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Einwanderung von Fachkräften: Chancen und Herausforderungen

Im Jahr 2023 hat es einige Änderungen des deutschen Aufenthaltsrechts gegeben, zum Beispiel die Blaue Karte EU. Weitere Neuerungen, wie die Chancenkarte, werden im Jahr 2024 folgen, erläutern Kathrin Rieger und Moritz ter Haar im Gastbeitrag.
21.03.2024

Die Fachkräfteeinwanderung eröffnet der Kommunalwirtschaft immense Potenziale.

Die deutsche Kommunalwirtschaft sieht sich in der heutigen Zeit, auf Grund des demografischen Wandels, mit gewaltigen Herausforderungen konfrontiert. In dieser sich wandelnden Landschaft des Arbeitsmarktes spielt der Fachkräftemangel eine zentrale Rolle, der ohne proaktive und effektive Maßnahmen nicht zu bewältigen ist. Gezielte Fachkräfteeinwanderung bietet in diesem Kontext erhebliche Potenziale und ist ein wichtiges Instrument, um die ständige Bereitstellung kommunaler Dienstleistungen in der gebotenen Qualität und Stabilität aufrechtzuerhalten.

Als zentrale Säulen lokaler Infrastrukturen versorgen kommunale Unternehmen die Bevölkerung mit grundlegenden Versorgungsgütern wie Wasser sowie Energie und kümmern sich um die Entsorgung von Abfall und gewährleisten Mobilität. Diese essenziellen Dienste erfordern hochqualifiziertes Personal, doch der Mangel an Fachkräften, insbesondere in den Bereichen Ingenieurwesen, IT und Verwaltung, stellt eine erhebliche Bedrohung dar. Hier eröffnet die Fachkräfteeinwanderung eine vielversprechende Chance, diesen Bedarf zu decken und somit die Stabilität und Qualität kommunaler Dienstleistungen sicherzustellen.

  • Kathrin Rieger, Rechtsanwältin, Flick Gocke Schaumburg

Vielfalt als Bereicherung

Die Einbindung internationaler Fachkräfte in die Kommunalwirtschaft ist jedoch kein reibungsloser Prozess. Sprachliche Barrieren, kulturelle Unterschiede und die Anerkennung ausländischer Qualifikationen stellen bedeutende Hürden dar. Hier kommt die strategische Personalentwicklung ins Spiel, die nicht nur auf das gezielte Onboarding von neuen Mitarbeitenden, sondern auch auf die kontinuierliche Weiterbildung und interkulturelle Schulungen für die gesamte Belegschaft abzielen muss. Eine erfolgreiche Integration bedeutet, nicht nur die Fähigkeiten der Fachkräfte anzuerkennen, sondern auch ein harmonisches Arbeitsumfeld zu schaffen, das Vielfalt als Bereicherung betrachtet.

Auf der positiven Seite eröffnet die Fachkräfteeinwanderung der Kommunalwirtschaft immense Potenziale. Die Vielfalt in der Belegschaft kann Innovation und Kreativität fördern, indem neue Mitarbeiter frische Perspektiven einbringen. Die internationale Ausrichtung der Kommunalwirtschaft kann gestärkt werden, wenn die verschiedenen Erfahrungen und Hintergründe der Mitarbeiter genutzt werden. Daher ist es entscheidend, Strukturen zu schaffen, die eine effiziente Integration ausländischer Fachkräfte fördern – beginnend bei der gezielten Ansprache über internationale Recruiting-Strategien bis hin zur Unterstützung bei administrativen Prozessen nach Ankunft.

  • Moritz ter Haar, Partner/Geschäftsführender Gesellschafter, Capitalheads a Kienbaum Company

Rechtliche Rahmenbedingungen

Im Weiteren müssen jedoch auch rechtliche Rahmenbedingungen beachtet werden. Ausländische Staatsangehörige, die in Deutschland leben und arbeiten wollen, benötigen grundsätzlich einen Aufenthaltstitel, der eine Arbeitserlaubnis beinhaltet. Ausgenommen sind die sogenannten freizügigkeitsberechtigten Bürger, die also Staatsangehörige der EU sind oder Bürger aus den sogenannten EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz). Diese Personen dürfen auch ohne gesonderte Erlaubnis selbstständig oder unselbstständig in einem Mitgliedstaat der EU tätig sein. Für Staatsangehörige anderer Staaten („Drittstaaten“) muss dagegen schon vor Aufnahme einer Beschäftigung eine Arbeitserlaubnis eingeholt werden.

