Karriere

„Im Zweifel eine Frau“

Die Bundesregierung will die Frauenquote in Vorständen erhöhen. Die Managementberatung Horváth & Partners hat ermittelt, wo der Handlungsbedarf besonders groß ist.
15.01.2021

Die meisten weiblichen Vorstände finden sich im Finanzressort gefolgt vom Personalressort. (Motivbild)

 

Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf beschlossen, nach dem in Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern künftig mindestens eine Frau sitzen muss. Der „Faktencheck Vorstandsstrukturen 2021“ der Managementberatung Horváth & Partners zeigt, welche Rollen Frauen in börsenorientierten Unternehmen bereits einnehmen – und wo der Veränderungsbedarf besonders groß ist.
 
Lediglich 12 Prozent der aktuell etwa 730 Vorstandspositionen in börsennotierten Unternehmen sind mit Frauen besetzt. Das neue Gesetz zur Erhöhung des Frauenanteils in Vorständen wirkt zwar unmittelbar nur auf eine verhältnismäßig kleine Anzahl der großen Unternehmen, dürfte aber Signalwirkung weit darüber hinaus haben, äußert sich Horváth in einer Pressemitteilung.

Analyse der Dax-Familie
 
Vor diesem Hintergrund hat die Beratungsgesellschaft im Rahmen ihres Faktenchecks die aktuelle Zusammensetzung der Vorstände unter die Lupe genommen. Analysiert wurden dabei die Führungsetagen der Gesellschaften im Dax, MDax, SDax und TecDax.
 
Wie die Untersuchung zeigt, würde eine Ausrichtung an dem verabschiedeten Gesetz eine deutliche Transformation der Vorstandsstrukturen bedeuten: In gut 60 Prozent der betroffenen Unternehmen (101 der 169 börsennotierten Unternehmen) ist bisher keine Frau im Vorstand.

Folgen des neuen Gesetzes

„Die Aufsichtsräte dieser Unternehmen sind aufgerufen, Lösungen zu finden“, stellt Oliver Greiner, Partner für Strategie und Transformation bei Horváth & Partners, fest. Die Erfüllung werde in vielen Fällen nicht allein durch Nach- oder Neubesetzungen erfolgen können. Stattdessen müssten auch Vorstandserweiterungen oder Neustrukturierungen in Betracht gezogen werden.

Die besondere Herausforderung werde dabei in der Besetzung von Vorstandspositionen außerhalb der Bereiche Finanzen und Personal liegen, wie die aktuelle Verteilung der Vorstandsaufgaben zeigt. Die meisten weiblichen Vorstände finden sich im Finanzressort (24 Vorständinnen), dicht gefolgt vom Personalressort, wo es 22 weibliche Vorstände gibt. Dies sind immerhin knapp 45 Prozent aller Personalvorstände. Allerdings haben aktuell nur 49 Unternehmen einen dezidierten Personalvorstand.

Sehr wenige Chefinnen

In anderen Funktionen lassen sich Frauen deutlich seltener finden. Für den operativen Betrieb gibt es sechs designierte Vorständinnen, aber 57 männliche Kollegen. Gerade einmal drei Frauen leiten als Vorstand Technologie- oder Entwicklungsbereiche (im Gegensatz zu 35 Männern). Selbst als Vertriebs-/Marketingvorstände ist die Anzahl der Frauen verschwindend gering: zwei im Gegensatz zu 32 männlichen Vorständen.
 
Besonders selten haben Frauen derzeit Funktionen mit direkter Geschäftsverantwortung inne. Lediglich sechs Frauen leiten Vorstände in den großen börsennotierten Unternehmen als Vorstandsvorsitzende. Als Bereichsvorstände mit direkter Verantwortung für Geschäftseinheiten lassen sich aktuell ebenfalls nur sechs Frauen finden – im Gegensatz zu 117 männlichen Kollegen.

Aktive Förderung

Greiner ist überzeugt, dass das neue Gesetz nicht nur zu einer Transformation der Vorstände führen wird, sondern auch als Katalysator für die Erhöhung des Frauenanteils über alle Führungsebenen hinweg dient, und plädiert dafür, dies aktiv zu fördern: „Natürlich muss es bei der Besetzung von Führungspositionen immer um die beste fachliche Eignung gehen, doch für die kommende Zeit sollte die Maxime gelten: im Zweifelsfall für die Frau.“ (hp)