Export zum Nulltarif: Frankreich kämpft mit überschüssigem Strom

Der französische Präsident Emmanuel Macron
Bild: © Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa
Von Julian Korb
Frankreich erzeugt schon seit Monaten mehr Strom, als es verbraucht. Stromerzeuger müssen daher zunehmenden für den Export ihrer Überschüsse zahlen. Das hat der französische Übertragungsnetzbetreiber RTE kürzlich bestätigt. In einem Schreiben an französische Stromlieferanten sprach das Unternehmen von einer "extrem angespannten Situation".
Damit hat sich der Trend seit der Energiekrise umgekehrt. 2022 hatte RTE die Franzosen noch aufgefordert, Strom zu sparen. Grund waren ungewöhnliche viele Ausfälle bei Kernkraftwerken. Auch Deutschland exportierte damals große Mengen an Energie, um dem Nachbarland auszuhelfen.
80 Millionen Minus
Schon im vergangenen Jahr erzeugte Frankreich deutlich mehr Strom, als es selbst verbrauchen konnte. Rund 88 Terawattstunden (TWh) mussten ins Ausland exportiert werden. Zum Vergleich: Deutsche Stromhändler verkauften im selben Zeitraum knapp 49 TWh an Kunden in anderen Ländern.
Zeitgleich importierte Deutschland im Jahr 2024 rund 77 TWh Strom. Kritiker sehen darin ein Problem. Das Argument: Mehr Stromimporte als -exporte würden darauf hindeuten, dass die Versorgungssicherheit gefährdet sei.
Der Fall Frankreich zeigt aber gut, dass auch Stromüberschüsse für Probleme sorgen. Denn die Überproduktion von Strom sorgt in Frankreich immer häufiger zu negativen Börsenstrompreisen. Stromhändler müssen dann draufzahlen, wenn sie Energie loswerden wollen. Die französische Energieregulierungskommission CRE schätzt, dass Produzenten im vergangenen Jahr so 80 Millionen Euro verloren haben.
Mittagsspitzen nehmen zu
Grund der Entwicklung ist laut Luc Remont, Chef des staatlichen Energieversorgers EDF, dass die Franzosen seit der Energiekrise weniger Strom verbrauchen. Die Stromnachfrage habe sich nicht so entwickelt wie erwartet. Laut Übertragungsnetzbetreiber RTE sank der jährliche Stromverbrauch Frankreichs von 465 TWh im Jahr 2021 auf 449 TWh im Jahr 2024.
Gleichzeitig steigt die Produktion erneuerbarer Energien auch in Frankreich. Zwischen 12 und 16 Uhr zeigen sich so auch immer häufiger Erzeugungsspitzen aus Photovoltaik-Anlagen. Der französische Netzbetreiber Enedis meldete im ersten Quartal 2025 einen Zubau von 1,4 Gigawatt (GW) an Solaranlagen – französischer Rekord.
Um eine Überproduktion zu verringern, regelt der Übertragungsnetzbetreiber RTE inzwischen immer häufiger Windkraftanlagen und PV-Anlagen ab. Die Anlagenbetreiber werden dafür kompensiert.
Aber auch der Stromverbrauch soll sich künftig stärker am Angebot ausrichten. Der französische Energieregulierer will mehr Anreize setzen, um den Stromverbrauch in Stunden mit hoher Grünstromerzeugung zu verlagern. Dafür sollen die Tarife ab November so umgestellt werden, dass der Verbrauch zwischen 12 und 16 Uhr künftig zu günstigeren Preisen möglich ist.
Unflexible Kernkraft
In Frankreich kommen rund zwei Drittel der Energie aus Atomkraftwerken. Erzeugen Wind- und Solaranlagen zusätzlich Strom, droht bei gleichzeitig geringerer Nachfrage eine Überlastung des Stromnetzes. Bereits in der Vergangenheit sah sich Frankreichs Monopolversorger EDF daher häufiger dazu gezwungen, Kernkraftwerke abzuschalten.
Kernkraft gilt als vergleichsweise unflexibel und ergänzt sich schlecht mit der schwankenden Erzeugung aus erneuerbaren Energien. Frankreich ist nach den Vereinigten Staaten weltweit der zweitgrößte Atomstromproduzent. Die französische Regierung hat angekündigt, weitere Kernkraftwerke errichten zu wollen. Bislang sind aber nur wenige Projekte konkret geworden. Werden erneuerbare Energien weiter in dem Tempo ausgebaut wie bisher, könnte ein Teil der geplanten Atomkraftwerke bereits überflüssig sein, bevor sie in Betrieb gehen.
2024 ging in Nordfrankreich der Reaktor Flamanville 3 neu ans Netz. Die Anlage kostete nach derzeitigen Schätzungen rund 24 Milliarden Euro – bei ursprünglich geplanten 3 Milliarden Euro. Der Bau von neuen Kernkraftwerken wird in Frankreich massiv staatlich subventioniert. Im laufenden Jahr hat Flamanville 3 zudem kaum Strom erzeugt, weil er wegen Wartungsarbeiten und Tests immer wieder stillstand.
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