Deutschland

Kritik an und Verwirrung um Aufgabe des Klimaziels

Die bekannt gewordenen Positionen von Union und SPD zur Klimaschutz- und Energiepolitik stoßen auf teils heftige Kritik. Und SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles fordert, sich an das vereinbarte Stillschweigen zu halten.
09.01.2018

An den Plänen von Union und SPD zum Aus für die Klimaziele 2020 entzündet sich zum Teil heftige Kritik.

"Ich kann nur alle in der Union auffordern, den Jamaika-Modus jetzt endgültig abzustellen", sagte Nahles mit Blick auf die Gespräche von Union, FDP und Grünen, aus denen oft Zwischenstände öffentlich wurden. Die CDU-Seite versuchte die Wogen zu glätten, nachdem Äußerungen des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) über eine Einigung beim Thema Energie Unmut bei der SPD ausgelöst hatte. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte erneut, es handle sich bisher nur um Zwischenergebnisse. "Alles ist erst verhandelt, wenn alles verhandelt ist."

Nahles nannte es als "sehr ärgerlich", dass es "Durchstechereien" von Zwischenergebnissen gegeben habe. Dies zielte offensichtlich auf Laschet, der am Montagabend bei einem Neujahrsempfang in Düsseldorf gesagt hatte: "Ich kann Ihnen heute berichten, dass wir mit den Sozialdemokraten innerhalb von zwei Sitzungen das Thema Energiepolitik heute abgeschlossen haben."

N-Ergie-Chef Hasler spricht von "politischer Bankrotterklärung"

Union und SPD wollen sich demnach von dem nur noch schwer erreichbaren deutschen Klimaziel für 2020 verabschieden. Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sagte: "Wer kämpft in der großen Koalition für den Kohleausstieg oder für eine wirkliche Verringerung des CO2-Ausstoßes, auch im Verkehr? Da ist niemand, den ich kenne", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sprach von einem "erstaunlichen Rendezvous mit der Realität". Die FDP hätte sich gewünscht, dass die Union schon in den Jamaika-Gesprächen dazu bereit gewesen wäre.

N-Ergie-Vorstandschef Josef Hasler fand drastische Worte: „Dies ist eine politische Bankrotterklärung“, betont der Chef des Nürnberger Regionalversorgers. Nunmehr würden fadenscheinige Begründungen, wie der bereits 2011 beschlossene Atomausstieg oder die Bevölkerungsentwicklung herangezogen. "Die tatsächlichen Gründe liegen jedoch in einer halbherzigen Politik, die ihre Anstrengungen einseitig auf den Bereich der Stromerzeugung fokussiert und dabei auch noch an der Kohle festhält", erklärt Hasler. "Das riesige Potenzial für Klimaschutz im Wärme- und Verkehrssektor bleibt dagegen weitgehend ungenutzt."

Einstieg in den Ausbau der Speicher-Infrastruktur gefordert

"Noch im Wahlkampf haben sich die verhandelnden Parteien klar für die Einhaltung der Klimaschutzziele ausgesprochen. Nun haben sie ihre eigenen Positionen schon am ersten Tag der Sondierungsgespräche aufgegeben", erklärte Peter Röttgen, Geschäftsführer Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Greenpeace Energy forderte die Sondierungsrunde auf, die Voraussetzungen zu schaffen, damit noch in dieser Legislaturperiode der Einstieg in den Ausbau der Speicher-Infrastruktur gelingen könne. Zudem solle die Stromsteuer durch eine CO2-Steuer ersetzt werden. Dies werde die "heutige Marktverzerrung zugunsten fossiler Kraftwerke" beenden, heißt es in einer Presseerklärung.

Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Merkel hatte erst im Wahlkampf versprochen, Wege zur Einhaltung dieses Ziels zu finden.

Nach dem Papier der schwarz-roten Klima-Arbeitsgruppe soll eine Kommission einen Aktionsplan zum schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung erarbeiten. Darauf hatte sich die noch geschäftsführende große Koalition bereits im November 2016 geeinigt. Angestrebt wird zudem ein Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030. Bislang waren 50 Prozent vorgesehen.

Reduzierung des Staatsanteils an den Stromkosten im Blickpunkt

Das Papier der Sondierungs-Arbeitsgruppe "Klimaschutz, Energie und Umwelt"enthält konkrete Vorschläge, wie der Ausbau der Erneuerbaren deutlich erhöht werden soll. So sollen auf der Basis einer Sonderausschreibung jeweils vier GW Onshore-Windenergie und PV sowie ein Offshore-Windenergiebeitrag zugebaut werden, je zur Hälfte wirksam in den Jahren 2019 und 2020. Voraussetzung sei die Aufnahmefähigkeit der entsprechenden Netze.

Die Marktfähigkeit der Speichertechnologien soll durch die Überprüfung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterstützt werden, heißt es weiter. Auch die Kraft-Wärme-Kopplung will Schwarz-Rot weiter entwickeln. "Dazu muss das KWKG umfassend modernisiert werden", heißt es. Bei der Neujustierung der Energiewende stehe zudem eine Reduzierung des Staatsanteils an den Stromkosten im Blickpunkt, insbesondere durch eine Absenkung der Stromsteuer sowie eine Stabilisierung der EEG-Umlage mit Hilfe eines Kappungsfonds. (hil/dpa)