"Es gibt derzeit keine falschen Standorte für Batteriespeicher"

Daniel Hölder leitet die Bereiche Politik und Markt beim Erneuerbaren-Unternehmen Baywa Re.
Bild: © Baywa Re
Wer auch immer die nächste Bundesregierung bilden wird, hat bei der Weiterentwicklung des Strommarkts einiges vor der Brust. Schließlich läuft die aktuelle EEG-Förderung 2026 aus und es müssen Entscheidungen für den Zubau neuer, flexibler Kapazitäten bis hin zu einem Kapazitätsmarkt getroffen werden. Daniel Hölder leitet die Bereiche Politik und Markt beim Erneuerbaren-Unternehmen Baywa Re. Im Interview mit der ZfK erläutert er, wo in den letzten Jahren aus seiner Sicht zu wenig passiert ist – und was er für die wichtigste Säule im Strommarktdesign hält.
Herr Hölder, negative Preise und Dunkelflauten haben den Strommarkt 2024 geprägt. Wie blickt Baywa Re als Projektentwickler, Anlagenbetreiber und Händler auf die Entwicklung?
Wir diskutieren schon seit zehn Jahren über ein flexibles Stromsystem und die Auswirkungen eines erfolgreichen Ausbaus der erneuerbaren Energien. Das Thema ist also nicht neu, hat aber seit letztem Jahr in Verbindung mit verstärkt negativen Strompreisen und einigen Dunkelflauten richtig an Fahrt aufgenommen. Leider ist in den letzten Jahren zu wenig passiert und entsprechende Hemmnisse sind nicht abgebaut worden. Dies wird im Stromsystem jetzt deutlich. Es gibt zu wenig Flexibilität – das ist der zentrale Punkt.
Können Sie das konkretisieren?
Viele Regelungen stammen noch aus der alten Zeit mit grundlastproduzierenden Großkraftwerken. Auch die Netzentgeltsystematik ist in der jetzigen Form nicht zukunftsfähig. In der Industrie müssen Regelungen abgeschafft werden, die Verbraucher zu einem gleichmäßigen Stromverbrauch anreizen und als Hemmnis für flexibles Verhalten wirken. Ein weiteres Thema sind die kleinen PV-Anlagen, deren Einspeisung nicht steuerbar ist.
Was ist hier das Problem?
In Deutschland sind eigentlich viele kleine Batteriespeicher installiert, die uns aber in der Dunkelflaute und bei negativen Preisen nicht helfen. Ohne Smart Meter haben die Kunden keinen Anreiz, sich systemdienlich zu verhalten. Beim Smart-Meter-Rollout ist Deutschland das letzte Land und hat zudem noch einen Sonderweg gewählt. Das ist eines der Kernprobleme und muss dringend gelöst werden. Dadurch würden neue Geschäftsmodelle für Betreiber entstehen und dem Stromsystem käme eine bedarfsgerechte Einspeisung zugute. Großspeicher werden schon so gefahren und können ohne Förderung flexibel am Spotmarkt vermarktet werden. Wir sehen hier großes Interesse auf allen Ebenen.
Wie wirkt sich die Preisvolatilität bei Ihnen im Energiehandel aus?
Im Energiehandel sind wir schon lange im Flexibilitätsmanagement tätig. Großbatterien zu steuern und zu vermarkten, macht den Händlern gerade Spaß. Ähnliches gilt für die Steuerung von flexiblen Erzeugungsanlagen wie Biogasanlagen, von denen wir einige im Portfolio haben. Wir haben lange für diese Geschäftsmodelle geworben. Jetzt, da die Preisunterschiede am Strommarkt größer werden, zahlt sich das aus.
Bevor die Ampelregierung zerbrochen ist, hat sie lange an einem Strommarktkonzept gearbeitet. Hat das Wirtschaftsministerium dabei die richtigen Schwerpunkte gesetzt?
Die aktuelle Regierung hat einige gute Rahmenbedingungen geschaffen, und in der Plattform Klimaneutrales Stromsystem oder PKNS sind viele wichtige Themen aufgearbeitet worden. Die Ampelregierung hat den Fokus langfristig auf den Erneuerbaren-Ausbau gelegt. Das war im Hinblick auf den Ausbau der Photovoltaik und die Zunahme an Windkraftgenehmigungen auch erfolgreich.
