ZfK Wärmewende

Wärmepumpen, Förderung, Fachkräfte: So kann der Gebäudesektor das Ruder noch herumreißen

Der Dena-Gebäudereport zeigt: Drei von vier Bestandsgebäuden in Deutschland werden noch immer mit Öl oder Gas beheizt. Im Interview erzählt Christian Stolte, warum der Umstieg auf erneuerbare Wärme so stockend verläuft – und welche Maßnahmen nun entscheidend sind.
01.08.2025

Christian Stolte, Dena: "Die Wärmewende geht mit einem erheblichen Investitionsbedarf in kurzer Zeit einher".

Noch immer heizen 75 Prozent der deutschen Gebäude mit Öl und Gas – trotz Klimazielen und Förderung. Im Interview erläutert Christian Stolte, Bereichsleiter Klimaneutrale Gebäude bei Dena, die zentralen Ursachen für die schleppende Wärmewende: lange Investitionszyklen, Verunsicherung durch Gesetzesdebatten und fehlende Fachkräfte.

Herr Stolte, der Übergang zu erneuerbaren Wärmequellen kommt in Deutschland nur schleppend voran, wie der neue Gebäudereport belegt. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen, warum so viele Haushalte nach wie vor auf Öl und Gas setzen?

Gas und Öl waren lange Zeit traditionell verankert für die Beheizung von Gebäuden in Deutschland und gleichzeitig vergleichsweise günstig. Die Investitionszyklen im Gebäudesektor sind lang, deswegen heizten laut Dena-Gebäudereport 75 Prozent der Gebäude im Bestand 2023 weiterhin mit Heizöl und Gas. Der Anteil der Gebäude, die mit fossilen Energieträgern versorgt werden, sinkt zwar seit Jahren, allerdings muss der Umstieg auf erneuerbare Energien hier deutlich beschleunigt werden, vor allem im Gebäudebestand, um die gesetzten energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen.

Neben diesen strukturellen Gründen gab es auch eine Verunsicherung nach den Debatten der letzten Zeit über das Gebäudeenergiegesetz. Deswegen sind verlässliche Informationen und umfassende Unterstützung sowie Klarheit und Verlässlichkeit zu Rahmenbedingungen für Gebäudeeigentümer so wichtig. Denn es ist davon auszugehen, dass im Rahmen der CO2-Bepreisung und der Einführung des ETS2 ab 2027 die Preise für fossile Energieträger weiter steigen werden,

Im Neubau greifen immer mehr Menschen auf erneuerbare Wärmetechnologien zurück. Warum bleibt der Bestand bei der Wärmewende so weit hinter den Erwartungen zurück? Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie hier?

Zunächst lässt sich festhalten, dass Wärmepumpen nicht nur in neuen Gebäuden eingebaut werden. Auch bei Sanierungen steigen die Zahlen für den Einbau von Wärmepumpen seit 2019 von 36.000 pro Jahr auf über 288.000 im Jahr 2023, auch das zeigt der Dena Gebäudereport (Abb. 39, linke Hälfte). Gleichzeitig werden immer noch rund doppelt so viele neue Gasheizungen neu eingebaut. Im Gebäudebestand sind die Herausforderungen größer als beim Neubau. Bestehende Strukturen müssen angepasst werden, es gibt noch viele Gebäude mit schlechter Energieeffizienzklasse. Allerdings gibt es dadurch auch das höchste Potenzial sowohl in der Menge als auch was Effizienzsprünge angeht. Die Technologien stehen zur Verfügung, wichtig ist also der Dreiklang aus verlässlichem Rahmen, kontinuierlicher Förderung und fundierter Beratung.

Ein häufiger Kritikpunkt ist die hohe Anfangsinvestition für erneuerbare Heiztechnologien wie Wärmepumpen oder Solaranlagen. Wie können die Politik und die Wirtschaft dieses Kostenproblem effektiv angehen, um eine breitere Akzeptanz zu schaffen?

