Wasser

Nitratbelastung: Wie groß sind die Fortschritte?

Die Meinung über das neue Düngerecht und seine Auswirkungen gehen auseinander – je nachdem, wen man fragt. 2024 steht ein neuer Bericht an die EU an.
22.03.2023

Das Bundeslandwirtschaftsministerium bereitet derzeit eine Änderung des Düngegesetzes vor, um die Wirksamkeit der Düngeverordnung besser beurteilen zu können.

 

Zum 1. Mai 2020 trat die neue Düngeverordnung in Deutschland in Kraft – und seit dem 1. Januar 2021 gelten strengere Düngeverordnungen, die Länder sind für die Umsetzung verantwortlich. Landwirte müssen sich in den sogenannten roten Gebieten bei der Düngung einschränken – erlaubt ist nur noch eine Düngung, die 20 Prozent unter dem Bedarf der Pflanzen liegt. 

Dennoch ist das Grundwasser in vielen Regionen Deutschlands auch jetzt noch zu stark mit Nitrat belastet. Erlaubt sind maximal 50 Milligramm Nitrat pro Liter. Aktuell liegt der Stickstoffüberschuss im deutschlandweiten Durchschnitt bei rund 80 Milligramm pro Hektar.

Gestaltungsspielraum bei der Düngung

Landwirte klagen nun über Ertragsminderungen oder schlechtere Qualität – etwa beim Eiweißgehalt von Getreide. Das Bundeslandwirtschaftsministerium verweist darauf, dass die 20-Prozent-Regel nicht schlagbezogen gelte, sondern im Betriebsdurchschnitt der Flächen.

«Damit erhalten die Betriebe einen gewissen Gestaltungsspielraum zur Anpassung der Düngung», erklärt eine Sprecherin. Gegebenenfalls gebe es auch die Möglichkeit, mit einer geänderten Fruchtfolge die Düngungseinschränkung zu kompensieren.

Kleine Verbesserungen?

Haben die schärferen Regeln in den vergangenen zwei Jahren für Umwelt und Gesundheit etwas gebracht? «Jein», sagt Falk Hilliges, der beim Umweltbundesamt für den allgemeinen Grundwasserschutz zuständig ist. Wegen des kurzen Zeitraums lasse sich noch nicht sagen, inwieweit es Auswirkungen auf das Grundwasser gebe, diese seien erst nach vielen Jahren erfassbar.

Zumindest eine kleine Verbesserung bei der Nitratbelastung lässt sich aus Sicht des Umweltbundesamtes aber schon feststellen: Aktuell seien in Deutschland 22 Prozent der Grundwasserkörper in einem schlechten Zustand.

„Strauß an Maßnahmen“

Vor sechs Jahren seien es noch 27 Prozent gewesen. Allerdings fügt Hilliges eine Einschränkung hinzu: «Man kann nicht pauschal sagen, dass die veränderten Düngeregeln die Ursache sind, sondern es ist ein ganzer Strauß an Maßnahmen, der dafür verantwortlich ist.»

Alle vier Jahre müssen an die EU-Kommission die Daten für den Nitratbericht zur Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie weitergegeben werden. Den letzten Bericht gab es 2020, der nächste stehe für das kommende Jahr an, sagt Hilliges: «Wir können erst Ende dieses, Anfang nächsten Jahres genauere Auskunft geben.»

„Verkorkstes System“

Die EU-Kommission halte weitere Schritte für notwendig, um das Vertragsverletzungsverfahren zu beenden, heißt es dazu aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Derzeit werde eine Änderung des Düngegesetzes abgestimmt, um künftig die Wirksamkeit der Düngeverordnung besser beurteilen zu können.

Aus Sicht der Landwirtschaft sei das neue Düngerecht ein «verkorkstes System», sagt der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und Präsident des Landvolks Niedersachsen, Holger Hennies. Wegen der hohen Schweine- und Geflügeldichte im Weser-Ems-Raum gehört das Bundesland zu den Ländern, die am stärksten von den Verschärfungen betroffen sind. Entsprechend war auch der Unmut unter den niedersächsischen Landwirten hoch.

„Gar nichts gebracht“

Die Düngewerte seien in Niedersachsen gesunken, sagt Hennies. Aber die Verordnung sei zu kompliziert: «Sowohl Landwirte als auch Berater und Kontrollbehörden sind überfordert mit dem System.» Einige Landwirte bekämen Geldstrafen aufgebrummt – nicht, weil sie zu viel düngten, sondern weil sie sich um ein Kilo pro Hektar verrechneten.

Aus Sicht der Umweltschutz- und Wasserverbände hat die Düngeverordnung gar nichts gebracht, wie Tilman Uhlenhaut für die Umweltorganisation BUND sagt. «Mit dieser Düngeverordnung sehen wir keine Chance, dass die Nitratrichtlinie von 1991 eingehalten werden kann.»

Zu viele Schlupflöcher

Fortschritte bei der Nitratbelastung kann Uhlenhaut nicht erkennen – es gebe nicht wenige Messstellen, an denen die Belastung sogar steige. Unterm Strich böten die Düngeregeln des Bundes zu viele Schlupflöcher. Dass in den vergangenen fünf Jahren weniger gedüngt worden sei, habe saisonale Gründe und liege vor allem an der Wettersituation.

In einem Punkt sind sich alle einig: Wenn die Politik in Deutschland schon vor Jahren gegengesteuert hätte, wären die Probleme heute nicht so groß. Uhlenhaut fordert, dass die Landwirtschaft sich ändern müsse, vor allem der Viehbestand müsse sinken. (dpa/hp)