Wasserwerke mahnen: Ewigkeitschemikalie TFA könnte Trinkwasser irreversibel schädigen

Der Rhein ist ein wichtiger Wasserlieferant. Da sich TFA nicht abbaut, reichern sich die Einträge in der Umwelt und im Wasser an.
Von Elwine Happ-Frank
Die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke Bodensee-Rhein (AWBR) ist zunehmend besorgt über die Chemikalie Trifluoracetat (TFA), die im Rhein und anderen Gewässern immer stärker nachweisbar ist. Das Trinkwasser sei direkt betroffen und könnte irreversibel geschädigt werden, warnten die Verbandspräsidenten Matthias Maier und Roman Wiget anlässlich ihrer Mitgliederversammlung.
TFA ist ein Abbauprodukt zahlreicher chemischer Erzeugnisse wie Kältemittel, Pharmazeutika und Pflanzenschutzmittel, das mit bisherigen Methoden nicht aus dem Wasser herausgefiltert werden kann. Allein am Hochrhein habe sich die TFA-Konzentration in den letzten acht Jahren wertemäßig verdoppelt: von 0,1 Mikrogramm auf 0,8 oder 1 Mikrogramm je Liter, berichtet Maier. "Und die TFA-Einträge werden in den in nächsten 20 Jahren zunehmen", prognostiziert er.
Die AWBR ist eine Vereinigung von ca. 60 Wasserversorgungsunternehmen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, dem Fürstentum Liechtenstein und Frankreich. Die Mitgliedswerke im Einzugsgebiet der Alpenseen, des Bodensees, der Aare und des Rheins versorgen täglich mehr als zehn Millionen Menschen mit Trinkwasser.
Viele Überschreitungen bei Schadstoffen
Der Verband verfügt über Messnetze an Aare, Rhein, Donau und Neckar. Mit rund 30 regelmäßig beprobten Messstellen hat er das umfassendste Messnetz am Hoch- und Oberrhein. Da durch die Klimaerwärmung nicht mehr sicher ist, dass die vollständige Umwälzung des Wassers an den vier Seen stattfindet, sind auch diese Gewässer in das Untersuchungsprogramm aufgenommen worden.
Jedes Jahr verfasst die AWBR einen detaillierten Jahresbericht zu ihren Aktivitäten. Er enthält auch die Zusammenfassung der Ergebnisse der Messprogramme, die die Arbeitsgemeinschaft durchführt.
Der Fokus der Untersuchungen liegt dabei auf Industriechemikalien, Wirkstoffen in Pharmazeutika und Pestiziden. Organische Spurenstoffe aus diesen Bereichen stellen die größte Stoffgruppe dar. Dabei überschreiten viele Substanzen die im Europäischen Fließgewässermemorandum (ERM) definierten Werte. (mit dpa)
Fokus auf TFA
Besondere Besorgnis ruft TFA bei der AWBR hervor. Die Verbindung stammt aus verschiedenen Quellen wie Kühlmitteln, Pflanzenschutzmittel und Pharmazeutika. Die Eintragung sei diffus, der Stoff verbreite sich überall. "Eine Entfernung bei der Trinkwasseraufbereitung ist derzeit mit natürlichen Verfahren nicht möglich", heißt es in dem Bericht.
Mitte 2016 wurden am Neckar sehr hohe Belastungen mit diesem Stoff nachgewiesen. Die Quelle war eine industrielle Einleitung. Nachdem die Produktion verlagert wurde, sind die Werte in der Folge deutlich zurückgegangen. Aber noch immer werden die ERM-Zielwerte von einem Mikrogramm pro Liter durchgängig überschritten.
Im Rhein steigen die Werte an den beiden Messstellen sogar an und liegen bereits im Bereich von 75 Prozent des ERM-Zielwertes von einem Mikrogramm pro Liter. Auch in den Alpenseen erhöhen sie sich, auch wenn sie noch unter dem ERM-Zielwert liegen.
"TFA baut sich nicht ab, sondern jeder weitere Eintrag findet sich in der Umwelt und im Wasser", so Maier und Wiget. Die AWBR fordert deshalb das Verbot von Ewigkeitschemikalien, wo immer diese in die Umwelt gelangen. "Unsere Trinkwasserqualität ist direkt davon abhängig, wie wir uns jetzt entscheiden, mit Stoffen wie TFA umzugehen."
Grenzen von Aufbereitungsverfahren
Im Fazit ihres Jahresberichts resümiert die AWBR, dass die letzten Jahre gezeigt haben, dass die Bemühungen intensiviert werden müssen, mit denen kritischen Stoffe vom Roh- und Rheinwasser ferngehalten werden müssen. Immerhin wurden verschiedene Verbesserungen erreicht, was die Einleitung von problematischen Stoffen in den Rhein betrifft, zum Beispiel weil Chemiebetriebe Störungen melden oder moderne Abwasserreinigungsanlagen installieren. Große Fortschritte habe auch der Einsatz einer Aktivkohlefiltration bei der Grundwasseraufbereitung nach Bodenpassage gebracht.
Weitere Fortschritte können nur mit weitergehenden Reinigungsstufen erreicht werden. Intensiv haben die beiden Schweizer Wasserversorger und AWBR-Mitglieder IWB Industrielle Werke Basel und Hardwasser diskutiert, ob das bestehende Multibarrierensystem für eine einwandfreie Trinkwasserversorgung ausreicht oder ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.
Zwar gelte, dass sich mit mehr Stufen die Aufbereitung verbessert, aber gleichzeitig steige auch die Umweltbelastung durch den Einsatz von Ressourcen und Energie. Hier treffe die Redensart "Der Teufel wird mit dem Belzebub ausgetrieben" voll zu. Deshalb müssten bei zukünftigen Maßnahmen sowohl eine Nutzen-/Umweltbelastungsanalyse durchgeführt als auch das Kosten-/Nutzen-Verhältnis abgewogen werden.