Leider hat die PKNS zu lange gedauert. Und ich sehe es kritisch, dass die Oppositionsparteien nicht beteiligt waren, das war ein grundlegender Fehler. Die Union hat keinen Branchendialog geführt. Deswegen könnten wir nach der Neuwahl wieder unnötig Zeit verlieren. Ich hoffe, dass die Union zumindest auf den bisherigen Ergebnissen aus der PKNS aufbauen wird.
Klar ist, dass die EEG-Förderung neu aufgesetzt werden muss. Die Genehmigung der EU-Kommission läuft Ende 2026 aus. Was heißt das für Sie?
Ich kann der Umstellung auf eine produktionsunabhängige Förderung grundsätzlich etwas abgewinnen. Der Teufel steckt hier aber im Detail und Risiken beziehungsweise Unsicherheiten sind aufgrund der mangelnden Praxiserfahrung schwer einschätzbar. Eine Umstellung bis 2027 halte ich für nicht machbar.
Ein neues Fördersystem könnte zunächst in einem "Reallabor" oder in einem eigenen Ausschreibungssegment erprobt werden. Als Zwischenlösung wäre es sinnvoll, die heutige Marktprämie mit einem Korridor, oberhalb dessen eine Abschöpfung stattfindet, auszustatten. Das wäre ein minimalinvasiver Eingriff, mit dem alle gut umgehen könnten und mit dem kein Fadenriss im weiteren Ausbau riskiert wird.
Das Wirtschaftsministerium hat auch an einem Kapazitätsmechanismus gearbeitet. Aus der Erneuerbaren-Branche war viel Kritik an dem Konzept zu hören.
Wir sind gegenüber Kapazitätsmärkten sehr skeptisch eingestellt. Einerseits diskutieren wir darüber, wie wir die Erneuerbaren aus der Förderung herausbekommen. Auf der anderen Seite würden wir mit einem Kapazitätsmarkt konventionelle Gaskraftwerke in die Förderung aufnehmen.
Der zentrale Kapazitätsmarkt wäre letztlich kein Markt, sondern nichts anderes als ein neues Förderinstrument. Mittlerweile bauen wir Solarparks außerhalb der Förderung über PPA-Finanzierungen. Aber Gaskraftwerke, die sich die teuren Preisstunden heraussuchen können, können nicht ohne Förderung gebaut werden?
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Ein zentraler Kapazitätsmarkt würde auch dazu führen, dass die Strompreise künftig nach obenhin gedeckelt werden. Die neuen Gaskraftwerke setzen dann den Preis, es kommt zu Überkapazitäten. In der Folge gäbe es weniger Anreize, den Verbrauch zu flexibilisieren. Batteriespeicher würden sich weniger lohnen und dezentrale Lösungen würden verdrängt.
Und wenn die Marktwerte der Erneuerbaren nach unten gedrückt werden, kommen diese wieder schwerer aus dem Fördersystem heraus. Ich befürchte eine Spirale der Fördersysteme. Am Ende kommen weder die Erneuerbaren noch die konventionellen Anlagen aus der Förderung heraus. Deswegen werben wir für eine Hedgingpflicht, bei der Energieversorger verpflichtet werden, die Lieferungen an ihre Kunden abzusichern.
Derzeit sehen wir regelmäßig Spitzenpreise und trotzdem werden keine Gaskraftwerke hinzugebaut. Sind Sie sicher, dass mit der Hedgingpflicht genügend neue Kapazitäten angereizt werden?
Momentan werden keine neuen Kraftwerke gebaut, weil alle auf die Förderung warten. Wenn die Bundesregierung sich glaubhaft für ein neues Marktdesign entscheiden würde, dann käme auch der Zubau. Aber wir würden vermutlich nicht die großen Gaskraftanlagen sehen, die sieben Jahre Vorlaufzeit brauchen.
Im Vereinigten Königreich, wo es bereits einen Kapazitätsmarkt gibt, sind hauptsächlich modulare Motorenkraftwerke gebaut worden. Die können in zwei Jahren oder sogar schneller errichtet werden und haben keine 40 Jahre Abschreibungszeit, sondern 10. Diese Anlagen können genauso gut als Backup im System dienen.
Flexibilität soll ein Pfeiler des künftigen Stromsystems werden. Aus der Industrie ist zu hören, dass die Potenziale für Verbrauchsflexibilität überschätzt werden. Sehen Sie das ähnlich?
