Erfolg vor Gericht für Kieler Verkehrsbetriebe

Das VG Göttingen urteilt: Grundstückseigentümer müssen nicht hinnehmen, dass sie aus Klimaschutzgründen gezwungen werden, kommunale Nahwärmenetze zu nutzen.
Die Klage eines privaten Verkehrsunternehmers, der die Hälfte des Kieler Stadtverkehrs übernehmen wollte, hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht abgewiesen (Az. 3 A 73/17 und 3 A 2/17), berichtet die Kanzlei Becker Büttner Held (BBH). Damit blieben 320 Arbeitsplätze vorerst kommunal.
Kann ein Unternehmen öffentlichen Personennahverkehr eigenwirtschaftlich – das heißt rein aus den Beförderungserlösen – finanzieren, genießt es laut Paragraf 8 Abs. 4 S. 1 PBefG Vorrang gegenüber Unternehmen, die dafür öffentliche Zuschüsse benötigen, heißt es in einer Mitteilung von BBH vom Montag. Allerdings müsse ein eigenwirtschaftlicher Antragsteller der Genehmigungsbehörde dann auch ein überzeugendes Konzept vorlegen, dass und wie die von der zuständigen Kommune verlangte Verkehrsqualität ohne öffentliches Geld für die beantragte Konzessionsdauer von meistens zehn Jahren zuverlässig sichergestellt werden könne. Wenn die Genehmigungsbehörde bei diesem Punkt Zweifel habe, obliege es dem Antragsteller, diese durch Vorlage von Beweismitteln auszuräumen. Bloße Behauptungen oder die Berufung auf das Recht, unternehmerische Wagnisse einzugehen, genügten nicht.
Allein mit kommerziellen Einnahmen nicht durchführbar
Dem eigenwirtschaftlichen Interessenten für den Kieler Stadtverkehr, der Vineta Busbetriebsgesellschaft, sei es nicht gelungen, die Genehmigungsbehörde von ihrer nachhaltigen Leistungsfähigkeit zu überzeugen. Allein mit den kommerziellen Fahrgeldeinnahmen sei der Busverkehr auf dem von der Landeshauptstadt festgelegten Qualitätsniveau objektiv nicht durchführbar. Dies hat laut BBH das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht am 24. April 2018 in mehreren Urteilen bestätigt und damit der Genehmigungsbehörde Recht gegeben. Seit 16. Mai 2018 lägen die Entscheidungen mit vollständiger Begründung vor.
Die Bestrebungen des privaten Interessenten, den Kieler Stadtverkehr zu übernehmen, seien ferner an dem Umstand gescheitert, dass zugunsten der kommunaleigenen Verkehrsgesellschaft bereits ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag bestanden habe: Mittels eines Verkehrsvertrags aus dem Jahr 2010 habe die Landeshauptstadt Kiel als Aufgabenträgerin die Durchführung aller Linienverkehre im Stadtgebiet bis zum Jahr 2020 bereits an die Kieler Verkehrsgesellschaft vergeben. Zwar endeten die gewerberechtlichen Genehmigungen nach Personenbeförderungsgesetz für die Linienbündel, die der private Antragsteller übernehmen wollte, bereits 2016 bzw. 2017, so BBH.
Der bestehende Verkehrsvertrag sei allerdings bis Ende 2020 gültig und schließe nach Ansicht des Gerichts die Erteilung von PBefG-Genehmigungen für die vertragsgegenständlichen Linien an andere Unternehmen aus. Damit würde nämlich das ausschließliche Bedienungsrecht der Kieler Verkehrsgesellschaft verletzt, das ihr über den Verkehrsvertrag im Einklang mit der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 eingeräumt wurde.
"Erfreulicher Sieg für kommunale Selbstverwaltung"
Dass ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag auch Sperrwirkung gegenüber eigenwirtschaftlichen Konkurrenten entfalten kann, sei zwar erst mit der Novelle 2013 in das nationale PBefG aufgenommen worden. Allerdings bezieht sich laut BBH das VG Schleswig an dieser Stelle auf das unmittelbar anwendbare Unionsrecht, nämlich die VO (EG) Nr. 1370/2007, die bereits seit 3. Dezember 2009 Gültigkeit besitzt und daher für die Rechte aus dem Verkehrsvertrag unmittelbar maßgeblich war.
"Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Schleswig sind ein erfreulicher Sieg für die kommunale Selbstverwaltung. Nur ÖPNV-Betreiber, die öffentlich beauftragt sind, handeln auch im Interesse der Allgemeinheit und können eine öffentliche Daseinsvorsorgeleistung langfristig verlässlich anbieten", erklärte Rechtsanwalt und BBH-Partner Christian Jung, der die Kieler Verkehrsgesellschaft vor Gericht vertreten hatte.
Entscheidung des VG Oldenburg
In einer ähnlichen Fall-Konstellation hatte der Mitteilung zufolge bereits das VG Oldenburg (Az. 7 A 83/17) im Februar 2018 entschieden, dass ein Antragsteller, der öffentliche Linienverkehre eigenwirtschaftlich bedienen möchte, bei Zweifeln der Genehmigungsbehörde den Nachweis zu erbringen hat, dass er die versprochenen Leistungen auch ohne öffentliche Zuschüsse dauerhaft finanzieren kann.
Das Verwaltungsgericht Schleswig hat laut BBH zwar die Berufung zugelassen, allerdings nur wegen der Rechtsfrage, ob auch ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag aus der Zeit vor der PBefG-Novelle 2013 Sperrwirkung gegenüber eigenwirtschaftlichen Konkurrenzanträgen entfalten kann. (hil)