Wie man mit positiver Psychologie Energie freisetzt
Einer Ihrer Grundsätze ist, dass wir unser Gehirn selbst formen können – und dass das ein wesentlicher Faktor für unser Wohlergehen ist. Wie können wir das machen?
Ich setze auf die Prinzipien der Neuroplastizität, Metakognition und Defusion. Diese Begriffe kommen aus der Psychologie. Häufig beschäftigt man sich erst damit, wenn man eine Depression hat. Aber man kann sie auch dafür einsetzen, dass man den Alltag besser meistern kann.
Was muss man dafür tun?
Der bekannte Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ stimmt nicht. Wie wir aus der modernen Neurologie wissen, können wir die Strukturen unseres Gehirns formen – und das bis zu unserem Lebensende. Wir haben alle einen individuellen „Fingerabdruck“, der sich nicht verändern lässt. Aber wir können Einfluss auf unser Denken nehmen.
Was bedeutet Metakognition?
Um unser Gehirn zu verändern, müssen wir zunächst beobachten, was wir denken. Wir können sozusagen über unser Denken nachdenken. Wir haben täglich 1000 Gedanken im Kopf, die uns beschäftigen. Wir sind dann der Ansicht, das wäre die Wahrheit, aber das ist nicht so.
Wenn wir uns unseres Denkens bewusst sind, dann setzen wir das Konzept der Fusion ein?
Wenn wir erkannt haben, dass unsere 1000 Gedanken nicht die Wahrheit, sondern nur ein elektrischer Impuls sind, der durch unser Gehirn geht, dann nehmen wir sie nicht mehr so ernst. Dann können wir sie analysieren, ob wir vielleicht etwas Anderes, etwas Besseres daraus machen können.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Vielleicht habe ich derzeit ein Gefühl der Überforderung durch meinen Job. Das ist aber nicht zwingend die Wahrheit. Wir können den Gedanken hinterfragen: Bin ich wirklich überfordert? Warum denke ich, dass ich denke, ich sei überfordert? Das ist das Prinzip der Fusion.
Damit habe ich mich schon etwas von meinem Gedanken distanziert, er steht nun im Raum. Ich kann ihn anschauen und drehen, wie einen Gegenstand: Woher kommt es, dass ich das denke? Könnte ich auch etwas anderes denken? Wie ein Wissenschaftler nimmt man seinen Gedanken auseinander.
Wie können Führungskräfte das nutzen?
Manager:innen leiden ja häufig unter Zeitdruck. Sie können beispielsweise aufschreiben: „Ich habe keine Zeit, ich bin immer im Stress.“ Ich bin ein ganz großer Fan davon, Dinge aufzuschreiben. Ich nenne das „Denken mit der Hand“.
Wenn mein Zeitproblem auf einem Zettel steht, dann kann ich damit spielen. Dann formuliere ich um: Ich denke, ich hätte keine Zeit. Was wäre denn, wenn ich mehr Zeit hätte: Wofür könnte ich sie nutzen? Was wäre, wenn ich alles machen könnte, was ich will: Was würde ich dann nicht machen? Was wäre, wenn ich dieses und jenes diese Woche einfach mal nicht mache? Kann das vielleicht jemand anderes machen, vielleicht jemand, der das sogar besser macht als ich, oder vielleicht ist das gar nicht meine Aufgabe?
Damit bekomme ich dann neue Antworten auf meine Ursprungsfrage?
Ja, genau. Und das hat noch einen weiteren positiven Effekt: „Attention goes, energy flows“, heißt es. Unsere Aufmerksamkeit geht in eine neue Richtung und dahin fließt auch unsere Energie. Wir können uns jeden Tag aufs Neue fragen: Was lasse ich heute weg? Was ist heute wirklich wichtig? Was könnte ich heute machen, was mich in Zukunft weiterbringt? So kann man jeden Tag trainieren, sein Gehirn zu formen. Damit kann man Gedanken, die einem Energie stehlen, in Ideen umwandeln, die einem einen kreativen Impuls geben.
Sie haben eine Plattform mit vielen Inhalten dazu gegründet. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich habe mich mit diesen Themen nach einer Trennung beschäftigt. Mir ging es sehr, sehr schlecht. Ich war kurz vor einer Depression, aber ich musste mich um meine zwei kleinen Kinder kümmern. Damals habe angefangen, mich mit Neurologie und Psychologie zu beschäftigen. Weil ich Medienmacherin bin, habe ich Podcasts produziert. Ich habe mit vielen interessanten Menschen gesprochen. Diese und weitere Inhalte finden sich auf meiner Website – und es kommen laufend neue dazu.
Viele Menschen ängstigen sich angesichts der vielen großen Probleme in der Welt: Kriege, Umweltprobleme, Künstliche Intelligenz. Was empfehlen Sie in dieser Situation?
Ich kann mich zum Beispiel fragen, was mein größter Schmerz ist. Nehmen wir mal Plastik in den Meeren. Was kann ich selbst gegen meinen größten Schmerz tun? Wie kann ich helfen? Ich kann mich zum Beispiel mit anderen Menschen verbinden und wir können zusammen etwas gegen das Plastikproblem unternehmen. In jeder Minute, in der wir zur Problemlösung beitragen, tun wir etwas für unsere geistige Gesundheit, weil wir uns selbstwirksam und mutig fühlen.
Das ist die beste Medizin gegen Hilflosigkeit, die zu Depression oder Wut oder zu beidem führt. Und Wut kann zu Gewalt führen. In einem Star-Wars-Film heißt es: Wut führt zu Angst und zur dunklen Seite der Macht. Genau das sehen wir derzeit in Teilen der Gesellschaft.
Das Interview führte Elwine Happ-Frank.
Zur Anmeldung zum ZfK-Frauennetzwerk geht es hier.
Zur Anmeldung zum nächsten Online-Event zum Thema „Künstliche Intelligenz & Gender Data Gap“ mit Anke Haas, Consultant für Data Strategy bei IBM, am 2. Oktober 2024 von 8:30 bis 10:00 Uhr geht es hier.