Die Förderung von Wärmepumpen im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ist bereits gut ausgestattet und beinhaltet einen Geschwindigkeitsbonus sowie eine soziale Komponente, aber hier kann sicher noch nachgesteuert werden. Hinzu kommen weitere Förderprogramme, zum Beispiel auf kommunaler Ebene für Photovoltaik – vom Balkonkraftwerk bis zur Dachanlage sowie die alternative Förderoption, Investitionen steuerlich gefördert zu bekommen. Damit haben wir also grundsätzlich einen guten finanziellen Unterstützungsrahmen. Wichtig ist dabei, dass die Förderung weiter verlässlich zur Verfügung steht. Immer mehr gilt aber auch: Investitionen in Erneuerbare lohnen sich mit Blick auf perspektivisch weiter steigende Preise für fossile Energieträger wegen der kommenden Umsetzung des Europäischen Emissionshandels auf den Gebäudesektor.

Die Rückgänge beim Absatz von nicht-fossilen Wärmeerzeugern wie Wärmepumpen und Biomasse-Anlagen sind alarmierend. Was könnte Ihrer Meinung nach getan werden, um die Nachfrage nach diesen Technologien zu steigern und die Entwicklung in die richtige Richtung zu lenken?

Der Wärmepumpen-Absatz ist seit dem dritten Quartal 2024 wieder gestiegen. Der Anstieg ging auch im ersten Quartal 2025 weiter. Damit stimmt nun zumindest die Tendenz wieder, allerdings sind wir noch weit vom gesetzten Ziel entfernt, jährlich 500.000 Wärmepumpen neu zu installieren.

"Eine angemessene degressive Ausgestaltung der Förderhöhen könnte
eine zusätzliche Dynamik im Markt entfalten"

Grundsätzlich gilt:Wir müssen Verunsicherungen abbauen und breit kommunizieren und informieren, wie beispielsweise 2024 mit der deutschlandweiten Woche der Wärmepumpe und weiteren Informationsangeboten zur energieeffizienten Sanierung, wie zum Beispiel über die Plattform Dialog Energiewechsel oder über die Angebote der Energieberatung und der Energieeffizienz-Expertenliste. Wir brauchen eine verstärkte endkundengerechte Information und Beratung durch qualifizierte Energieberater. Dazu sind Qualifizierungsmaßnahmen bei beteiligten Fachkräften essenziell, sowie gute Zusammenarbeit zwischen Energieberater, Hersteller, Handwerksbetriebe und Kunden. Und die Kosten müssen weiter sinken. So kann die Nachfrage weiter intensiviert werden.  

Die Vielzahl an Förderprogrammen oder steuerliche Anreize sind ein wichtiger Bestandteil der Wärmewende. Wo sehen Sie Verbesserungspotential in der Gestaltung und Zugänglichkeit dieser Fördermaßnahmen?

Die Förderung ist aktuell grundsätzlich gut aufgestellt, wichtig sind hier vor allem Kontinuität und längerfristige Verlässlichkeit. Eine Weiterentwicklung, etwa für einzelne Zielgruppen und auch mit verstärkten sozialen Komponenten, ist sinnvoll, auch wenn hier schon erste Schritte gegangen wurden, wie mit dem Sozialbonus in der Bundesförderung für effiziente Gebäude. Eine angemessene degressive Ausgestaltung der Förderhöhen könnte zudem eine zusätzliche Dynamik im Markt entfalten. Darüber hinaus sind eine weitere Vereinfachung und Unterstützung bei Anträgen wünschenswert, um die Förderprogramme noch breiteren Bevölkerungsgruppen zugänglich zu machen. 

Inwieweit erschweren mangelnde Fachkräfte den Fortschritt der Wärmewende? Was muss passieren, um diesen Engpass zu beheben?  

Das Fachkräfteangebot kann und muss mit Blick auf die anstehenden Aufgaben weiter ausgebaut werden. Voraussetzung dafür sind verlässliche Strukturen, Nachfrage und Unterstützung. Das Handwerk hat viel in Schulungen investiert und sollte hier weiter unterstützt werden. Wir sollten die Attraktivität des Berufsfeldes weiter steigern und auch die Förderung der Fachkräftezuwanderung weiterführen. Gleichzeitig können Marktangebote besser strukturiert und dadurch effizienter umgesetzt werden.

