Deutschland

Hessen: Kommunale Unternehmen stellen Forderungen an die Politik

Die Landtagswahl in Hessen steht vor der Tür. Die kommunalen Unternehmen melden sich mit einem Forderungskatalog zu Wort, um faire Bedingungen in den Sektoren der Zukunft zu erhalten.
10.04.2018

Die Landesgruppe Hessen des Verbandes kommunaler Unternehmen wendet sich an die Landespolitik (v.l.): Bernd Petermann, Vorsitzender des Arbeitskreises Wasser/Abwasser der VKU Landesgruppe Hessen und Geschäftsführer des Zweckverbandes Wasserversorgung Stadt und Kreis Offenbach (ZWO), Martin Heindl, Geschäftsführer der VKU-Landesgruppe Hessen, Ralf Schodlok, Vorsitzender VKU-Landesgruppe Hessen und Vorstandsvorsitzender der ESWE Versorgungs AG, Dr. Julia Klinger, Mitglied des VKU Leitausschusses Wasser/Abwasser und Geschäftsführerin der Entega Abwasserreinigung GmbH & Co. KG und Markus Patsch, Betriebsleiter ELW Entsorgungsbetriebe der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Die kommunalen Unternehmen in Hessen sind mit zehn Forderungen an die Politiker des Landes herangetreten. Schließlich ist am 28. Oktober Landtagswahl. „Damit Stadtwerke auch in Zukunft moderne Daseinsvorsorge zu verlässlichen Entgelten und ökologisch nachhaltig erbringen können, brauchen sie verlässliche, in sich schlüssige und ressortübergreifend abgestimmte Rahmenbedingungen“, machte Ralf Schodlok, Vorsitzender der Landesgruppe Hessen des Verbandes komunalr Unternehmen (VKU) und Vorstandsvorsitzender der ESWE Versorgungs AG bei einer Pressekonfernz in Wiesbaden deutlich. Schließlich stellten die 146 Mitglieder der VKU-Landesgruppe sind mit knapp 14 Mrd. Euro Umsatz pro Jahr und jährlichen Investitionen von 900 Mio. Euro die „Kraftpakete der hessischen Regionen“ dar.

Als wichtigster Punkt wird eine Novellierung der hessischen Gemeindeordnung verlangt: Auch jetzt werde es den kommunalen Energieversorgungsunternehmen ermöglicht, alle branchentypischen Dienstleistungen anzubieten. Zwar sind neue Geschäftsfeldbetätigungen und Beteiligungen an anderen Unternehmen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, das Problem seien allerdings langwierigen Prüfungen durch die Kommunalaufsicht bis hin zum Stadt- oder Gemeindeparlament. Im Rahmen sogenannter Markterkundungsverfahren müssten Stellungnahmen der IHK und der Handwerkskammer eingeholt werden, die eine Beteiligung sehr häufig als nachteilig für die private Wirtschaft einstuften. „Ein solches Verfahren ist nicht mehr zeitgemäß, weil es Monate dauern kann und damit auch von vornherein bereits an einem zähen und ungewissen Entscheidungsprozess scheitern kann“, betonte Schodlok.

"Kommunale IT-Unternehmen brauchen die Stärkung der Entscheidungsträger"

Ferner sollte die künftige Landesregierung für Hessen auf ein Infrastrukturziel Glasfaser setzen. Dafür brauche es einen entsprechenden Rechts- und Regulierungsrahmen. Kommunale IT-Unternehmen investierten auch in strukturschwachen Gebieten, machte Schodlok deutlich. Anders als rein private Anbieter, die im Telekommunikationsbereich nach bloßer Kosten-Nutzen-Abwägung vorgehen, seien sie Träger eines „echten landesweiten Ausbaus“. Von daher sollten die Fördermittel der Landes- und Bundesebene auf ein flächendeckendes Glasfasernetz abzielen. Zudem sollten Markterkundungsverfahren transparent und für eine bestimmte Zeit bindend sein. „Kommunale IT-Unternehmen brauchen die Stärkung durch politische Entscheidungsträger“, betonte Schodlok. Wer investiere, müsse sich auch auf Investitionsschutz verlassen können. „Es kann also nicht sein, dass die Politik Überbauungen im großen Stil zulässt. Damit verlieren die kommunalen Unternehmen im Kampf gegen große Privatkonzerne. Das ist ein völlig falsches Signal.“