Es gibt viele unterschiedliche Gründe, wegen denen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Für die Fachkräfteeinwanderung maßgeblich sind vor allem die Aufenthalte zu Beschäftigungszwecken. Hierbei hat es bereits im Jahr 2023 Änderungen des deutschen Aufenthaltsrechts gegeben und weitere Neuerungen werden im Jahr 2024 folgen. Ziel der Reform ist es, die Prozesse bei den beteiligten Behörden zu verbessern, da ausländische Fachkräfte sich zunehmend aufgrund der langen Verfahrensdauer und der undurchsichtigen Regelungen des Aufenthaltsverfahrens scheuen, sich um Stellen bei deutschen Arbeitgebern zu bemühen.

Vereinfachte Anerkennung von Abschlüssen

Arbeitgeber konnten ihre zukünftigen Arbeitnehmer zwar auch zuvor schon bei der Erlangung eines Aufenthaltstitels unterstützen, beispielsweise durch die Durchführung eines „beschleunigten Fachkräfteverfahrens“ in Deutschland. Insbesondere die in vielen Fällen erforderliche und aufwendige Anerkennung von ausländischen Berufsausbildungen soll aber durch die Neuregelung vereinfacht werden.

Beispielsweise können ab dem 1. März 2024 internationale Fachkräfte ein Verfahren zur Anerkennung ihres Abschlusses vor Ort in Deutschland durchführen, statt aus dem Ausland auf den Abschluss des Anerkennungsverfahrens zu warten. Der Ausländer soll auf diese Weise bereits einreisen und in seinem gewünschten Beruf praktische Erfahrungen im deutschen Betrieb sammeln können.

Vorteile der Blauen Karte EU

Herzstück der Änderungen im letzten Jahr war die sogenannte „Blaue Karte EU“ – ein Aufenthaltstitel, der es qualifizierten Arbeitnehmern ermöglicht, eine ihrem Abschluss angemessene Beschäftigung auszuüben. Bereits jetzt wird jeder dritte Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit als Blaue Karte EU ausgestellt, denn sie bietet viele Vorteile: Sie wird oft verhältnismäßig schnell erteilt, bietet einen zügigen Zugang zur Niederlassungserlaubnis und mehr Flexibilität bei kurzzeitigen Ausreisen aus Deutschland.

Durch die Neuregelung wird nun zum einen der Arbeitsplatzwechsel erleichtert, wenn eine Arbeitserlaubnis in der Vergangenheit beschränkt auf einen bestimmten Arbeitgeber erteilt wurde. Zum anderen wurden die Hürden für die erstmalige Erlangung der Blauen Karte EU abgesenkt, beispielsweise durch die Verkürzung der Mindestbeschäftigungsdauer, die Einbeziehung von tertiären Bildungsabschlüssen und die Absenkung der Gehaltsschwellen. Schließlich wurde die kurzfristige Mobilität für Inhaber der Blauen Karte innerhalb der EU erleichtert.

Punktesystem für Chancenkarte

Ab dem 1. Juni 2024 wird außerdem eine „Chancenkarte“ zur Arbeitssuche eingeführt. Bei der Erteilung wird ein Punktesystem, das dem Vorbild anderer Länder wie z. B. Kanada folgt, maßgeblich sein. Relevante Kriterien sind beispielsweise Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug oder das Alter des Ausländers.

Auf Arbeitgeberseite gilt es jetzt, dass durch die Reform geschaffene Potenzial zu nutzen und qualifizierte Fachkräfte für sich zu gewinnen, die von den Neuregelungen im Fachkräfteeinwanderungsrecht profitieren können. (hp)

Die Autoren:
Moritz ter Haar, Partner/Geschäftsführender Gesellschafter, Capitalheads a Kienbaum Company
Kathrin Rieger, Rechtsanwältin, Flick Gocke Schaumburg