"Neben einer Verstetigung der Förderung
sind neue Ansätze der Finanzierung erforderlich"

Ein wichtiger Aspekt der Wärmewende ist der Umbau von Wärmenetzen. Wie können Stadtwerke die hohen Kosten für die Netzmodernisierung stemmen, und welche Unterstützung benötigen sie dafür auf politischer oder finanzieller Ebene?

Die Wärmewende geht mit einem erheblichen Investitionsbedarf in kurzer Zeit einher. Es braucht wirtschaftliche Lösungen für unterschiedliche lokale Ausgangssituationen, um Wärmenetze zu dekarbonisieren und gleichzeitig auszubauen. Neben einer Verstetigung der Förderung sind neue Ansätze der Finanzierung erforderlich. Die Kommunale Wärmeplanung (KWP) ist hierbei das zentrale strategische Planungsinstrument.

Aktuell läuft bundesweit die Erstellung der Wärmepläne, die in Städten bis Mitte 2026 abgeschlossen sein muss, in kleineren Kommunen bis 2028. Das Dena-Projekt Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende begleitet den Prozess und bietet umfangreiche Informationen und Unterstützungsangebote.

Wie könnte der Preisdruck auf fossile Brennstoffe die Bereitschaft von Eigentümern erhöhen, in erneuerbare Heizsysteme zu investieren? 

Der Preis für Energieträger ist ein wichtiges Element bei der Entscheidung von Eigentümern für Heizsysteme. Strom wird zukünftig vermutlich günstiger, wenn die Koalition ihre Pläne zur Reduzierung der Stromsteuer und der Netzentgelte umsetzt. Gleichzeitig werden fossile Energieträger mit der Anwendung des europäischen Emissionshandels ETS2 auf den Gebäudebereich ab 2027 aller Voraussicht nach teurer. Der Preis wird dann im Rahmen des Zertifikatehandels ermittelt, deswegen braucht es dazu eine klare Kommunikation an Gebäudeeigentümer, damit sie frühzeitig informiert sind und entsprechend handeln können. Denn schließlich wird es durch größere Einsparungen bei den Energiekosten wirtschaftlicher, in sparsame und erneuerbare Technologien zu investieren.

Inwiefern spielen auch soziale Aspekte eine Rolle bei der Wärmewende? Wie können gerade einkommensschwächere Haushalte davon profitieren, ohne finanziell überfordert zu werden?

Soziale Aspekte und breite gesellschaftliche Teilhabe sind von zentraler Bedeutung für die Wärmewende, denn die Energiewende darf nicht einzelne Gruppen überfordern. Wir haben erste Ansätze wie den Sozialbonus in der BEG, aber weitere sollten folgen. Die Europäische Gebäuderichtlinie EPBD beinhaltet klar den Schutz vulnerabler Haushalte im Zusammenhang mit Energiethemen und den Schutz vor zu hohen Energiekosten. Wie das ausgestaltet werden soll, ist aktuell noch nicht geregelt, muss aber nun zeitnah umgesetzt werden.

Wie sehen Sie die langfristige Entwicklung der Wärmewende in Deutschland? Sind Sie optimistisch, dass die Klimaziele bis 2045 erreicht werden können, oder sind größere systemische Veränderungen nötig?

Wir sind aktuell vor allem in den Sektoren Verkehr und Gebäuden noch nicht auf Zielerreichungskurs, hier muss also noch mehr passieren. Die gute Nachricht: Die notwendigen Technologien auf dem Weg hin zur Klimaneutralität sind bereits heute vorhanden. Wichtig ist hier vor allem die Sanierung des Gebäudebestands und der Dreiklang aus effizienter Gebäudetechnik, Gebäudehülle und dem Einsatz erneuerbarer Energien.

Das Interview führte Ariane Mohl