeht, in welchen Bereichen die Landeshauptstadt freie Software verwendet und welche Fortschritte sie "in diesem Bereich gemacht" hat.

Im eigenen Hoheitsbereich gilt nach der Festlegung der neuen Regierungsallianz grundsätzlich das Prinzip "Public Money, Public Code". Das heißt: Sofern keine personenbezogenen oder vertrauliche Daten enthalten sind, wird auch der Quellcode städtischer Software veröffentlicht.  Zudem will die Stadt  die Entwicklung freier Softwareprojekte  unterstützen. Professionelle Programmierer, die sich für drei oder sechs Monate ganz auf die Fortentwicklung eines entsprechenden Projekts konzentrieren möchten, sollen sich dafür auf ein städtisches bezahltes Stipendium bewerben können. Die geförderten Initiativen müssen dem Plan nach "einen kommunalen Nutzen haben".

Was passiert mit Windows?

Jedoch: Die Umstellung auf Windows 10 läuft weiter – sie soll bis Ende 2021 abgeschlossen sein. Die Kosten für die Migration sollen bei 86 Mio. Euro liegen. Ob man diese Rückkehr zu Windows nun abbreche und wieder zu Limux zurückkehrt, sei auf Anfrage des Internetportals offen geblieben.

Den nun wieder eingeführten Open-Source-Kurs begrüßt die Free Software Foundation Europe( FSFE). Sie fordert seit einigen Jahren, dass Software der öffentlichen Verwaltung für alle als Open-Source verfügbar sein sollen. (sg)