BSW-Energiesprecher: "Die Liberalisierung der Energiemärkte war ein Fehler"

Klaus Ernst ist stellvertretender Vorsitzender der BSW-Gruppe. Er führt die bayerische Landesliste an und käme somit sicher wieder in den Bundestag, wenn das BSW die Fünf-Prozent-Hürde schafft.
Bild: © Katja Julia Fischer
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist die wohl größte Unbekannte unter den Parteien, die realistische Chancen auf den Einzug in den Bundestag haben. Programmatisch kommt für sie die vorgezogene Neuwahl eigentlich etwas früh. So musste schneller als geplant ein Wahlprogramm zusammengezimmert werden. Energiepolitisch steht das BSW weit links. Viel Staat, wenig Markt, heißt die Devise. Ein Interview mit Klaus Ernst, dem energiepolitischen Sprecher des BSW im Bundestag, über den liberalisierten Energiemarkt, privates Kapital für Wärmenetze und neue Gaskraftwerke.
Herr Ernst, welche Rolle sollten Stadtwerke in der deutschen Energiewirtschaft spielen?
Aus unserer Sicht sollte die Energieversorgung grundsätzlich in öffentlicher Hand sein. Wir halten es also für richtig, dass Stadtwerke für Netze und Versorgung zuständig sind.
War die Liberalisierung der Energiemärkte Ende der 1990er- und Anfang der 2000er-Jahre also ein Fehler?
Ja, so weit würde ich gehen. Die Liberalisierung der Energiemärkte war ein Fehler. Sie hat jedenfalls nicht dazu geführt, dass durch mehr Wettbewerb die Energiepreise deutlich nach unten gegangen wären. Stattdessen haben wir auf dem Energiemarkt noch immer teilweise Oligopolstrukturen.
Wie weit wollen sie bei der Verstaatlichung der Energiewirtschaft gehen?
Ich habe nichts dagegen, dass es kleine Wasserkraftwerke in privater Hand gibt. Das ist nicht mein Problem. Die großen Energieversorger müssten aber schon öffentlich beeinflusst werden. Das Gemeinwohl muss entscheiden.
Sie sind also dafür, die Eons und RWEs dieser Welt zu verstaatlichen?
Nicht verstaatlichen, sondern unter gesellschaftliche Verantwortung nehmen. Die Öffentlichkeit muss die Möglichkeit haben, diese Unternehmen maßgeblich beeinflussen zu können.
Das BSW setzt sich für den Ausbau der Fernwärme ein. Wer sollte die Kosten dafür schultern?
Wir müssen Kommunen in die Lage versetzen, dass sie ihren Kapitalbedarf durch entsprechende öffentliche Förderungen oder Kredite decken können. Hier sind übrigens nicht nur der Bund, sondern auch die Bundesländer gefragt.
Die öffentlichen Mittel sind begrenzt. Aus Sicht der Kommunalwirtschaft wird es ohne private Kapitalgeber vielfach nicht gehen. Sind Sie gegen die Einbindung von Privatkapital?
Grundsätzlich nicht. Aber die Entscheidung darüber muss bei der Kommune liegen. Privates Kapital muss sich auch in Grenzen halten, denn ansonsten könnten hohe Renditeerwartungen zu hohen Folgekosten für Verbraucher führen.
Sollten Fernwärmeversorger die Möglichkeit erhalten, auch ihre Kunden stärker an den Kosten der Fernwärmetransformation zu beteiligen?
Das Heizen der eigenen Wohnung muss für alle finanzierbar sein. Dieser Grundsatz sollte immer gelten. Deshalb ist es so wichtig, auf die Kostenseite zu schauen. Die Einbindung privater Kapitalgeber darf nicht dazu führen, dass es zu einer Kostenexplosion kommt.
Ist das BSW für eine Fernwärmepreisaufsicht, wie sie SPD und Grüne fordern?
Im Strom- und Gasbereich haben wir ja schon jetzt die Bundesnetzagentur als Kontrollbehörde. So etwas könnte ich mir auch durchaus für die Fernwärme vorstellen.
Die bestehende Kontrolle durch die Kartellämter reicht Ihnen nicht?
Die Kartellämter sind oft eher zahnlose Tiger. Da hat die Bundesnetzagentur schon mehr Einfluss.
Das BSW will die Stromnetze laut Wahlprogramm verstaatlichen. Was meinen Sie damit genau?
Stadtwerke müssen nicht besorgt sein. Sie sind ja bereits in öffentlicher Hand. Unser Punkt ist ein anderer. Statt privaten Netzbetreibern Traumrenditen zu sichern, wollen wir die Instandhaltung und den Bau dieser Netze vergesellschaften. Denn wenn die Netze gewinnorientiert ausgebaut werden sollen, wird es teuer. Der Staat dagegen muss keine Gewinne machen, sondern lediglich so viel verdienen, dass er die Investitionen tätigen kann. Außerdem kann er sich günstige Kredite bei der staatlichen Förderbank KfW besorgen.
Für Traumrendite ist auch die Bundesnetzagentur wahrlich nicht zu haben. Aber wie steht das BSW eigentlich zum Ausbau der erneuerbaren Energien?
Wir wollen sie weiter ausbauen. Aber die Frage ist, wo und wie wir das tun. Wir müssen nicht auf jeden Berg ein Windrad setzen. Klar ist auch: Wir werden noch über längere Zeit Erdgas in der Stromerzeugung brauchen, weil wir für Dunkelflauten noch nicht genügend Speicherkapazitäten zur Verfügung haben.
Dass auf jeden Berg ein Windrad kommt, verlangt ehrlicherweise auch niemand. Dass Deutschland neue Gaskraftwerke braucht, schon. Wer sollte sie bauen?
Auch das sollten wir öffentlich organisieren. Das muss nicht die Bundesrepublik Deutschland sein. Das können auch Bundesländer oder ein Zusammenschluss von Kommunen sein. Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit Kosten und Preise beeinflussen kann.
Und wie lange sollte Deutschland noch auf Erdgas setzen?
Wir halten nichts von festen Ausstiegsdaten. Wir müssen es so lange verwenden, wie wir es brauchen. Wir sollten außerdem das Gas nehmen, das am günstigsten ist. Unsere Auffassung dazu ist bekannt: Die nächste Bundesregierung sollte mit Russland verhandeln, um über den verbliebenen Strang der Nord-Stream-Pipeline wieder günstiges Erdgas zu beziehen. Denn russisches Gas ist nicht nur günstiger als US-amerikanisches, sondern auch umweltfreundlicher.
Das Interview führte Andreas Baumer
Dieses Interview ist Teil der ZfK-Bundestagswahlserie. Bis zum 23. Februar werden auf der ZfK-Website Interviews mit energiepolitischen Vertretern aller im Bundestag vertretenen größeren Parteien erscheinen. Bisherige Folgen im Überblick:
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