Karriere

Vom stillen Hintergrundakteur zum Innovationsmotor

Bedingt durch den zunehmenden Fachkräftemangel muss ein Ruck durchs Personalwesen gehen, damit der „War for Talents“ doch noch gewonnen wird. Ein Gastbeitrag von Nicole Elert und Sebastian Holtze von PwC.
02.05.2024

Fach- und Arbeitskräftemangel sind zunehmend problematische Faktoren für wirtschaftliche Entwicklungen in Deutschland.

  • Nicole Elert, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partnerin der PricewaterhouseCoopers GmbH WPG

Die jüngsten demografischen Entwicklungen, speziell der historische Tiefstand der Geburtenrate in Deutschland im Jahr 2023 mit nur etwa 1,36 Kindern pro Frau, intensivieren die Debatte über die zunehmende Problematik einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung. Denn damit fällt die Geburtenrate auf den niedrigsten Stand seit 2009. War das Jahr 1964 das geburtenstärkste Jahr in Deutschland, wird schnell offensichtlich, dass sich 60 Jahre später im Jahr 2024 deutsche Unternehmen an einem Punkt befinden, an dem der Fachkräftemangel noch einmal dramatisch an Dynamik gewinnen wird.

Gleichermaßen betroffen: kommunale Unternehmen. Mit dem bevorstehenden Ruhestand von häufig mehr als 30 Prozent ihrer Belegschaft und den sich rapide wandelnden Anforderungen im Spannungsfeld von Digitalisierung und Energiekrise verschärft sich ihre Lage zunehmend. Es fällt diesen Unternehmen immer schwerer, im sogenannten "War for Talents", dem Kampf um Talente, als attraktive Arbeitgeber zu bestehen. Die Folgen: Ohne gezielte Maßnahmen droht dem öffentlichen Sektor bis 2030 ein Defizit von mindestens einer Millionen Fachkräften.

Das Interesse besteht

Doch es gibt Hoffnung! Denn schaut man genauer hin, ist festzustellen, dass die Ausgangslage schlechter sein könnte. So zeigen Untersuchungen des Trendence-HR-Monitors beispielsweise, dass jede fünfte akademische Fachkraft einen Wechsel in den öffentlichen Sektor oder zu NGOs, also zu Nichtregierungsorganisationen, präferiert. Unter Nicht-Akademikern bzw. Fachkräften beträgt der Anteil sogar 50 Prozent.

Wie kann der Umschwung also gelingen? Kommunale Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass sie in der Außenwahrnehmung immer noch ein angestaubtes Image haben können – auch wenn dies in der Realität unzutreffend ist. Doch diese Wahrnehmung muss nicht sein.

  • Sebastian Holtze, Senior Advisor L&D Transformation, Director der PricewaterhouseCoopers GmbH WPG

Arbeitgeberattraktivität erhöhen

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zeigen, wie die Suche nach neuen Angestellten heute aussehen kann. Über drei Millionen Klicks zeugen davon, wie kreativ und mitreißend Jobangebote sein können und zwar egal, ob es um „Stellen im Bus, Stellen im Stehen, mit Uni-Abschluss…“ geht, wie die BVG in einem Arbeitgebervideo formuliert. Das Beispiel BVG zeigt anschaulich, wie kommunale Betriebe ihren täglichen Einfluss, ihr Engagement in Nachhaltigkeit und Digitalisierung, Weiterbildungschancen und Jobsicherheit als Stärken ausspielen können – laut Trendence-HR-Monitor wichtige Aspekte für Kandidat:innen.

Wer im Rennen um die besten Mitarbeitenden die Nase vorne haben will, sollte – neben Faktoren wie einer angemessenen Vergütung – vor allem die sogenannten „weichen Faktoren“ in den Blick nehmen. „Interessant“ ist, wer sinnstiftende Aufgaben bietet, attraktive Rahmenbedingungen für junge Eltern und Alleinerziehende schafft, Work-Life-Balance authentisch großschreibt und eine wertschätzende Kommunikation und Führungskultur etabliert.

Kompetenzlücken schließen

„Arbeitsweisen radikal hinterfragen“ lautet die Devise. Und dieser Wandel erfordert tiefgreifende Einschnitte – beispielsweise weg von starren Hierarchien hin zu Agilität oder von der reinen Linienorganisation hin zum projektbasierten Arbeiten. Aber auch alternative und flexible Beschäftigungsmodelle sollten bedacht werden. Denn auch Freelancer, Teilzeitkräfte und Angestellte älterer Generationen können nicht nur Lücken füllen, sondern auch zur heute unerlässlichen Diversität und Flexibilität der eigenen “Mannschaft” beitragen.

Um Kompetenzlücken zu schließen, werden Kulturwandel und neue Wege allein allerdings nicht ausreichen. Der Schlüssel liegt vielmehr in der Förderung und Entwicklung des bereits vorhandenen Personals.

Erfassung individueller Kompetenzen

Entscheidend ist es, den Fokus auf Skills, also formelle Fähigkeiten, statt auf starre Jobbeschreibungen und Berufserfahrung zu legen. Die Erfassung von individuellen Kompetenzen in einem sogenannten „Skills-Inventory“ kann hierbei helfen, transparent zu machen, welche Fähigkeiten im Unternehmen bereits existieren, welche erfolgskritisch für die Zukunft sind und wo Defizite oder „White Spots“ bestehen.

Mit diesen Einblicken können Mitarbeitende sowohl flexibler eingesetzt als auch gezielt in ihrer Entwicklung gefördert und weitergebildet werden. Zudem ermöglicht dieses Vorgehen, übergreifende Lücken, etwa im Umgang mit Digital Tools, AI oder Change-Management, rasch zu erkennen und anzugehen. Übrigens, auch der Kandidatenpool lässt sich so gezielter vergrößern, indem er Quereinsteiger:innen den Einstieg erleichtert und so wertvolle Berufserfahrungen sowie Expert:innenwissen ins Unternehmen holt.

Personalwesen der Zukunft

In kommunalen Unternehmen muss sich die Personalabteilung weiterhin fokussiert vom stillen Hintergrundakteur zum Innovationsmotor wandeln. Führungskräfte und Personal-Verantwortliche sind gefordert, die Belegschaft nicht nur als Ressource, sondern als Kern des unternehmerischen Erfolgs zu verstehen und einzusetzen. Mit modernen Methoden, Technologieeinsatz und Investitionen in die Etablierung einer skills-based Organisation sichert das „Personalwesen der Zukunft“ kommunalen Betrieben einen entscheidenden Vorteil im Wettbewerb um Talente. (bs)

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