E-Mobilität

"Die Mobilitätswende ist ein Kraftakt für die Kommunen"

Die Zukunft der Mobilität und Anreize für eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens standen im Mittelpunkt einer Diskussion beim ZfK-Neujahrsempfang in München. Das Vernetzen kam dabei aber nicht zu kurz.
22.03.2023

"Die Verkehrswende in Deutschland verlangt von den Kommunen ein besseres Angebot im ÖPNV, bei gleichzeitig niedrigeren Einnahmen durch das Deutschlandticket", sagte Kirstin Hegner, Managing Director des Digital Hub Mobility, beim Neujahrsempfang der ZfK in München.

  • Podiumsdiskussion beim ZfK-Neujahresempfang im München: (von links) Moderator Carsten Wagner, Geschäftsfüher des VKU-Verlags; Walter Casazza, Geschäftsführer Stadtwerke Augsburg; Kirstin Hegner, Managing Director Digital Hub Mobility und Bernd Reichelt, Geschäftsführer Stadtwerke Menden.

Wenn das Angebot stimmt, verändern die Menschen auch ihre Mobilitätsgewohnheiten. Davon zeigte sich Kirstin Hegner, Managing Director des Digital Hub Mobility, beim Neujahresempfang der ZfK in München überzeugt.

Über 65 Besucher waren der Einladung von Geschäftsführer des VKU-Verlags, Carsten Wagner, und seinem Team gefolgt. Gut drei Jahre nach dem ersten Branchentreffen dieser Art in den ZfK-Räumlichkeiten und einer langen, coronabedingten Zwangspause, wie Wagner in seiner Einführung betonte.

Wie neue, kollaborative Ansätze und Experimentierfreude einen Beitrag zur Mobilitätswende leisten können, zeigte dann Kirstin Hegner auf.

Pilotprojekt zeigt: "Viele Stadtbewohner brauchen Auto nur am Wochenende"

Bei einem Pilotprojekt in Schwabing etwa wurde ausgewählten Anwohnern ein virtuelles Mobilitätsbudget für sämtliche Transportformen in der Gegend zur Verfügung gestellt, das alles konnte über eine App gebucht werden.

„Keiner hat die 300 Euro komplett gebraucht und alle Teilnehmer sind im Alltag und unter der Woche ohne Auto zurechtgekommen“, resümierte Hegner. Es habe sich gezeigt, dass die Betroffenen eigentlich ihr Auto nur am Wochenende benötigt hätten, oft für Ausflüge in die nahe gelegenen Berge.

"Münchner Bergbus" als neues Mobilitätsangebot

Als Beispiel für neue Mobilitätsangebot, die genau eine Antwort für diesen Bedarf geben, nannte sie den „Münchner Bergbus“. Das Digital Hub Mobility ist ein Netzwerk von Unternehmen, Städten und Start-ups, die nachhaltige Mobilitätslösungen für lebenswerte Räume schaffen, der Fokus liegt dabei vor allem auf Sharing und Mobilitätsverhalten sowie E-Mobilität.

„Die Mobilitätswende ist ein Kraftakt für alle Kommunen. Die Städte müssen grüner werden, es gibt einen Verteilungskampf um die Flächen, parkende Autos müssen raus“, verdeutlichte Hegner.

Die Verkehrswende verlange von den Kommunen ein besseres Angebot im ÖPNV, bei gleichzeitig niedrigeren Einnahmen durch das Deutschlandticket.

Plädoyer für einen Ausbau des autonomen Fahrens

Um die Verkehrswende umzusetzen, müsse vor allem der Auslastungsgrad der vorhandenen Autos durch Pooling und Sharing gesteigert werden. Zudem seien leichtere und kleinere Fahrzeugtypen notwendig. Aufgrund des bestehenden Fahrermangels für Busse und Trams sei ein Ausbau von autonomen Flotten wichtig, so Hegner.

Ihr Fazit: „Die Politik muss einen klaren Rahmen setzen für die Mobilitätswende. Die Anreize zu einem Umstieg gehen oft noch in die falsche Richtung“.

Eine wesentliche Erkenntnis der eigenen Studien sei, dass eine Bepreisung notwendig sei, um Verhaltensänderungen bei den Bürgern herbeizuführen. Dabei halte man auch „große Stücke“ auf On-Demand-Sharing sowohl in der Stadt als auch auf dem Land.

