IPCC-Bericht zum Klima: Wenn Anpassungen schädigen
Der am Montag veröffentlichte Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) macht deutlich: Die Weltgemeinschaft wird noch früher und stärker mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert als bislang angenommen. Für den Bericht werteten internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Tausende von Studien aus, um die Folgen des Klimawandels zu bewerten. Matthias Garschagen, Inhaber des Lehrstuhls für Anthropogeographie mit dem Schwerpunkt Mensch-Umwelt-Beziehungen am Department Geographie der LMU, erläutert u.a. Schlüsselrisiken des Klimawandels sowie die Anpassungskapazitäten und -grenzen. Hier lesen Sie mehr zu den politischen Reaktionen auf den Bericht.
"Die bisherigen Risikoabschätzungen waren zu optimistisch", sagt Garschagen. "Wir haben es immer mehr mit Verflechtungen und Komplexitäten im System zu tun, durch die sich Risiken gegenseitig hochschaukeln, etwa wasserbezogene und nahrungsmittelbezogene Risiken. Diese Komplexität hat die Wissenschaft erst in den letzten Jahren verstärkt in den Blick genommen." Die Autorinnen und Autoren sehen starke Auswirkungen des Klimawandels in allen Erdregionen und in allen Sektoren, beispielsweise in der Infrastruktur, in Städten, in der Nahrungssicherung, in der Landwirtschaft, oder im Fischfang.
"Noch haben wir es selbst in der Hand"
Zudem macht der Bericht deutlich, dass Klimaanpassung zwar voranschreitet, aber bislang nicht alle Risiken kompensieren kann. "Gerade bei Erwärmungspfaden, die uns auf eine Temperaturzunahme von 3°C oder sogar mehr bis zum Ende des Jahrhunderts bringen, sehen wir deutliche Anzeichen, dass zumindest unsere momentane Anpassungsplanung nicht ansatzweise ausreichen wird", betont Garschagen. "Selbst wenn wir die 2°C-Grenze einhalten, werden in vielen Erdregionen die Grenzen der Anpassungsfähigkeit erreicht werden, insbesondere in ärmeren Ländern mit geringen Anpassungskapazitäten." Deshalb müsse sowohl der Klimaschutz als auch die Klimaanpassung sehr zügig und effektiv vorangetrieben werden. Dabei müsse man wesentlich vorausschauender und integrierter agieren, als es bisher der Fall ist. "Noch haben wir es selbst in der Hand!", so Garschagen.
Wenn Maßnahmen gegen den Klimawandel alles noch schlimmer machen
Anpassung an den Klimawandel ist gut, aber viele Maßnahmen sind ein zweischneidiges Schwert. Dabei lauert eine Gefahr: "Es gibt wachsende Nachweise von Fehlanpassungen", schreibt der Weltklimarat in seinem neuen Bericht. Gemeint sind Maßnahmen, die ein Problem lösen sollen, dabei aber eher schaden als helfen und im schlimmsten Fall den Klimawandel noch anheizen. In manchen Fällen lassen sich mit richtiger Planung negative Folgen vermeiden. Folgende Beispiele:
Ufermauern und Deiche: Sie können küstennahe Wohngebiete und Felder schützen, wenn der Meeresspiegel steigt oder stärkere Stürme für Überschwemmungen sorgen. Doch könnten solche Mauern küstennahe Ökosysteme wie Korallenriffe zerstören. Außerdem könnten sie Menschen in falscher Sicherheit wiegen. "Mehr Familien ziehen in eine Gegend, die angeblich sicher zum Leben ist", schreibt der Weltklimarat.
Bewässerung: Mit Bewässerung kann auch dort, wo Wassermangel herrscht, Nahrung angebaut werden. Das ist eine wichtige Anpassungsmaßnahme, aber wenn nicht gut geplant wird, kann zu viel Grundwasser und Wasser aus anderen Quellen entnommen werden, sagt Mitautorin Tabea Lissner der dpa. Und: "Bewässerung kann regional bis lokal Einfluss auf Temperatur und Niederschlag haben." Auch das könne nach Studien Temperaturextreme abmildern oder verstärken.
Biotreibstoffe: Als Alternative für Benzin und Diesel gelten Biotreibstoffe. Aber in Indonesien, Südamerika und anderen Regionen sind für den Anbau etwa von Palmöl und Soja riesige Flächen Regenwald gerodet worden. Damit wird Lebensraum für Tiere und Pflanzen dezimiert. Die Wälder sind auch wichtige CO2-Speicher. Anderswo nehmen solche Plantagen Platz für Nahrungsmittelanbau ein. Allein für Diesel- und Benzinautos in Deutschland werden nach einer Studie der Deutschen Umwelthilfe weltweit auf 1,2 Mio. Hektar wertvoller Agrarfläche Pflanzen für Biokraftstoff angebaut, 500.000 Hektar davon in Deutschland. Wenn auf den Flächen natürliche Vegetation wäre, würde das nach der Studie über 30 Jahre hinweg mehr als doppelt so viel CO2 binden wie durch den Einsatz von Biotreibstoffen eingespart werden kann.
Der Umstieg auf pflanzliche Produkte: Selbst das kann in einigen Bereichen problematisch sein: "Tüten oder Kartoffelstärke aus Baumwolle statt aus Plastik - das klingt plausibel, aber die Pflanzen müssen ja auch irgendwo wachsen", sagt Arneth der dpa. "Der Mensch nutzt schon 70 Prozent der eisfreien Flächen der Welt, allein 50 Prozent für Ackerbau, Forstwirtschaft und Weiden, da gibt es bald nicht mehr viel zu nutzen."
(dpa/gun)