Nachrichten

"Eon/RWE-Deal schwächt Konzessionswettbewerb"

Das Bundeskartellamt muss ein Duopol im Verteilnetzbereich verhindern, mahnen Wissenschaftler des Wuppertal Instituts. Gleichzeitig sehen sie großes Potenzial für Rekommunalisierungen.
29.03.2018

Durch die Zerschlagung von Innogy wird Eon eine dominante Stellung im deutschen Verteilnetzgeschäft erlangen. Das Bild zeigt die Eon-Konzernzentrale in Essen.

Allein Eon und RWE halten nach Recherchen des Wuppertal Instituts 7800 Konzessionen im örtlichen Strom- und 2700 Konzessionen im Gas-Verteilnetz. Diese dominante Stellung habe bereits in der Vergangenheit zu einem asymmetrischen Konzessionswettbewerb geführt, sind die beiden Projektleiter Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut, Kurt Berlo und Oliver Wagner, überzeugt. "Durch die Zerschlagung von Innogy und der Zuordnung der Strom- und Gasnetzkonzessionen an Eon wird sich diese Marktposition noch weiter zu Ungunsten der Städte und Gemeinde verstärken", prognostizieren die beiden Wissenschaftler im Interview mit der ZfK. Eon werde künftig der größte Verteilnetzbetreiber in Deutschland werden. Gemeinsam mit EnBW würde der Essener Konzern ein Duopol mit noch nie dagewesener Marktmacht im Verteilnetzgeschäft in Deutschland bilden. Der Milliardendeal zwischen Eon und RWE sehe zudem klare unternehmerische Marktabgrenzungen vor. Wagner und Berlo appellieren deshalb an das Bundeskartellamt, die Bundesnetzagentur und die Monopolkommission, "dieses Eon-RWE-Bündnis im Sinne der Stärkung des Wettbewerbs zu untersagen".

"Gute Chancen für Stadtwerke bei neuen Geschäftsfeldern im Verteilnetzbereich"

Bei der Digitalisierung der Netze mittels intelligenter Plattformen hingegen sei die Größe und die Marktmacht von Anbietern nicht unbedingt entscheidend. Hier hätten die Stadtwerke aufgrund ihrer Dezentralität und den Ortskenntnissen sowie den Netzwerken vor Ort einen komparativen Vorteil. "Dort, wo sich neue Geschäftsfelder im Verteilnetzbereich auftun, bieten sich daher echte Chancen für Stadtwerke, im Qualitätswettbewerb neue Akzente zu setzen", erklären die beiden Mitarbeiter des Wuppertal Instituts. "Das Klein-Klein ist noch nie Sache der Großen gewesen", heißt es weiter. Wenn die Kommunalwirtschaft ihre Innovationskraft, ihre guten Netzwerke und ihre Problemlösungskompetenz vor Ort nutze, brauche sie die Konkurrenz in lukrativen Zukunftsmärkten nicht zu fürchten.

"Zahlreiche Pachtverträge können auf den Prüfstand gestellt werden"

Die angekündigte Zerschlagung der RWE-Tochter Innogy biete darüberhinaus für viele Städte und Gemeinden "neue Chancen für Rekommunalisierungen, die von den örtlichen Entscheidungsträgern gut geprüft und entsprechend genutzt werden sollten". Für große Stadtwerke ergebe sich daraus auch eine Möglichkeit, die Innogy-Anteile bei kleinen Stadtwerken zu erwerben. "Auch die zahlreichen Pachtverträge, beispielsweise zwischen Westnetz und den Kommunen, zum Betrieb der Verteilnetze im Versorgungsgebiet von Innogy können auf den Prüfstand der betroffenen Gemeinden gestellt werden",
so die beiden Rekommunalisierungs-Experten.

Innogy hat über 100 Beteiligungen an Stadtwerken und Regionalversorgern im Portfolio, hinzukommen Beteiligungen an örtlichen Verteilnetzgesellschaften. Diese Anteile werden im Zuge des Mitte März angekündigten Milliardendeals künftig an Eon übergehen. Im Fall eines Gesellschafterwechsels können viele der betroffenen kommunalen Versorger die so genannte Change-of-Control-Klausel ziehen und den Vertrag kündigen – es sei denn, die Klauseln wurden im Zuge des Übergangs von RWE auf Innogy mit Zustimmung der kommunalen Anteilseigner angepasst. Bei einigen betroffenen Stadtwerken haben die Aufsichtsräte bereits in ersten Sondierungen ihr Arsenal an Reaktionsmöglichkeiten geprüft. Die mehrheitlich kommunalen Stadtwerke Neuss beispielsweise, an denen aber auch Innogy und die Thüga beteiligt sind, könnten diese Klausel ziehen und wollen alle Handlungsoptionen prüfen. Da noch völlig unklar ist, mit welchen Vorstellungen und was für konkreten Angeboten Eon an die jeweiligen Unternehmen herantreten wird, verhalten sich viele Akteure aber erst einmal abwartend.

Erste Abstimmungsgespräche in Remscheid

In Remscheid gab es in der vergangenen Woche beispielsweise erste Abstimmungsgespräche im Aufsichtsrat. An dem mehrheitlich kommunalen Versorger EWR Remscheid sind auch Innogy und die Thüga beteiligt. "Da der Vorgang nach aktuellem Stand wohl erst Ende 2019 abgeschlossen sein wird, sehen wir uns aktuell aber auch nicht gedrängt, bereits zum jetzigen Zeitpunkt Festlegungen respektive Entscheidungen zu treffen", teilt die Kämmerei der Stadt Remscheid auf Anfrage mit. Erst nach Kenntnis des genauen Transaktionsmodells werde man mit der betroffenen Beteiligung und den Mitgesellschaftern die Situation insbesondere auch rechtlich analysieren und bewerten und "auf der Basis die aus unserer Sicht dann gegebenenfalls notwendigen Schritte einleiten und umsetzen". (hoe)

-----------------------------------

Mehr zur geplanten Innogy-Zerschlagung und mögliche Auswirkungen auf die Kommunalwirtschaft finden Sie in der April-Ausgabe der ZfK.

Dieser Online-Artikel ist ein "ZfK+"-Artikel. Diese sind ab dem 2. Quartal 2018 für Nicht-Abonnenten kostenpflichtig.

 

"