Wasser

Umweltfreundliches Flockungsmittel erfolgreich im Wasserwerks-Einsatz

Das Verbundwasserwerk Essen der WGE versucht seit langem, Aufbereitungschemikalien durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen. Statt einem auf Eisenchlorid basierenden Flockungsmittel wird nun ein Mittel auf Basis von Kartoffelstärke verwendet – mit positiven Ergebnissen. Ein Beitrag von Petra Scholten, Stadtwerke Essen, und Andreas Lütz, Wassergewinnung Essen.
29.09.2022

Solarmodule auf der Wasseraufbereitungsanlage in Essen-Überruhr: Auf einer Fläche von rund 1000 Quadratmetern erzeugen 600 Solarmodule Strom. In dem Wasserwerk wird das Trinkwasser für rund eine Million Menschen aufbereitet.

2016 wurde mit der Inbetriebnahme des Verbundwasserwerks Essen der Wassergewinnung Essen (WEG), einem Tochterunternehmen der Stadtwerke Essen und Gelsenwasser, ein Meilenstein gesetzt, um den steigenden Anforderungen an die Trinkwasserqualität frühzeitig zu begegnen. Verbundwasserwerk heißt, dass die beiden zuvor voneinander unabhängigen Wasserwerke Essen-Horst und Essen-Überruhr über eine 2,8 Kilometer lange Doppelleitung der Größe DN 1400 miteinander verbunden und hydraulisch hintereinandergeschaltet wurden.

Bei der Erweiterung der Wasseraufbereitung um zusätzliche verfahrenstechnische Aufbereitungsstufen stand der weitgehende Verzicht auf Aufbereitungschemikalien im Fokus. So kommen seit dem Umbau sowohl für die Entsäuerung als auch für die Desinfektion des Trinkwassers chemikalienfreie Methoden wie die physikalische Entsäuerung und die UV-Desinfektion zum Einsatz.

Kartoffelstärke als nachwachsender Rohstoff

Diese Strategie wurde nun durch einen weiteren Baustein erweitert: den Einsatz eines Flockungsmittels auf Basis nachwachsender Rohstoffe (Kartoffelstärke). Es wird im Prozess der Aufbereitung schlammhaltigen Spülwassers aus Schnellfilteranlagen sowie der Sandwäsche eingesetzt. Das Stärkeprodukt ersetzt das ehemals verwendete Flockungsmittel auf Basis von Eisen(III)-chlorid und die Konditionierung mit Kalkmilch zur Entwässerung in einer Kammerfilterpresse.

Eine Optimierung der Aufenthalts- und Absetzzeiten in der Spülwasseraufbereitung war auch durch die Fertigstellung des Verbundwasserwerks notwendig geworden. Denn die Schnellfiltration in Burgaltendorf ist nun mit deutlich höheren Wassermengen beaufschlagt. Der mittlere Durchsatz der Anlage stieg von 1500 auf rund 5000 Kubikmeter pro Stunde an, der Spülabwasseranfall erhöhte sich dadurch ebenfalls deutlich.

Neue Anlage seit 2020 im Dauerbetrieb

In Labor- und sich anschließenden Betriebsversuchen wurden verschiedene Flockungsmittel auf Basis nachwachsender Rohstoffe sowie synthetische Polymere untersucht. Als Bewertungskriterien dienten die Trübung (Klarheit) des Überstandes, die Flockenstruktur, die Sedimentationsgeschwindigkeit und das Abpressverhalten im Rahmen der Schlammkonditionierung.

Dabei konnte sich ein natürliches Produkt auf Basis von Kartoffelstärke qualitativ durchsetzen. Nach den erfolgreichen Betriebsversuchen wurde eine Dreikammer-Durchlaufanlage zum Ansetzen und Dosieren des Stärkeproduktes errichtet. Die Anlage befindet sich seit Herbst 2020 im Dauerbetrieb. Seitdem haben sich sowohl die Anlagentechnik als auch das Flockungsmittel bewährt.

Umweltfreundlicher und wirtschaftlicher

Das stärkebasierte Produkt ist biologisch abbaubar und infolgedessen sehr umweltverträglich. Es ist im Gegensatz zu den synthetischen Polymeren völlig frei von Acrylamid. Über das abgezogene Klarwasser gelangen somit keinerlei für Gewässerlebewesen toxische Monomere in die Umwelt, im abgepressten Schlamm wird kein Polyacrylamid angereichert. Die Kartoffelstärke wird als 25-prozentige Lösung mit hoher Viskosität in sog. IBC’s angeliefert. Diese sind ebenfalls sehr umweltfreundlich mit einem Pfandsystem versehen. Sie werden abgeholt, gereinigt und wieder befüllt.

Bei einer jährlichen Aufbereitungsmenge von 40 bis 48 Mio. Kubikmetern Trinkwasser fallen ca. 500.000 Kubikmetern Filterspül- und Sandwaschwasser an. Zur Aufbereitung dieser Schlämme werden jährlich ca. 18 Kubikmeter des umweltfreundlichen Flockungsmittels benötigt. Die Kosten belaufen sich auf ca. 2700 Euro monatlich. In der Gesamtbetrachtung hat der Einsatz des Kartoffelstärke-Produkts die Entsorgungskosten der Schlammmengen verringert.  (hp)