Deutschland

Kohleausstieg: Bund und Länder wollen zügig Plan für Strukturwandel erarbeiten

Die Kohlekommission hat vorgelegt, nun macht sich die Politik an die Umsetzung des Kohleausstiegs. Bis Ende April soll klar sein, wie die Reviere umgebaut werden sollen. NRW-Ministerpräsident Laschet sprach von zugesagten 40 Mrd. Euro Strukturhilfen.
01.02.2019

Das Bundeskanzleramt – von der gegenüberligenden Spree-Seite fotografiert.

Bund und Länder wollen beim geplanten Kohleausstieg zügig einen Fahrplan für den milliardenteuren Strukturwandel erarbeiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte bis zum Mai ein Gesetz über Maßnahmen in den betroffenen Regionen an. Dazu habe sich die Bundesregierung verpflichtet, sagte sie nach einer Konferenz mit den Regierungschefs der 16 Bundesländer am Donnerstag in Berlin. Die Länder wollten zudem ein Gesetz, um Planungen zu beschleunigen. "Beides werden wir in Angriff nehmen." Bei dem Maßnahmengesetz geht es zum Beispiel um Investitionen in die Infrastruktur, Investitionsanreize für Unternehmen und die Ansiedlung von Bundesbehörden in den Kohleregionen.

Am Donnerstagabend trafen sich im Bundeskanzleramt die vier Ministerpräsidenten der betroffenen Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), berichtete nun am Freitag bei einer Betriebsversammlung von RWE-Tagebaubeschäftigten, "dass es jetzt die verbindliche Zusage des Bundes gab, die es bis gestern nicht gab, dass der Kommissionsbericht in allen seinen Teilen umgesetzt wird", so Laschet im Tagebau Hambach. "Das heißt: 40 Mrd. Euro Strukturhilfe für die betroffenen Reviere", sagte er. Nach Nordrhein-Westfalen flössen davon 15 Mrd. Euro. Von der Bundesregierung gab es bislang keine Bestätigung.

Merkel: Kohleausstieg sei eine riesige Aufgabe

Merkel bezeichnete am Donnerstag den Kohleausstieg als eine riesige Aufgabe. Die Bundesregierung werde die damit verbundenen Kosten sehr sorgfältig prüfen. Der breite Konsens in der von der Regierung eingesetzten Kohlekommission zeige aber eine "gesamtgesellschaftliche Verantwortung", sagte die CDU-Politikerin. Dieser wolle die Bundesregierung nachkommen. Eine "sehr große Aufgabe" sei der Ausbau der Stromnetze im Zuge der Energiewende. Der Netzausbau kommt bisher nicht voran.

Merkel und die Regierungschefs der vier Kohleländer Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie mehrere Bundesminister wollten am Abend noch über die Empfehlungen der von der Regierung eingesetzten Kohlekommission beraten. Auch Vertreter der Kohlekommission wurden erwartet. Bei dem Treffen im Kanzleramt gehe es vor allem um einen Zeitplan, wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Deutschlandfunk sagte.

40 Mrd. Euro Strukturhilfen

Die von der Regierung eingesetzte Kommission hatte nach langen Verhandlungen ein Konzept für einen Ausstieg aus der Kohle-Verstromung bis spätestens 2038 vorgelegt. Dieses sieht unter anderem 40 Mrd. Euro Strukturhilfen aus dem Staatshaushalt für den Strukturwandel vor. Vor allem in der Lausitz, im Mitteldeutschen sowie im Rheinischen Revier hängen noch Tausende Jobs an der Kohle.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte vor einer Betriebsversammlung des Bergbau- und Energieunternehmens Leag in Cottbus mit Blick auf Maßnahmen zum Strukturwandel: "Jetzt ist die Zeit, schnell in die Gänge zu kommen, um die vereinbarten Dinge zu verwirklichen." Der Region und den Arbeitnehmern könne damit Sicherheit geboten werden.

Erste Bewertungen im Februar

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte mitgeteilt, der Abschlussbericht der Kohlekommission werde nun "im Detail und sorgfältig" ausgewertet, die zuständigen Ministerien nähmen im Februar erste Bewertungen vor. Dann gebe es Gespräche mit Ländern und Energieunternehmen.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte dem "Handelsblatt", Strukturhilfen müssten aus den laufenden Etats der Bundesministerien geleistet werden. "In den Haushalten haben wir hohe Investitionsmittel vorgesehen, die sich beispielsweise in den Etats des Verkehrs-, des Wirtschafts-, des Wissenschafts- oder des Bauministeriums befinden." Scholz warnte davor, "dass nur irgendwelche Summen aufgerufen werden, ohne dass dahinter konkrete Projekte stehen".

BUND fordert Eckpunkte bis März

Der Präsident des Umweltverbandes BUND, Hubert Weiger, forderte, auch ein Gesetz für den Kohleausstieg in Eckpunkten bis März vorzulegen. "Die vorgeschlagenen Hilfen für die Reviere müssen klar an Klimaschutz geknüpft sein", teilte er mit.

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und Vize-Regierungschefin Anke Rehlinger (SPD) wiesen in einem Brief an Merkel darauf hin, dass die Stilllegung von Steinkohlekraftwerken schwerwiegende wirtschaftliche Folgen auch für das Saarland haben könnte. Das Schreiben lag dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND/Freitag) vor. "Wir werden gegenüber der Bundesregierung konkrete Strukturhilfen für unser Bundesland einfordern", kündigte Rehlinger an. Wirtschafts-Staatssekretär Oliver Wittke (CDU) sagte im Bundestag zu den bevorstehenden Gesprächen mit den Ländern: "Einfach nur Geld zu überweisen, wird zu wenig sein." Das Geld müsse zielgerichtet eingesetzt werden. (dpa/al)