Heizungsgesetz und Wärmeplanung: Sechs schwarz-rote Kipppunkte im Überblick

Sagte ihren Auftritt bei der Deutschen Wärmekonferenz kurzfristig ab: Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU).
Bild: © Michael Kappeler/dpa
Von Andreas Baumer
Die Gerüchteküche brodelte auf der diesjährigen Deutschen Wärmekonferenz kräftig. Von angeblich schon zirkulierenden Eckpunkten zum Gebäudeenergiegesetz war die Rede und von neuen Vereinbarungen bei der Heizungsförderung. Mehr Klarheit schafften weder Bauministerin Verena Hubertz (SPD) noch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Beide sagten kurzfristig ab.
Dafür schickte Schwarz-Rot zwei Staatssekretäre, zwei für Energie zuständige Fraktionsvize und einen energiepolitischen Sprecher auf die Bühne. Zuvor hatte bereits Reiches Wärmeabteilungsleiterin Stephanie von Ahlefeldt Einblicke gegeben. Und siehe da: Aus verschiedenen Äußerungen ließ sich erahnen, wo es bereits Einigkeit bei der Reform des Gebäudeenergiegesetzes gibt – und wo noch nicht. Ein Überblick über Kipppunkte – von 65-Prozent-Regel über Wasserstoff und Wärmeplanung bis zum Zeitplan:
65-Prozent-Regel
Hier geht es um die Vorgabe, dass neue Heizungen prinzipiell nur noch zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme betrieben werden dürfen.
Hier prallen Union und SPD weiterhin aufeinander. "Viele haben sich darauf verlassen, dass die 65-Prozent Marke gilt", sagte Armand Zorn, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. "Das würde für Verunsicherung sorgen, wenn wir daran noch einmal drehen würden, wenn wir von 50, 60 oder 70 Prozent reden würden." Aus seiner Sicht gehören die 65 Prozent zu den klaren Rahmenbedingungen, die Wärmebranche und Verbraucher nun benötigen.
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Zorns Gegenüber in der Union, Fraktionsvize Sepp Müller, verwies dagegen darauf, dass seine Fraktion dazu eine "dezidiert andere Meinung" habe. Tatsächlich machte die Union mit dem Versprechen Wahlkampf, die 65-Prozent-Regel zurückzunehmen.
Bemerkenswerterweise wurde im Klimaschutzbericht der Bundesregierung die Passage, dass die 65-Prozent-Regel bei neuen Heizungen "eines der wirksamsten Instrumente im Gebäudesektor" sei, kurzerhand gestrichen. In der Vorlage des SPD-geführten Umweltministeriums war sie noch aufgeführt gewesen.
Auf der Konferenz wurde spekuliert, dass sich Union und SPD am Ende auf einen Kompromiss einigen könnten, der folgendermaßen aussieht: Die 65-Prozent-Regel bleibt grundsätzlich bestehen, wird aber an manchen Stellen aufgeweicht.
Wasserstoff und Biomasse
Die Union erwartet sich hier Lockerungen und dürfte damit grundsätzlich bei der SPD auf Zustimmung stoßen.
Andreas Lenz, energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sprach den Paragrafen 71k, der die Bedingungen für Wasserstoffheizungen regelte, explizit an. Ihm habe noch niemand erklären können, warum Wärmepumpenstrom als automatisch hundertprozentig erneuerbar anerkannt werde, andere Technologien jedoch nicht, sagte er. So würde man einzelne Technologien besser rechnen, als sie seien. Lenz sagte zudem, dass der Paragraf zu kompliziert sei.
Auch zur Biomasse fand der CSU-Politiker klare Worte. Hier dürfe es "keine Diskriminierung mehr" geben, betonte er. Ähnlich formulierte dies Abteilungsleiterin von Ahlefeldt.
Unions-Fraktionsvize Müller gab hierzu noch weitere Einblicke. Wenn man es bei der kommunalen Wärmeplanung Kommunen überlasse, Biomasseanlagen zu installieren, "müssen wir uns auch mit der Koalition und dem Umweltbundesamt einig sein, dass Biomasse CO2-neutral ist".
Auch SPD-Fraktionsvize Zorn sprach sich für Technologieoffenheit bei Wasserstoff und Biomasse aus. Allerdings ist davon auszugehen, dass die SPD im Zweifel strengere Kriterien anlegen will als die Union. Als Verfechterin strenger Vorgaben gilt insbesondere Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD.
Wärmeplanung
Auch hier könnte es noch Änderungen haben. Denn alles hänge mit allem zusammen, sagte Unions-Fraktionsvize Müller. "Wir werden hier zu einer Regelung kommen, dass wir mehr Eigenständigkeit bei den Kommunalparlamenten lassen." Das sei zumindest sein Wunsch.
Zudem müsse man darüber diskutieren, was man mit dem Anschlusszwang in Fernwärmegebieten mache. Das gehe bis in die Förderung hinein. Ob er damit auf die Forderung aus der Fernwärmebranche anspielte, die individuelle Heizungsförderung in staatlich geförderten Fernwärmegebieten aufzugeben, ließ Müller offen.
Er sei nicht dafür, mehr Fördermittel in die kommunale Wärmeplanung zu geben, sondern Kommunen mehr Entscheidungsfreiheit zu geben, führte der CDU-Politiker weiter aus. "Das hat vor der Novelle besser geklappt. Wenn wir diesen Status wiederherstellen, haben wir schon sehr, sehr viel gewonnen."
