Wasser

Datensammlung für eine sichere Wasserversorgung

Zwei Wasserversorger, die Husum Netz und der Wasserverband Treene, erstellen ein Modell des gemeinsam genutzten Grundwasserleiters – als Grundlage für zukünftige Entscheidungen wie Brunnenbauten.
07.08.2020

Blick in das 3D-Modell eines Grundwasserleiters: Die Begrenzungen sind Gelb dargestellt, Bohrungen in Blau, Grün und Grau.

 

Was ist los im Untergrund? Dieser Frage gehen die Stadtwerke Husum Netz und der Wasserverband Treene aktuell mit Hilfe von Experten nach. Zusammen mit einem spezialisierten Team von Hydrogeologen erstellen sie ein fundiertes Modell des gemeinsam genutzten Grundwasserleiters, über den insgesamt 47 Gemeinden im ländlichen Raum zwischen Nordstrand und Schlei in Nordfriesland versorgt werden.

„Das Grundwassermodell ist eine neue Dimension unserer langjährigen Partnerschaft. Damit führen wir die Messdaten aus den einzelnen Brunnenfeldern erstmals zusammen, um ein Gesamtbild zu erhalten“, sagt Norbert Jungjohann, Geschäftsführer der Husum Netz. „So gelingt es uns, eine integrierte Bewirtschaftungsstrategie zu entwickeln, die vorhandene Ressourcen schützt und Qualität langfristig sichert“, ergänzt Hauke Thiesen, Geschäftsführer des Wasserverbands Treene.

Basisarbeit für die nächsten 30 Jahre

Der Hydrogeologe Martin Lilienfein von der beauftragten Agua GmbH weiß: „Messdaten für die eigene Förderung erheben viele, die flächendeckende Verknüpfung dieser Daten untereinander und mit offiziellen Messstellen des Landes ist allerdings selten“, erläutert er einer Pressemeldung der beiden Wasserversorger zufolge. Jedoch kann nur durch diese Kombination eine fundierte Aussage über den Zustand, den Strömungsverlauf und mögliche Beeinflussungen getroffen werden. Das Grundwassermodell ist auch eine Investition in die Zukunft der Versorgung: „Wie ein lebender Organismus kann es weitergepflegt werden, mit zusätzlichen Daten gefüttert oder mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ergänzt werden“, erläutert er.

Von der heutigen Basisarbeit können die Wasserversorger deshalb auch noch in 30 Jahren profitieren. Denn mit den Aussagen über Strömungsverläufe und Grundwasserneubildung können gesicherte Prognosen für Szenarien wie erhöhte Entnahmen durch Brunnenneubauten, ein Öltanker-Unfall, Nitrateinträge durch Landwirtschaft oder eine mehrjährige Trockenheit simuliert werden. „Wir bereiten uns so darauf vor, dass der Klimawandel die Versorgungssituation beeinflussen wird“, erklärt Jungjohann. Bis heute hätten sich beispielsweise die Grundwasservorräte in Nordfriesland nicht vom Trockensommer 2018 erholt.

Schutz des Trinkwassers vor Salzwasser

Die Husum Netz erwartet durch das Modell mehr Klarheit für ihr Bewirtschaftungskonzept. Am westlichen Rand des einzigen Brunnenfelds des Versorgers befindet sich eine Linse mit salzhaltigem Wasser. Mit einem groß angelegten Sanierungskonzept soll verhindert werden, dass das Salzwasser weiter in Richtung Brunnenfeld vordringt. „Mit dem Modell können wir noch besser verstehen, wie sich die Linse verhält und wie wir das Husumer Wasser langfristig bewahren können“, betont der Stadtwerke-Chef in Hinblick auf das umfassende Konzept, das seit 2015 umgesetzt wird.

Es setzt an zwei Stellen an: Einerseits passt die Husum Netz das Bewirtschaftungskonzept im Wasserwerk an und baut neue Brunnen, um das Vortreiben der salzhaltigen Wasserschicht zu bremsen. Andererseits wird das bestehende Leitungsnetz umgebaut, um es sicher und sauber betreiben zu können. Mit dem Grundwassermodell kann die Wirksamkeit dieser Strategie geprüft werden.

Pläne für Brunnenbau

Künftig kann vor Eingriffen wie etwa einem Brunnenbau genau berechnet werden, welche Auswirkungen das auf das Trinkwasserreservoir hat. Die Husum Netz hat in den vergangenen Jahren bereits vier Brunnen neu gebaut, der Wasserverband Treene steht aktuell vor einer ähnlichen Aufgabe.

Um das Grundwassermodell zu erstellen, greifen die Experten auf verschiedenste Messstellen zurück, zum Beispiel auf die der beiden Wasserversorger sowie des Lands Schleswig-Holstein. Die Basis bildet ein geologisches Modell mit den Gesteins- und Sedimentschichten. Es gibt Auskunft über die Beschaffenheit und Verteilung der einzelnen Schichten sowie deren Alter und nimmt eine Einteilung in „grundwasserführend“ und „grundwasserundurchlässig“ vor.

Auf 50 Zentimeter genau

Anschließend werden für das Strömungsmodell „Wasserleiter“ und „Wasserstauer“ wie Flüsse oder Drainagebereiche integriert, die das Strömungsverhalten beeinflussen. In der folgenden Sensibilitätsanalyse wird das Modell so lange nachjustiert, bis Simulation und Realität möglichst passgenau sind. „Bis in eine Tiefe von 100 bis 200 Metern können wir das Verhalten des Grundwasserleiters bis auf 50 Zentimeter genau bestimmen“, erläutert Modelliererin Carla Wiegers von der HydroGeoSimulation (HGSim).

Nach diesen Vorarbeiten folgt die eigentliche Variantenberechnung: „Wie in einer Art Stresstest können wir bestimmte Faktoren jetzt verändern und sehen, wie das Grundwasser darauf reagiert“, sagt Wiegers. Erste Ergebnisse der Simulationsrechnungen für den geplanten Brunnenneubauten werden im September erwartet, zum Verhalten der Salzlinse Ende des Jahres.

Verunreinigungen simulieren

Mit dem Grundwassermodell lässt sich auch berechnen, wie Verunreinigungen von der Oberfläche ins Grundwasser gelangen – und vor allem, wie lange es dauert, bis Stoffe dort angekommen sind. Damit werden Szenarien – ein Unfall mit einem Heizöllaster oder Einträge von Nitrat aus der Landwirtschaft – simuliert. Durchschnittlich dauert es etwa 120 Jahre, bis Stoffe von der Oberfläche ins Grundwasser gelangen. „Es kann aber auch mal nur fünf oder zehn Jahre dauern – je nach Bodenbeschaffenheit und Fließgeschwindigkeit“, weiß der Agua-Experte. (hp)