Abfallwirtschaft

Die „ewigen Feuer“ von Rothensee

Im Müllheizkraftwerk Rothensee in Magdeburg wird aus Abfall Strom und Wärme. Es gibt keinen Stillstand. Das Werk gehört zu den Top fünf in Deutschland. Ein kleines Team hat die gigantische Anlage im Griff.
03.08.2020

Rund um die Uhr an jedem Tag in Betrieb: das Müllheizkraftwerk Rothensee.

Eine schmale Mondsichel am Nachthimmel über Magdeburg verbreitet romantische Stimmung. Andy Brandt, Mitarbeiter des Müllheizkraftwerk Rothensee, kann für die nächsten acht Stunden weder Mond noch Sterne sehen. Er sitzt in einem Abfallbunker in einem klimatisierten, gut 25 Quadratmeter großen Glaskasten und bedient mittels Joysticks und Knöpfen einen riesenhaften elektrohydraulischen Greifer.

Brandt ist bis Sonnenaufgang einer der zwei wichtigsten Männer in der Anlage. Er und sein Pendant im Bunker nebenan sind diejenigen, die ohne Pause Müll in die nimmersatten Schlünde der Kessel verfrachten, in denen ein ewiges Feuer lodert. «Sie verlangen ihr Futter», sagt der ausgebildete Landwirt.  

Rund um die Uhr

Brandt schaut von seiner Kanzel aus auf vier Bunkertore in gut 30 Metern Tiefe. Bis kurz vor Schichtbeginn haben dort Lastwagen Müll abgekippt, der aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und manchmal auch aus dem Ausland angekarrt wird. Am Tag fahren bis zu 250 Laster das Müllheizkraftwerk am Stadtrand von Magdeburg an, das aktuell aus zwei Anlageblöcken besteht.

Aus dem Abfall werden Strom und Wärme – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. «Wir sind das Ende der Nahrungskette», beschreibt Geschäftsführer Rolf Oesterhoff die Bedeutung des Werkes in einem Bild. «Der Müll hat einen immensen Heizwert. Deshalb ist es vernünftig, daraus Energie zu erzeugen.»

Schlacke für den Straßenbau

Das Werk gehört eigenen Angaben zufolge zu den Top fünf in Deutschland. Pro Jahr werden in den vier Verbrennungslinien rund 650.000 Tonnen Müll verheizt. Das Unternehmen betreibt noch zwei Heizwerke und einen Wärmespeicher.

Pro Block gibt es eine Turbine mit zwei Generatoren und zwei Heizkesseln. Gut zwei Stunden hat der Müll darin Zeit, um bei etwa 1000 Grad Celsius auszubrennen. Übrig bleibt Schlacke, die extern aufbereitet und unter anderem im Straßenbau verarbeitet wird. Der anfallende Gewebefilterstaub aus der Rauchgas-Reinigungsanlage wird unter Tage eingelagert.

Sechsköpfiges Team

«Unser Kreislauf beginnt an der Bunkerkante und endet an den 77 Meter hohen Schornsteinen, wo gereinigtes Rauchgas austritt», sagt Schichtleiter Hendrik Engelke, der seit Beginn der Inbetriebnahme zur Belegschaft gehört. Jetzt im Sommer werde mehr Strom als Wärme produziert, weil nicht geheizt wird. Engelke ist 57 Jahre alt, er kennt das Werk aus dem Effeff – jede Anlage, jeden Gang und jede Treppe. Er leitet in dieser Nacht ein sechsköpfiges Team.

Neben Brandt sind noch ein weiterer Kranführer im anderen Bunker, zwei Leitstandfahrer in der sogenannten Warte und zwei Läufer im Dienst. Fakt ist: Nur wenige Hände und Köpfe halten zwei Giganten am Laufen. Immer. «Vieles läuft automatisch», sagt Kraftwerksmeister Engelke. Doch ohne Augen und Ohren geht es nicht. Insgesamt beschäftigt das Müllheizkraftwerk Rothensee rund 100 Mitarbeiter, die meisten arbeiten in der Verwaltung und das natürlich tagsüber.

Auch an Weihnachten

Im Müllheizkraftwerk wird auch an den Weihnachtsfeiertagen ohne Unterlass gearbeitet. Zusammenhängende Feiertage wie diese sind eine besondere Herausforderung für das gesamte Team, weil dann eben nicht täglich frischer Abfall kommt. «Heiligabend haben wir das Maximale im Bunker», sagt Engelke. «Die Logistiker bestellen mehr und so kommen wir gut über Weihnachten.» Versorgungsengpässe gibt es nicht, denn Lastspitzen werden bei Bedarf mittels Wärmespeicher ausgeglichen. (dpa/hp)