Zeitsouveränität beliebter als Teilzeit
Familienfreundlichkeit ist ein Aspekt, der insbesondere für Frauen einen hohen Stellenwert hat. Mit einer Erwerbstätigenquote von knapp 78 Prozent sind Frauen auf den ersten Blick gut in den deutschen Arbeitsmarkt integriert.
Anders sieht es aus, wenn es um den Umfang der Arbeitszeit geht. Denn fast die Hälfte der Frauen (48 Prozent) arbeitet in Teilzeit. Reine Teilzeitstellen mit starren Arbeitszeiten finden sie aber nicht attraktiv, wie eine repräsentative Befragung von gut 2.500 Männern und Frauen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung deutlich macht.
Sorgearbeit anders aufteilen
Rund 50 Prozent der Frauen – egal ob mit oder ohne Kind im Haushalt – favorisieren demnach Arbeitsplätze, die ihnen Flexibilität bei der Stundenzahl bieten. Auch flexible Arbeitszeiten mit variabler Lage der täglichen Arbeitszeit werden präferiert. Dazu passt, dass weniger als 30 Prozent aller Befragten eine Stelle mit festen Zeitvorgaben bevorzugen.
Die befragten Frauen und Männer sollten anhand von Muster-Stellenanzeigen deren Attraktivität unter anderem in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beurteilen. 48,9 Prozent der Frauen und 47,6 Prozent der Männer bevorzugen Stellen, die sie wahlweise in Vollzeit oder in Teilzeit ausüben können. Demgegenüber präferieren insgesamt deutlich weniger Beschäftigte reine Vollzeitstellen. Sind jüngere Kinder im Haushalt, wählen lediglich 21,3 Prozent der Frauen Stellen in Vollzeit – und auch nur 38,1 Prozent der Männer.
"Hier deutet sich an: Paare wollen heutzutage Erwerbs- und Sorgearbeit anders aufteilen. Dazu müssen sie Arbeitszeiten flexibler an ihre Bedürfnisse anpassen können", betont Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung, Michaela Hermann.
Weg von der „Teilzeitfalle“
Doch auch klassische Teilzeitstellen sind für viele Frauen keine Alternative. Frauen mit jüngeren Kindern befürworten lediglich zu 38,3 Prozent dieses Modell. Bei kinderlosen Frauen und bei Müttern mit älteren Kindern sind es sogar nur 29,9 Prozent.
"Reine Teilzeit ist ganz offensichtlich keine Präferenz, auch nicht bei Müttern", sagt Luisa Kunze, Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann Stiftung.
"Mütter können aufgrund stereotyper Aufgabenverteilung in der Partnerschaft nach dem Wiedereinstieg ins Berufsleben oft nur Teilzeit arbeiten. Wenn sie ihre Arbeitszeit nicht flexibler aufstocken können, stecken sie in der Teilzeitfalle fest. Viele bleiben bei einem geringen Stundenumfang, berufliche Karrieren brechen ab und Potenziale gehen verloren."
Flexible Lage der täglichen Arbeitszeit punktet
Vollständig flexible Arbeitszeiten ohne feste Kernzeiten stehen hingegen hoch im Kurs. 45 Prozent aller befragten Frauen und Männer zeigen viel Sympathie für ein solches Arbeitszeitmodell. Die Zustimmung zu starren Arbeitszeiten fällt dagegen deutlich kleiner aus. Sie liegt bei den befragten Frauen bei knapp einem Viertel (24,8 Prozent). Auch nur 29,2 Prozent der Männer würden einen Job mit starren Zeitvorgaben wählen.
"Flexible Arbeitszeiten bieten die Chance, Berufliches und Privates besser miteinander zu vereinbaren", erläutert Michaela Hermann. Diese Flexibilität schaffe mehr Räume, auf dem Arbeitsmarkt aktiv zu sein. Mitarbeiterorientierte flexible Arbeitszeitmodelle nützten so auch den Arbeitgebern.
Attraktive familienfreundliche Stellenangebote
Mit dem Thema Familienfreundlichkeit können Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels besonders gut punkten. Für 44,3 Prozent der Frauen mit jungen Kindern im Haushalt ist der Hinweis in Stellenangeboten auf die Familienfreundlichkeit wichtig.
Viel Gegenliebe bei Männern und Frauen (35,6 bis 42,4 Prozent) findet auch die finanzielle Unterstützung des Arbeitgebers bei Kinderbetreuung und Betreuungsmöglichkeiten in der Nähe der Arbeitsstelle.
Herausfordernd: Familie und Schichtarbeit
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist insbesondere für Beschäftigte im Schichtdienst eine Herausforderung. Dass sie so arbeiten, gibt knapp ein Viertel der Befragten an.
Einen Kinderbetreuungsplatz in Arbeitsplatznähe finden 47,8 Prozent aller Schichtarbeitenden wichtig – und damit deutlich mehr als die nicht im Schichtdienst Arbeitenden (38,1 Prozent). Mit 46,7 Prozent legen deutlich mehr Beschäftigte im Schichtdienst größten Wert auf geregelte Arbeitszeiten, der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten spielt hier nur eine geringe Rolle. (bs)