Karriere

Im Trend: Urlaub ohne Job-Pause

Laut einer aktuellen Umfrage sind 37 Prozent der deutschen Büro-Angestellten in den Ferien weiter für den Arbeitgeber erreichbar. Rechtlich ist das unnötig.
17.07.2023

Wer sich nie eine Auszeit gönnt, ist auf Dauer weniger leistungsfähig.

Mehr als ein Drittel der Büroarbeiter in Deutschland gehen selbst im Urlaub an ihr Handy, wenn der Chef oder Kollegen anrufen. Das sagten 37 Prozent der Büroangestellten in einer Umfrage von Yougov im Auftrag des Technologieunternehmens Slack. Vor einem Jahr lag dieser Wert in einer vergleichbaren Umfrage noch sechs Prozentpunkte niedriger.

Der am häufigsten genannte Grund ist mit 80 Prozent allerdings nicht die Erwartungshaltung der Chefin oder des Chefs, sondern der eigene Antrieb. Dahinter folgten mit 76 Prozent wichtige Aufgaben und Projekte. An dritter Stelle steht die Erwartungshaltung der Chefetage.

Zwei Drittel der Urlauber checken täglich ihre Job-Mails

Es kommt noch wilder: 28 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass sie an jedem Tag des Urlaubs beruflich erreichbar seien. Weitere 12 Prozent an mehr als sieben Tagen. Die eigenen Mails checken die Angestellten sogar noch öfter: 73 Prozent tun dies mindestens täglich. Und selbst von jenen, die sagen, dass sie nicht erreichbar seien, checken immer noch 16 Prozent täglich die dienstlichen Mails. 

Dabei müssen die Arbeitnehmer dies gar nicht, so der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Alexander Bredereck: "Eigentlich ist die Sache von der rechtlichen Seite her sehr einfach: Urlaub ist arbeitsfrei. Ich bin nicht verpflichtet, im Urlaub irgendwelche Jobtätigkeiten zu verrichten, eine Telefonnummer zu hinterlassen, unter der ich erreichbar bin, oder meine Mails zu checken.» Dies gelte auch für Führungskräfte.

"Urlaub ist arbeitsfrei. Ich bin nicht verpflichtet, im Urlaub Jobtätigkeiten zu verrichten, eine Telefonnummer zu hinterlassen, unter der ich erreichbar bin, oder meine Mails zu checken."
Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Ständige Erreichbarkeit macht krank

Selbst wenn man freiwillig seine Telefonnummer hinterlasse und dann angerufen werde, sei man rechtlich nicht verpflichtet, im Urlaub zu arbeiten, erklärt der Anwalt. Sollte es allerdings um etwas gehen, das sich leicht erledigen lasse, wie die Weitergabe eines Passwortes, rät er dies zu tun. So ließe sich Ärger vermeiden. Einen Ausgleich für die Erreichbarkeit im Urlaub – sei es finanziell oder als Überstunden – sieht das Gesetz bei alldem nicht vor, sagt Bredereck: "Dann wäre es nämlich rein rechtlich kein Urlaub mehr."

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) steht man der dauernden Erreichbarkeit ebenfalls kritisch gegenüber. "Menschen sind keine Maschinen, alle brauchen Ruhezeiten", betont Vorstandsmitglied Anja Piel. Beschäftigte, die ihre Auszeiten zur Erholung nutzten, seien gesünder und leistungsfähiger. Ständige Erreichbarkeit mache dagegen krank: Die Folgen könnten Erschöpfung, Schlafstörungen und im schlimmsten Fall sogar Herz-Kreislauferkrankungen sein.

Dennoch gebe es in vielen Betrieben ungeschriebene Regeln für die Auszeiten der Angestellten: «Manche Beschäftigte geben dem Druck nach, im Urlaub und in der Freizeit zu arbeiten», beklagt Piel. Besser als ungeregelter Druck wären deshalb Betriebsvereinbarungen, die die Erreichbarkeit in der Freizeit klar und unmissverständlich für alle regeln.

"Menschen sind keine Maschinen, alle brauchen Ruhezeiten."
Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund

Der Erholungseffekt verpufft so rasant

Auch Nina Koch aus dem Technologieunternehmen Slack betont: "Das flexible Arbeiten darf nicht dazu führen, dass Angestellte permanent erreichbar sind und gar nicht mehr abschalten können." Hier brauche es eine Hilfestellung und klare Rahmenbedingungen durch die Arbeitgeber. Eine Möglichkeit wären zum Beispiel Nachrichten, die nur zu bestimmten Zeiten weitergeleitet werden. Oder aber, dass Nachrichten während des Urlaubs bereits für die Rückkehr vorsortiert werden. 

Wer mal eine Weile vom Job abschaltet, ist danach erholter: In der aktuellen Umfrage sagten nur 28 Prozent der Befragten, dass ihr Erholungsgefühl länger als sieben Tage anhalte. Neun Prozent fühlen sich nach eigenem Bekunden sogar sofort wieder gestresst, sobald sie zurück im Büro sind. (dpa/ah)