Sägewerk hilft bei der Wärmewende

Zur Übertragung der Abwärme aus dem Sägewerk errichtet die Wärmegesellschaft Ottersberg eine neue Übergabestation.
Bild: @ Holtmeyer GmbH & Co. KG, Ottersberg
Von Andreas Lorenz-Meyer
Ottersberg liegt im Kreis Verden in Niedersachsen, gut 12 Kilometer nordöstlich der Stadt Achim. Die Gemeinde hat rund 13.500 Einwohner und eine Fläche von 99 Quadratkilometern. Eine ländlich geprägte Gegend, in der Windkraft, PV, Biogas- und KWK-Anlagen mehr Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen als Unternehmen und Bürger verbrauchen können. "Im Wärmebereich besteht dagegen Nachholbedarf", so Helge Dannat, Leiter des Elektrizitätswerks Ottersberg, einem Eigenbetrieb des Fleckens Ottersberg.
Es gibt vor Ort das Blockheizkraftwerk "Sportzentrum", das jährlich neben 700.000 Kilowattstunden Strom rund 1,5 Millionen Kilowattstunden Wärme erzeugt. Dazu kleinere Nahwärmenetze, Wärmepumpen und Pelletheizungen. Vorherrschend sind aber Gas- und Ölheizungen.
Das Sägewerk gehört zu den lokalen Betrieben in Ottersberg, die als Abwärmequellen zum Einsatz kommen sollen.
Bild: @Holtmeyer GmbH & Co. KG, Ottersberg
2008 hatte Ottersberg als Klimaziel eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 80 Prozent bis 2040 festgelegt. Um dahinzukommen, soll die Wärmewende nun Fahrt aufnehmen. Dazu hat das Elektrizitätswerk mit der Stadtwerke Achim AG Anfang März die Wärmegesellschaft Ottersberg GmbH gegründet. Beide Unternehmen sind mit je 50 Prozent daran beteiligt. Die Gesellschaft selbst wird kein Personal aufbauen, sondern auf das Personal der beiden Energieversorger zurückgreifen. Es gibt eine Co-Geschäftsführung: Die Stadtwerke Achim übernehmen den technischen Bereich in Person ihres Technikleiters Christian Müller, Helge Dannat vom E-Werk den kaufmännischen.
Drei Abwärmequellen vor Ort
"Mit den Stadtwerken Achim haben wir jetzt einen Partner, der technisches Wissen und Fachkräfte mitbringt – beides wird uns weiterhelfen." Die Ausgangsituation, um die Wärmeversorgung klimafreundlich zu machen, sei auch gar nicht schlecht. "Wir haben den großen Vorteil, dass es in Ottersberg drei größere Betriebe gibt, die viel Abwärme produzieren." Ein Sägewerk, ein Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie sowie eine Biogasanlage. Nachhaltig erzeugte Wärme stehe damit in größerem Umfang zur Verfügung. Zwar könne die Abwärme der drei Betriebe nicht den Wärmebedarf der ganzen Gemeinde decken, den von wesentlichen Gebieten im Kernort Ottersberg aber schon.
Erste "Bewährungsprobe" der Wärmegesellschaft soll ein Projekt im Dorf Narthauen nördlich von Ottersberg sein, das zur Gemeinde gehört und aus rund 70 Häusern besteht. Die werden künftig vom Sägewerk am Dorfrand mit Wärme versorgt. "Der Betrieb war mit diesem Vorschlag auf uns zugekommen, weil er etwas zur Dorfentwicklung beitragen will. Er kann mit seiner Abwärme das Drei- bis Vierfache der für das Dorf benötigten Wärmeenergie bereitstellen." Schon vor Gründung der Gesellschaft hatten beide beteiligten Unternehmen das Sägewerk-Projekt vorbereitet, nun wird es in die Tat umgesetzt.
Keine zusätzlichen Baumaßnahmen
Christian Müller von den Stadtwerken Achim erläutert die Pläne etwas genauer. Die Trasse für das Narthauener Fernwärmenetz wird rund zwei Kilometer lang sein und aus zwei wärmegedämmten Stahlrohren bestehen, die nebeneinander in einem Meter Tiefe im Erdboden verlegt werden. Das Heizungswasser fließt mit einer Vorlauftemperatur von maximal 80 Grad Celsius hindurch. Zur Übertragung der Abwärme aus dem Sägewerk wird eine neue Übergabestation errichtet, in der die Netzpumpen, Wärmetauscher und die Regel- und Steuerungstechnik untergebracht sind.
"Da mit den gleichen Temperaturen wie bei einer Öl- oder Gasheizung geheizt wird, braucht es keine umfangreichen Wärmedämmmaßnahmen älterer Gebäude oder den Austausch von Fenstern oder Heizkörpern."
Christian Müller, Stadtwerke Achim
Alle Häuser bekommen eine Hausanlage, in der die Fernwärme ans Heizungssystem übertragen wird. Mit zusätzlichen baulichen Maßnahmen wie beim Einbau von Wärmepumpen müssen die Narthauener nicht rechnen, so Müller. "Da mit den gleichen Temperaturen wie bei einer Öl- oder Gasheizung geheizt wird, braucht es keine umfangreichen Wärmedämmmaßnahmen älterer Gebäude oder den Austausch von Fenstern oder Heizkörpern." Bevor die Tiefbauarbeiten beginnen, muss die neue Gesellschaft jedoch erst Fördermittel beantragen und die Bauleistungen planen und ausschreiben. Voraussichtlich im Herbst 2027 wird das Fernwärmenetz fertig sein. Gespräche mit den beiden anderen Unternehmen in Ottersberg, die Abwärme liefern könnten, laufen auch schon.
Staatliche Bürgschaften
Als Verantwortlicher für den kaufmännischen Teil hat Dannat bei den kommenden Wärmeprojekten die Finanzen im Blick. Die ländliche Struktur Ottersbergs sei ein Nachteil, weil die Leitungskosten höher sind als im städtischen Bereich. Allgemein müsse das Thema Finanzierung dringend angegangen werden. "Wir benötigen Fremdkapital. Hier muss die Politik einen Rahmen schaffen, zum Beispiel durch Bürgschaften, so dass Banken uns die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen."
Auf lokaler Ebene zu kooperieren, ist für Dannat der passende Rahmen für die Wärmepläne. "Die Stadtwerke Achim betreiben ja schon das Gasnetz bei uns in Ottersberg. Die Monteure kennen also die örtlichen Gegebenheiten. Allein beim Bereitschaftsdienst ergeben sich dadurch Vorteile." Die Wärmewende mit einem "großen Player" anzugehen, hätte keinen Mehrwert geboten. Zumal die Entscheidungswege bei kleineren benachbarten Akteuren in der Regel kürzer und effektiver sind. Im Gesellschaftsvertrag ist auch eine gewisse Flexibilität verankert: Jeder der beiden Partner darf im Ort eigene Projekte durchführen.