Deutschlands größtes Klärwerk rüstet auf: Neue Forschungsergebnisse aus Hamburg

Die Untersuchungen fanden auf einem eigens eingerichteten Forschungslabor auf dem Gelände der Uniklinik Hamburg-Eppendorf statt (v.li.n.re.): Jörn Einfeldt (Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg), Kim Augustin (Hamburg Wasser) sowie Joachim Prölß und Johannes K.-M. Knobloch (beide Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf).
Bild: © Eva Hecht/UKE
Von Elwine Happ-Frank
Bei Hamburg Wasser laufen derzeit die Vorbereitungen, sein großes Klärwerk am Hafen mit einer vierten Reinigungsstufe auszustatten. In dieser größten kommunalen Anlage Deutschlands werden die Abwässer von ganz Hamburg und umliegenden Kommunen behandelt.
Der Wasserver- und Abwasserentsorger hat im Zuge des Ausbaus des Klärwerks ein umfangreiches Forschungsprojekt zur Entfernung von Medikamentenrückständen und anderen Mikroschadstoffen aus Abwasser durchgeführt. Dabei wurden in den vergangenen gut zweieinhalb Jahren biologische Reinigungsstufen sowie erweiterte technische Verfahren wie die Behandlung mit Aktivkohle (Adsorption) und Membranfiltration getestet und wissenschaftlich ausgewertet. Zudem wurde die Kombination verschiedener Verfahren untersucht.
Eines der Ergebnisse: "Neue vielversprechende Ansätze wie die Nanofiltration können nicht nur Arzneimittelrückstände, sondern gleichzeitig auch Mikroplastik und antibiotikaresistente Bakterien zurückhalten", zogen Falk Beyer und Jörn Einfeldt, Professoren der Forschungsgruppe PharmCycle an der HAW Hamburg, Fazit.
Forschungsstandort an Uni-Krankenhaus
Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) ist einer der Partner des Forschungsprojekts. Ein weiterer ist das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), auf dessen Gelände die Untersuchungen in einer speziell eingerichteten Forschungsanlage stattfanden.
Der Standort wurde bewusst gewählt, da Krankenhausabwasser naturgemäß eine höhere Konzentration von Medikamentenrückständen aufweist. Im Rahmen des Projekts wurde ein Abwasser-Teilstrom der Versuchsanlage zugeführt und dort mit unterschiedlichen Verfahren behandelt.
Das Krankenhausabwasser wurde auf 31 Medikamentenrückstände untersucht, darunter auch jene zwölf Stoffe, die explizit in der Kommunalabwasserrichtlinie (KARL) genannt sind. Diese sieht vor, dass kommunale Kläranlagen künftig bestimmte Mikroschadstoffe zu mindestens 80 Prozent eliminieren müssen.
Interessanter Vergleich mit kommunalem Abwasser
Die Versuche haben gezeigt, dass alle getesteten Behandlungsoptionen Spurenstoffe deutlich besser zurückhalten als die alleinige biologische Behandlung. Allerdings variiert die Reinigungsleistung nach Stoffgruppe: Während die Keimreduktion bei den erforschten Membranverfahren bei nahezu 100 Prozent lag und im Ablauf der Ultrafiltration keine Keime mehr nachweisbar waren, fiel die Reinigungsleistung bei einigen Medikamenten geringer aus. Das betrifft beispielsweise den Blutdrucksenker Candesartan.
Aufschlussreich war auch der Vergleich des Krankenhausabwassers mit kommunalem Abwasser, das im Zulauf der Hamburger Kläranlage ankommt. Insgesamt elf Stoffe wurden im Krankenhausabwasser mit geringerer Konzentration gemessen, als es im kommunalen Abwasser der Fall ist.
Hamburg Wasser sieht das als deutliches Indiz dafür, dass maßgebliche Eintragspfade für Medikamente auch außerhalb von Krankenhäusern liegen. Dazu gehören unter anderem die häufig in Haushalten eingesetzten Schmerzmittel Diclofenac und Ibuprofen sowie der Süßstoff Cyclamat und das Antidiabetikum Metformin.
Entwicklung neuer Antibiotika
13 Mikroschadstoffe waren im Vergleich zum kommunalen Abwasser erhöht, darunter die zwei Antibiotika Clarithromycin und Azithromycin. Sieben Stoffe wie die Antibiotika Trimethoprim und Sulfamethoxazol mit einem Metaboliten waren im Krankenhausabwasser über das Zehnfache hinaus erhöht. Das Kontrastmittel Iomeprol wurde in nahezu 70-facher und das Antibiotikum Ciprofloxacin sogar in nahezu 200-facher Konzentration gemessen.
Als Konsequenz der Erkenntnisse wiesen die beiden HAW-Wissenschaftler Beyer und Einfeldt darauf hin, dass die Entwicklung neuer nachhaltiger Antibiotika nötig ist. Außerdem müssten neue, umweltrechtliche Instrumente zur Reduzierung von Arzneimitteln in Oberflächengewässern entwickelt und die Verfahren zur ökotoxikologischen Risikobewertung in Zulassungsverfahren verbessert werden.
Weitere Forschungsprojekte
Für die Konzeption der großtechnischen Erweiterung der Kläranlage plant Hamburg Wasser weitere Forschungsprojeke an der Kläranlage selbst. "Die Effizienz von möglichen Behandlungsstufen lasse sich erst im Kontext einer stoff- und verfahrenstechnischen Analyse in Verbindung mit standortbezogenen Rahmenbedingungen beurteilen", heißt es in einer Mitteilung.
Der zentrale Baustein zum Schutz von Ökosystemen bleibe die verfahrenstechnische Optimierung der Entwässerungsnetze und Behandlungsanlagen. Klar sei aber auch, "dass die zukünftigen Anforderungen der neuen EU-Kommunalabwasserrichtlinie bereits heute technisch machbar und finanzierbar sind", stellten Beyer und Einfeldt fest.