Wir halten Flexibilität für die wichtigste Säule im Strommarktdesign. Je mehr Flexibilität wir im System haben, desto billiger werden die anderen Säulen, vor allem der Kraftwerkszubau. Ich sehe bei der Industrie nicht so schwarz.
Wirklich?
Natürlich lassen sich manche Prozesse nicht so leicht flexibilisieren. Aber wenn Sie am Strommarkt entsprechend kompensiert werden, lohnt es sich irgendwann auch, eine Maschine abzustellen. In den Unternehmen gibt es auch viele Nebenanlagen wie beispielsweise Klimaanlagen, die große Flexibilitätspotenziale bieten. Oder Wärmespeicher, die nachgerüstet werden können, um etwa BHKW oder Wärmepumpen flexibel betreiben zu können. Wir müssen endlich aufhören, der Industrie die Flexibilisierung ihres Verbrauchs zu verbieten. Etwa über das Bandlastprivileg.
Das Gute an unserem Vorschlag einer erweiterten Hedgingpflicht gegenüber einem Kapazitätsmarkt ist, dass wir nicht wissen müssen, wie viele Flexibilitätspotenziale es gibt. Der Markt wird entscheiden, ob es günstiger ist, in bestimmten Situationen den Verbrauch zu reduzieren oder dafür Kapazitäten vorzuhalten. Das ist zweifellos effizienter als eine staatliche Festlegung des Kapazitätsbedarfs. Wichtig ist allerdings wie gesagt, dass der Staat die Hemmnisse für Flexibilitäten abbaut.
Große Hoffnungen liegen auf den Stromspeichern. Aber kommen diese rechtzeitig in ausreichender Größe?
Solange wir keinen Kapazitätsmarkt haben, rechnen sich Großbatteriespeicher am Markt und brauchen keine Förderung. Das Problem sehe ich bei den Netzanschlüssen. Derzeit sind die Netzbetreiber von der Masse an Anfragen völlig überfordert. Teilweise gibt es auch die Befürchtung, dass Batteriespeicher netzschädlich betrieben werden könnten.
Da geht es meist um wenige Stunden im Jahr, wo der Speicher einen Netzengpass verstärkten könnte. An vielen anderen Tagen aber würde er das System unterstützen und Netzengpässe entlasten. Das Problem ließe sich zum Beispiel mit einer Netzampel lösen, an die sich die Speicherbetreiber bei Engpässen dann halten müssen.
Die Bundesnetzagentur denkt darüber nach, Erneuerbaren-Betreiber stärker an den Netzkosten zu beteiligen. Wie blicken Sie auf diese Debatte?
Wenn die Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen künftig Netzentgelte bezahlen müssen, wird eben die Erzeugung teurer. Eine solche Komponente würde auch im europäischen Stromhandel zu einer Verzerrung führen. Das macht nur den Stromimport billiger.
Natürlich kann man etwa bei den Baukostenzuschüssen über eine regionale Steuerung von Stromspeichern diskutieren. Ich glaube aber, dass es derzeit keine falschen Standorte für Batteriespeicher gibt. Für solche Situationen, in denen Netzinteresse – bei Engpässen zum Beispiel – und Marktinteresse in Abhängigkeit des Strompreises entgegenlaufen, gibt es bessere Lösungen – wie gesagt in Form einer Netzampel, die Engpässe anzeigt, oder variablen Netzentgelten in Zeiten von hohem Bedarf oder Überschüssen.
Welche Vorhaben muss die künftige Bundesregierung als Erstes anpacken?
Wir sind froh, dass die verkürzte EnWG-Novelle noch beschlossen wurde. Der Umgang mit den negativen Preisen ist für uns auch als Direktvermarkter wichtig. Auch wenn die Regelungen für dieses Pfingsten zu spät kommen, brauchen wir sie schnell, damit sie wenigstens im kommenden Jahr Wirkung entfalten können.
Ebenso wichtig wäre eine schnelle Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie RED III. Ansonsten sollte es für die künftige Bundesregierung vor allem um die Flexibilisierung des Stromsystems gehen. Und natürlich braucht es eine Entscheidung über den Kapazitätsmarkt und zur Zukunft der Erneuerbaren-Förderung.
Das Interview führte Julian Korb