Harte Worte wählte Müllers Fraktionskollege Lenz. Er nannte die Verkopplung von Wärmeplanungs- und Gebäudeenergiegesetz "unsachgemäß". Dies habe jetzt zu "Absentismus" geführt.
Zur Erinnerung: Die Verzahnung mit dem Wärmeplanungsgesetz war in der Debatte um das Gebäudeenergiegesetz 2023 ein Schlüsselkompromiss. Die 65-Prozent-Regel sollte für fast alle Hauseigentümer nur dann greifen, wenn kommunale Wärmepläne vorliegen. Großstädte haben bis Mitte 2026 dafür Zeit, kleinere Kommunen bis Mitte 2028.
Dass es bei der Bewertung des Wärmeplanungsgesetzes Differenzen zwischen Union und SPD gibt, hatte sich im Vorfeld bereits angedeutet. "Wir fassen das Wärmeplanungsgesetz nochmal an, um es zu vereinfachen", sagte von Ahlefeldt bereits im Juni. Als Beispiel nannte sie Vereinfachungen für kleine Kommunen. "Da lässt sich noch einiges machen."
Jörg Wagner, zuständiger Unterabteilungsleiter im Bauministerium, widersprach damals. Eine Ankündigung, das Wärmeplanungsgesetz zu reformieren, könne auch dazu führen, dass Gemeinden erst einmal abwarten würden, warnte er. Sein Motto: Lieber ein zu 90 Prozent gutes, aber verlässliches Gesetz, als ein Gesetz, das immer wieder geändert werde.
Gasheizkesselverbot
Mit Verwunderung nahm die Energiebranche zur Kenntnis, dass Reiche in ihrer ersten Bundestagsrede als Wirtschaftsministerin ankündigte, das Verbot für mehr als 30 Jahre alte Gasheizkessel kippen zu wollen. Dieses Verbot, geregelt im Paragraf 72, wurde bereits unter dem damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eingeführt. Es betrifft vergleichsweise wenige Heizungen.
Auf die Rücknahme des Heizkesselverbots angesprochen zeigte sich Olaf Joachim, Staatssekretär im Bauministerium, überrascht. Er gehe mal schwer davon aus, dass diese Aussage nicht von ihm komme, sagte er. Offenbar war ihm Reiches damalige Ankündigung in diesem Moment nicht geläufig. "Wir sind da in der Tat mal wieder bei der Frage Planungssicherheit", sagte er.
Joachims Äußerung ist auch deswegen bemerkenswert, weil das Wirtschaftsministerium eigentlich in enger Abstimmung mit dem Bauministerium das Gebäudeenergiegesetz reformieren müsste.
Heizungsförderung
Spekulationen, dass das Wirtschaftsministerium die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) einstampfen wolle, wies der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Stefan Rouenhoff, zurück. Über die BEG werden Wärmepumpen und andere klimafreundliche Heizungen gefördert. "Wir setzen auf Kontinuität", stellte er klar. Die BEG sei das "zentrale Förderinstrument für die energetische Sanierung und klimafreundliche Heizungstechnologien". Sie sei zudem von großer konjunktureller Bedeutung für das Handwerk und den Anlagenbau.
Die Haushaltslage sei aber "nicht rosig", führte Rouenhoff aus. Wichtig sei, dass die BEG insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen in den Blick nehme und so auch für die notwendige soziale Balance sorge. Das dürfte die SPD, die sich als Anwalt der sogenannten kleinen Leute versteht, genauso sehen.
Dies deckt sich mit Enthüllungen des Mediums "Table Briefings", wonach die Förderung für den Heizungstausch degressiv ausgestaltet werden soll. Sie soll sich stärker auf Familien und Geringverdiener konzentrieren. Dies sei bereits mit der SPD vereinbart, hieß es.
Fakt ist, dass Union und SPD zurzeit mitten in den Verhandlungen für den Bundeshaushalt 2026 stecken. Die Fördermittel für die BEG spielen dabei eine große Rolle. Aus Unionssicht könnte hier noch mehr Geld eingespart werden.
Zeitplan
Unklar ist, ob das Wirtschaftsministerium die Reform des Gebäudeenergiegesetzes in zwei Teile teilt oder in einem Schub bringt. Klar ist: Zum einen geht es um die Umsetzung des Koalitionsvertrags und zum anderen um die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie. Letztere muss bis Mai 2026 in nationales Recht überführt sein. Ansonsten drohen Strafzahlungen.
Aussagen aus dem Bau- und Wirtschaftsministerium bei der Wärmekonferenz deuteten eher darauf hin, dass es eine einzige Neufassung geben wird. Stephanie von Ahlefeldt, Wärmeabteilungsleiterin im Wirtschaftsministerium, stellte in Aussicht, bis zum Jahresende Eckpunkte vorzulegen. "Ich hoffe, dass mir da alle folgen", sagte sie. Joachim, Staatssekretär im Bauministerium, nannte den Mai 2026 als finale Frist für die Umsetzung der Reform.
Rouenhoff, parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, bat um Geduld. "Wir können nicht hexen", sagte er. "Das braucht halt seine Zeit." Aber: Es werde nicht mehr viel Zeit ins Land ziehen, bis mehr Klarheit herrsche.
Etwas redseliger war SPD-Fraktionsvize Zorn. Er berichtete von einem Koalitionsfrühstück mit Ministerin Reiche vor einigen Wochen. Demnach visiert das Wirtschaftsministerium das vierte Quartal an. Das Vorhaben könnte auch ins neue Jahr rutschen, wenn die EU-Gebäuderichtlinie mit umgesetzt werden soll. "Wir haben einen Schuss und der muss am Ende sitzen", sagte er.
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