Verbraucher zahlen drauf: Kartellamt sieht Preisverstöße bei Fernwärme

Andreas Mundt, der Chef des Bundeskartellamts, schaut bei der Fernwärme genau hin.
Bild: © Bundeskartellamt
Von Ariane Mohl
Haben sieben Stadtwerke und Fernwärmeversorger ihren Kunden zu hohe Preise in Rechnung gestellt? Das Bundeskartellamt sieht diesen Verdacht offenbar bestätigt. Ende 2023 hat die Behörde Verfahren gegen die Versorger eingeleitet. Der Vorwurf: missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen im Zeitraum von 2021 bis 2023.
Um den bösen Verdacht zu erhärten oder zu widerlegen, hat das Bundeskartellamt sich angeschaut, wie die einzelnen Versorger die Preisanpassungsklauseln angewandt haben. Insgesamt geht es laut einer Mitteilung des Kartellamts um neun unterschiedliche Fernwärmenetze.
Bei bislang vier dieser Netze ist das Bundeskartellamt nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen der Auffassung, dass sich der Anfangsverdacht erhärtet hat. Das heißt konkret: Hier haben die jeweiligen Versorger rechtswidrige Preisanpassungsklauseln genutzt. Kunden mussten so für die Fernwärme tiefer in die Taschen greifen als eigentlich zulässig.
Marktelement zu niedrig gewichtet
Aktuell geht das Haus von Behördenchef Andreas Mundt davon aus, dass die Versorger bei den genannten vier Netzen das Marktelement zu niedrig gewichtet haben. Bei drei der besagten vier Netze habe darüber hinaus das in den Preisanpassungsklauseln verwendete Kostenelement in den jeweils untersuchten Zeiträumen die Entwicklung der tatsächlichen Kosten des Versorgers bei der Wärmeerzeugung beziehungsweise beim Wärmebezug nicht korrekt abgebildet.
Zum Teil hätten die Versorger Komponenten, die den Preis hätten senken können, einfach außen vor gelassen, stellt das Bundeskartellamt fest. Das für die Versorger wenig erfreuliche Zwischenfazit des Kartellamts: Die falsch ausgestalteten Preisanpassungsklauseln hätten dazu geführt, dass Fernwärmekunden mehr zahlen mussten als gesetzlich zulässig.
Mundt fordert klare Vorgaben zur Preisgestaltung
Andreas Mundt, der Chef des Bundeskartellamtes, geht einmal mehr auf den Monopolcharakter der Fernwärme ein und macht unmissverständlich klar: "Unsere bisherigen Verfahrensergebnisse machen bereits deutlich, dass eine intensivere behördliche Befassung mit dem Fernwärmesektor in der Zukunft geboten ist." Für ihn steht fest: "Wir brauchen Transparenz nicht nur über die Preise, sondern vor allem über die Kosten der Unternehmen, klare Vorgaben zur Preisgestaltung und eine Stärkung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht in diesem Bereich."
Einer "echten Regulierung" erteilt Mundt eine klare Absage. Mit Blick auf die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Netze wäre das "de facto unmöglich". Für eine auf Dauer angelegte, effiziente und wirkungsvolle Kontrolle wären gesetzliche Konkretisierungen allerdings eine große Hilfe, führt der Behördenchef weiter aus.
AGFW: Fernwärmeverordnung schnell novellieren
In einer ersten Reaktion unterstreicht der Fernwärme-Spitzenverband AGFW Mundts Äußerung zur Unmöglichkeit einer allumfassenden Fernwärme-Regulierung. AGFW-Geschäftsführer Werner Lutsch befürwortet für seinen Verband zudem die von Mundt ins Spiel gebrachte Konkretisierung der Vorgaben für Preisänderungsklauseln wie die AVBFernwärmeV, sofern diese angemessen sind.
Bereits in der Vergangenheit hatte sich der Verband für eine Änderung der AVBFernwärme-Verordnung stark gemacht. "Wichtig ist aus unserer Sicht dabei ein Gleichgewicht zwischen der Stärkung der Verbraucherrechte und dem Setzen von Investitionsanreizen für die Unternehmen. Dazu zählt unter anderem ein gesetzlich verankertes Preisanpassungsrecht für die Versorger, die Milliarden in die Umstellung ihrer Erzeugung auf klimaneutrale Technologien investieren müssen. Andernfalls gefährden wir das Gelingen der Wärmewende in Deutschland. Wir hoffen daher, dass sich die neue Bundesregierung sehr zeitnah der Novelle der AVBFernwärmeV annimmt", so Lutsch.
Die Höhe der Fernwärmepreise sorgt regelmäßig und schon seit vielen Jahren für hitzige Debatten. Das Thema beschäftigt längst auch die Politik. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) fordert seit langem mehr Transparenz und Wettbewerb bei der Fernwärme. Ein Gutachten des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und des ehemaligen Vorsitzenden der Monopolkommission Jürgen Kühling kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass bei der Regulierung von Wärmenetzen eklatante Defizite bestehen. Im Gutachten wird die Einführung eines Preisdeckels, die Novellierung der Fernwärmelieferverordnung (AVBFernwärmeV) sowie eine neue Preisaufsichtsbehörde vorgeschlagen. Bis hinein in die CDU/CSU gibt es Stimmen, die solchen Forderungen offen gegenüberstehen.
Kritik von Stadtwerken
Die Stadtwerkebranche hält eine weitere Kontrollbehörde für kontraproduktiv. Bei der anstehenden Novellierung der Fernwärmeverordnung muss es nach Einschätzung von Hanaus Stadtwerkechefin Martina Butz auch darum gehen, den Versorgern weiterhin Investitionen in den Netzausbau zu ermöglichen. "Wir brauchen eine Fernwärmepreisformel, die so ausgestaltet ist, dass sie die neue Energiewelt widerspiegelt. Dann wird sich das Problem mit den vermeintlichen schwarzen Schafen in der Branche von alleine lösen", so Butz im Interview mit der ZfK.
Mit dem "Hanauer Modell" versuchen die Stadtwerke Hanau schon seit Jahren für mehr Durchblick bei der Fernwärme zu sorgen. Unter anderem legt das kommunale Unternehmen die Kosten bei der Fernwärme jährlich einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer vor. Dieser attestiert dann, dass diese Kosten auch tatsächlich entstanden sind.
Die Preisanpassungsklauseln müssen aktuell so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch den Versorger als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Kostenelement und Marktelement müssen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einer Preisanpassungsklausel grundsätzlich gleichgewichtet sein.