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Nord Stream 2: Die heiße Phase beginnt

Die Ukraine besteht auf ein hohes Transitvolumen gen Westeuropa durch das eigene Land. Die jüngst von den USA verhängten Sanktionen geben dem Projekt Nord Stream 2 eine neue Brisanz: Anwälte stellen den Bau in Frage.
12.04.2018

Wie weit wird Gazprom künftig den Hahn öffnen für die Pipeline durch die Ukraine? Das Machtspiel der Weltmächte hat begonnen.

Die Ukraine hat im Streit um ihre künftige Rolle für den Erdgas-Transit von Russland nach Europa ein Kompromissangebot seitens Moskaus abgelehnt. Das von dem russischen Energiekonzern Gazprom am Mittwoch ins Gespräch gebrachte künftige jährliche Transitvolumen von zehn bis 15 Mrd. Kubikmeter (cbm) Gas werde Kiew nicht akzeptieren, sagte Energieminister Igor Nassalyk nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine. Das Transitvolumen müsse auch nach dem Bau der Gas-Pipeline Nord Stream 2 jährlich mindestens 40 Mrd. cbm Gas betragen, um für die Ukraine rentabel zu sein.

Im vergangenen Jahr hatte Gazprom Kiewer Statistiken zufolge 93,5 Mrd. Kubikmeter Gas über die Ukraine nach Europa transportiert, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Die Einnahmen des Transits belaufen sich auf über drei Mrd. Dollar. Dies macht etwa drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Gazprom: Ressourcen verlagern sich gen Norden

Gazprom-Chef Alexej Miller hatte am Dienstag betont, nie über einen kompletten Verzicht auf die ukrainischen Gaspipelines gesprochen zu haben: „Die russische Ressourcenbasis verlegt sich nach Norden und im zentralen Gastransportkorridor wird es einfach keine Ressourcen in früherem Umfang geben. Der bestimmte Transit kann aber aufrechthalten werden, etwa zehn bis 15 Mrd. Kubikmeter jährlich, die ukrainische Seite muss aber die Wirtschaftlichkeit des neuen Transitvertrags beweisen.“

Am Dienstag war es in Berlin zu einem Gipfeltreffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko gekommen. Dabei positionierte sich die Kanzlerin erstmalig sehr klar: „Es kann nicht sein, dass durch Nord Stream 2 die Ukraine keinerlei Bedeutung mehr im Blick auf den Transit von Erdgas hat.“ Bislang hatte Deutschland immer nur die wirtschaftliche Bedeutung des Projekts hervorgehoben.

Der politische Aspekt tritt in den Vordergrund

Auch bei einem Treffen heute mit dem dänischen Ministerpräsidenten Lars Løkke Rasmussen in Berlin betonte Merkel: Zwischen Dänemark und Deutschland herrsche große Einigkeit, dass die Ukraine auch weiterhin eine große Rolle als Transitland für russisches Erdgas spielen müsse. Das Bauvorhaben habe neben der wirtschaftlichen eine politische Dimension. Noch deutlicher wurde Rasmussen: «Ich denke, die ukrainische Position ist die wichtigste hier, die man berücksichtigen muss.»

Eine Veränderung in die Situation um geplante Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 haben nun vor allem die jüngst von den USA ausgesprochenen harten Sanktionen gegenüber Russland gebracht. Im „Handelsblatt“ sagte die Wirtschaftsanwältin Julia Pfeil von der Kanzlei Dentons: Die Sanktionen bedeuten nicht nur, dass sich jeder, der Dollar-Geschäfte mit einer gelisteten Person eingeht, dem Risiko einer Strafverfolgung durch US-Gerichte aussetzt, sie gingen sogar noch weiter: Diese Unternehmen oder Geschäftsleute könnten auf einer schwarzen Liste der Amerikaner landen. Und speziell zu Nord Stream 2: „Ich sehe die Pipeline noch nicht gebaut. Banken werden die Finger von der Finanzierung lassen.“ (al)