Außergerichtlich: Verbraucherzentrale einigt sich mit Primaholding
Eigenmächtige Preiserhöhungen, Festhalten in gekündigten Verträgen, unzureichende Informationen zum Widerrufsrecht: Die Strom- und Gasanbieter Primastrom, Voxenergie und Nowenergy sorgten in der Vergangenheit vielfach für Ärger bei Kund:innen.
Nun haben sich der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Unternehmensgruppe Primaholding außergerichtlich verglichen. Im Ergebnis sieht der vzbv von einer Sammelklage gegen die Primaholding ab.
"Statt eines langen Gerichtsverfahrens haben Kund:innen nun nach einem Vergleich Klarheit. Kund:innen können sich erhebliche Beträge zurückholen und Verträge schneller beenden", sagt Ramona Pop, Vorständin beim vzbv. "Wer profitieren will, muss seinen Anbieter lediglich anschreiben."
Die Frist dafür endet am 31. Dezember 2024, auf ihrer Website bietet die Verbraucherzentrale Ratschläge zum Vorgehen.
Vergleiche soll Kunden entlasten
Die außergerichtliche Einigung räume mehrere Probleme ab, in denen Primaholding-Unternehmen aus Sicht des vzbv unzulässig gegenüber Kund:innen agierten:
- Zurückgewiesene Widerrufserklärungen: In den zurückliegenden Jahren hätten die Energieanbieter Widerrufe als verspätet zurückgewiesen und Verbraucher:innen nicht aus den Verträgen entlassen. Je nach Einzelfall können Kund:innen sofort oder früher als gedacht aus ihren Verträgen kommen und – auch rückwirkend – günstigere Tarife erhalten. Bestimmte Vertragswiderrufe können auch jetzt noch getätigt werden.
- Unverhältnismäßig lange Laufzeiten nach Kündigung: Nachdem Kund:innen ihre Verträge gekündigt hatten, gab es Fälle, in denen die Anbieter das Vertragsende erst weit in der Zukunft bestätigten – teilweise erst 2027. Der Vergleich legt fest, dass Kund:innen, die bereits gekündigt haben, grundsätzlich spätestens zwei Jahre nach Vertragsbeginn aus ihren Verträgen entlassen werden. Außerdem profitieren Kund:innen von günstigeren Preisen, die ab der Kündigungserklärung für ihre Verträge gelten. Sie müssen dafür ihren Anbieter anschreiben. Auch, wer jetzt noch kündigt, kann bessere Konditionen erhalten.
- Angebliche Preissenkungen: Primastrom, Voxenergie und Nowenergy gingen mit "Preissenkungsschreiben" auf ihre Kund:innen zu, nachdem sie die Preise zunächst eigenmächtig erhöht hatten. Das Problem: Die beworbenen Preise waren zwar etwas günstiger als die bis dato berechneten Preise. Jedoch lagen sie immer noch weit über dem Marktdurchschnitt. Wer so ein Angebot annahm, war an die überhöhten Preise gebunden. Der außergerichtliche Vergleich legt eine Obergrenze fest, zu welchen Preisen Strom und Gas abgerechnet werden dürfen. Je nach Situation können sich Arbeitspreise dadurch rückwirkend mehr als halbieren.
Verbraucherschützer verhandeln schon länger mit Primaholding
Bereits Anfang des Jahres 2024 erzielte der vzbv einen Vergleich mit den Primaholding-Töchtern Primastrom und Voxenergie. Daraufhin hatte der vzbv seine Musterfeststellungsklagen gegen die beiden Anbieter zurückgezogen.
Der nun erzielte Vergleich mit Primastrom, Voxenergie und Nowenergy erweitere den Kreis derjenigen, die profitierten: Neben den Kund:innen von Primastrom und Voxenergie brächte der Vergleich nun auch Verbesserungen für Kund:innen von Nowenergy.
Primastrom, Voxenergie und Nowenergy hielten weiterhin daran fest, dass ihr bisheriges Verhalten rechtlich nicht zu beanstanden war. Zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung hätten sie die Verpflichtungen aus dem Vergleich aber akzeptiert, teilte die Verbaucherzentrale mit. (pfa)
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