Weiterer wichtiger Punkt: Energiewende. Die kommunalen Unternehmen fordern von der künftigen Landesregierung deutlich mehr Engagement beim Ausbau der Windenergie am Land. Der Anteil der Landesfläche für Windkraftanlagen sollte erhöht werden. Außerdem müsse die Vergabepraxis von Flächen für diese Projekte verbessert werden. In der aktuellen Vergabepraxis durch den landeseigenen Betrieb Hessenforst würden systematisch private Bewerber bevorzugt. Sogenannte Bürgerenergiegesellschaften mit Beteiligung des lokalen Energieversorgers hätten das Nachsehen, weil sie nicht in gleicher Weise wettbewerbsfähige Gebote abgeben könnten. Regionale Kompetenz und Akzeptanz vor Ort gingen so verloren. Der Verband forderte daher, auch weiche Standortfaktoren und die regionale Kompetenz bei den Vergabeverfahren für Windenergieanlagen stärker zu berücksichtigen.

Die Rolle der Verteilnetzbetreiber

Zudem sollten sich die künftige Landesregierung auf Bundesebene für angemessene wirtschaftliche und regulatorische Rahmenbedingungen einsetzen, so dass kommunale Verteilnetzbetreiber den Um- und Ausbau der Netzinfrastruktur realisieren können. Schließlich müssen in einer künftigen dezentralen Energiewelt die Ungleichgewichte auf Verteilnetzebene austariert werden.

Beim Thema Wasser setzen sich die Kommunale Unternehmen für strengere Vorgaben bei der Düngung ein. Die Verursacher von Schadstoffen sollten  stärker in die Pflicht genommen werden. Unter anderem müssten sich die gesetzlichen Regelungen zum Einsatz von  Dünger stärker am Gewässerschutz orientieren, sagte Bernd Petermann, Geschäftsführer vom Zweckverband Wasserversorgung Stadt und Kreis Offenbach. Er  plädierte unter anderem für ein Verbot von Dünger und Pflanzenschutzmitteln auf den Randstreifen von Gewässern.

Das Verursacher-Prinzip beherzigen

Neben den Rückständen von Dünger bereiteten in der Abwasseraufbereitung auch zunehmend Spurenstoffe Sorgen, sagte Julia Klinger vom Darmstädter Energieversorger Entega. Zu Spurenstoffen zählen beispielsweise Medikamente. Auch Klinger plädierte dafür, die Verursacher solcher Spurenstoffe mehr in die Verantwortung zu nehmen. Bislang müssten die Entsorger ausbaden, was vorher versäumt wurde - nämlich den Eintrag solcher Stoffe stärker zu begrenzen. Mit einem weiteren Ausbau der Kläranlagen allein sei das Problem nicht in den Griff zu bekommen.

Die Forderungen der Unternehmen im Einzelnen. Die künftige Landesregierung sollte …

  • 1. … eine hessische Gemeindeordnung fassen, die gewährleistet, dass kommunale Energieversorger auch im digitalen Zeitalter weiterhin erfolgreich im Wettbewerb bestehen.
  • 2. … bei der Sektorkopplung auf hocheffiziente, sichere und bezahlte Gasinfrastruktur setzen.
  • 3. … Rahmenbedingungen so anpassen, dass hessische Windkraftprojekte in Zukunft bei EEG-Ausschreibungen wieder eine Chance haben.
  • 4. … sich für angemessene wirtschaftliche und regulatorische Rahmenbedingungen einsetzen, so dass kommunale Verteilnetzbetreiber die Erneuerung und den Ausbau der Netzinfrastruktur realisieren können.
  • 5. … flächendeckende Ladeinfrastruktur fördern und das Potenzial der Erdgasmobilität für die Dekarbonisierung nutzen.
  • 6. … das Verursacherprinzip in den Mittelpunkt ihrer Wasserpolitik rücken und von Landwirtschaft und Industrie einen konsequenten Beitrag zum Schutz der hessischen Trinkwasserressourcen einfordern.
  • 7. … politische Initiativen mit Auswirkungen auf die Kosten der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung in der Gesamtschau bewerten, damit die für den Infrastrukturerhalt erforderlichen Mittel nicht aufgezehrt werden.
  • 8. … klare, nach Gefährdungspotenzial differenzierte Regeln für die Erst- und Wiederholungsprüfung privater Zuleitungskanäle zum öffentlichen Kanal definieren.
  • 9. … für Hessen auf ein Infrastrukturziel Glasfaser setzen und einen entsprechenden Rechts- und Regulierungsrahmen schaffen beziehunsgweise sich für einen solchen bundesweit einsetzen.
  • 10. … sich für eine konsequente Umsetzung der neuen Gewerbeabfallverordnung und damit insbesondere für eine verbesserte Abfalltrennung bei Gewerbebetrieben einsetzen. (al)