"Viele Stellschrauben für Mobilitäts-Lösungen in Städten"

„Es gibt nicht die eine Lösung für die Mobilitätswende, aber man kann in Kollaboration an Formaten arbeiten, um hier neue Ansätze zu entwickeln. Es gibt viele Stellschrauben, um für verschiedene Städte unterschiedlichste Lösungen zu entwickeln.“

Augsburg baut ein multimodales Verkehrssystem auf

Wie man den klassischen ÖPNV mit neuen Mobilitätsformen auflädt und verbessert, darin hat Walter Casazza auf seinen Stationen als Geschäftsführer bei den Innsbrucker und Karlsruher Verkehrsbetrieben und jetzt bei den Stadtwerken Augsburg (swa) viel Erfahrung gesammelt.

In Augsburg arbeitet er seit Jahren am Aufbau eines multimodalen Verkehrssystems, „das aus einer Hand, nämlich von den swa, gesteuert wird“. So könne man viel besser und schlagkräftiger agieren.

Von der Mobilitäts-Flatrate bis hin zu On-Demand-Angeboten

Ob neue Straßenbahnen zur Reduzierung des Stadtumland-Verkehrs, den Aufbau einer eigenen Carsharing-Flotte mit mittlerweile 350 Fahrzeugen und 10.000 Nutzern, eine Mobilitäts-Flatrate mit einem Pauschalpreis für ÖPNV, Car- und Bikesharing und On-Demand-Angebote – das Mobilitätsangebot der swa umfasst mittlerweile zahlreiche Bausteine.

„Wir wollen alle Mobilitätsformen im Portfolio haben. Unser Ziel ist, dass man innerhalb von 15 Minuten von jedem Punkt der Stadt aus Zugang zu einem öffentlichen Verkehrsmittel hat.“

Casazza: "Nachfrage nach Bestpreis-Monatsticket entwickelt sich rasant"

Auch mit dem CheckIn/CheckOut-System über die App „BIno“ haben die swa gute Erfahrungen gemacht. „Wir haben das gekoppelt mit einem Monats-Bestpreis, der zum Monatsende abgerechnet wird“, erklärte Casazza. Der Nutzer kann einen Monat lang die Verkehrsmittel der swa nutzen und am Ende des Monats wird berechnet, welcher Preis am günstigsten gewesen wäre und dieser wird dann auch in Rechnung gestellt.

„Die Nachfrage wächst rasant. Die Nutzer haben das Gefühl, mit dem besten Preis unterwegs zu sein und das ist ein gutes Gefühl“, so der swa-Geschäftsführer.

Er zeigte sich überzeugt, „dass ein Deutschlandticket gepaart mit CheckIn/Checkout“ die Zukunft sei.

Stadtwerke Menden setzen auf Vernetzung

Auf Vernetzung mit Hochschulen und anderen Versorgungsunternehmen und Mobilitätsanbietern setzen die Stadtwerke Menden. Der klassische ÖPNV in der dortigen Region wird vom Landkreis organisiert. Der Zugang der Stadtwerke Menden erfolgte via Erdgasmobilität und Erdgastankstelle und liegt mittlerweile vor allem beim Thema E-Mobilität. „Auch wir haben einen multimodalen Ansatz“, erklärte Mendens Stadtwerke-Geschäftsführer Bernd Reichelt.

Da gehe es beispielsweise um Mobilitäts-Hubs im Gewerbegebiet oder auch die „klassische kommunale Herausforderung, dem Gesellschafter erst einmal deutlich zu machen, dass das Parkraummanagement, also ruhender und geschlossener Verkehr, eins ist“.

Am Ende handle es sich hier um Stadtentwicklung und grundsätzliche Visionen „und da erleben wir in der Diskussion mit den kommunalen Vertretern, dass es noch einige Bretter zu bohren gilt“, so Reichelt weiter.

Reichelt: "Mobilitätswende geht nur gemeinschaftlich"

Die kommunale Wärmeplanung werde die Städte und damit automatisch auch den Verkehr neu definieren. „Die Ideen und Visionen und die Klimaziele wird jeder unterstützen, das geht aber nur gemeinschaftlich“. Hier sei es zentral, auch mit Blick auf die Mobilität rechtzeitig zu agieren und Parnterschaften vor Ort zu schmieden.

„Kommunale Infrastruktur ist wichtig. Wenn ein anderer Anbieter ein Parkhaus baut oder Parkraumbewirtschaftung betreibt, dann bringt er auch seine Ladeinfrastruktur und seine Flotten mit und besetzt sukzessive das ganze Thema“. (hoe)