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IAEA-Chef: Ohne Atomkraft sind Klimaziele unerreichbar

Das Werben für die Atomkraft gehört zum Auftrag der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Vor seinem Besuch in Berlin sprach IAEA-Chef Grossi das Thema der Endlagersuche an, was "immer weiter verschoben" werde.
26.10.2020

Berlin: Rafael Mariano Grossi,Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), spricht bei einer Pressekonferenz mit Bundesaußenminister Maas (SPD).

Ein Erreichen der globalen Klimaziele ist nach Überzeugung des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, ohne Atomkraft praktisch ausgeschlossen. Insofern sei das für 2022 beschlossene Ende der Kernenergie in Deutschland politisch legitim, aber in Bezug auf das Klima und das Zwei-Grad-Ziel nicht wissenschaftlich begründbar. "Die wissenschaftliche Tatsache ist, dass Atomkraftwerke einen extrem geringen Kohlendioxid-Ausstoß verursachen", sagte Grossi der dpa in Wien.

Es sei eine empirische Tatsache, dass ein Drittel der sauberen Energie aus nuklearen Quellen stamme. Unter Berufung auf das Zwischenstaatliche Gremium für Klimawandel (IPCC) und die Internationale Energieagentur sagte Grossi: "Jeder Weg zur Erreichung der im Pariser Abkommen festgelegten Zwei-Grad-Schwelle ist ohne Atomkraft nahezu unmöglich, wenn nicht unmöglich."Er fügte hinzu, dass Kernreaktoren eine stabile Stromversorgung böten, die weniger konstanten erneuerbaren Strom aus Wind, Wasser oder Sonne unterstützen könne.

Endlagersuche: Problem immer weiter verschoben

Der IAEA-Chef besucht Deutschland in einer erneuten Debatte über ein Endlager für abgebrannte Brennelemente. "Wir haben ein Problem verschoben, bis es unmöglich ist, es nicht anzugehen", sagte Grossi über den Mangel an langfristigen Lösungen für radioaktive Abfälle. Der Widerstand der Menschen, solches Material in ihrer Nähe zu wissen, sei verständlich, sagte er. "Die Leute bevorzugen eine Lösung, die sie nicht in die Nähe von Abfall bringt." Sicherheitskonzepte für Endlager, die den Atommüll für eine Million Jahre unschädlich halten wollen, seien realistisch.

"Natürlich kann die Erde von einem riesigen Meteoriten getroffen werden, oder es können viele andere Dinge passieren", so Grossi. Aber es gelte, Projektionen auf Basis der besten verfügbaren Informationen und wissenschaftlichen Erkenntnisse zu machen. Würde man das Restrisiko auch in anderen Lebensbereichen zur Richtschnur machen, ginge gar nichts mehr. "Sie könnten nicht fliegen, weil etwas passieren könnte. Sie könnten nichts essen, weil es wissenschaftliche Erkenntnisse geben könnte, die herausfinden würden, dass das Essen von Keksen sie verrückt macht." Der deutsche Atomausstieg sei in Konsequenz und Tempo weltweit praktisch einzigartig und ein echter Sonderweg. Nur wenige Länder hätten sich für einen Ausstieg entschieden. Andere strebten eine Reduzierung der Atomkraft an, aber keinen Ausstieg. (dpa/gun)