Wärme

Grüne Wärme für die "Internethauptstadt"

Abwärmenutzung hat riesiges Potenzial für den Klimaschutz. In Frankfurt/Main und in der Region realisiert die Mainova bereits mehrere solcher Wärmekonzepte mit Rechenzentren. Vorständin Diana Rauhut stellt im Interview innovative Beispiele vor.
24.09.2024

Diana Rauhut verantwortet bei der Mainova die Geschäftsbereiche Vertrieb, Energiedienstleistungen, Smart City, Kundenservice, IT & Digitalisierung.

Vor wenigen Wochen hat die Mainova angekündigt, die Stadt Hattersheim mit Abwärme aus einem örtlichen Rechenzentrum zu versorgen. Wie ist der aktuelle Stand des Projekts und wann soll die erste Wärme fließen?

In Hattersheim am Main heizen wir künftig erstmals außerhalb Frankfurts über 600 Haushalte in Ein- und Mehrfamilienhäusern mit klimafreundlicher Abwärme aus einem Rechenzentrum. Gleichzeitig binden wir ein bisher mit Gas versorgtes Nahwärmenetz eines bestehenden Wohngebiets darin mit ein. Die unmittelbare Nachbarschaft des neu entstehenden Rechenzentrums von NTT DATA sowie eines Neubaugebiets bietet ideale Voraussetzungen für ein gemeinsames Versorgungskonzept: Neubau- und Bestandswohngebiet werden künftig über ein gemeinsames Wärmenetz verbunden, das sich fast vollständig mit klimafreundlicher Server-Abwärme aus dem Rechenzentrum versorgen lässt. Das bestehende gasbetriebene Blockheizkraftwerk bleibt für Spitzenlasten und als Redundanz in Betrieb.

Zur Abdeckung der insgesamt rund 5 GWh Wärmebedarf im Jahr, errichtet und betreibt Mainova eine neue Energiezentrale, die in die Kältezentrale des Rechenzentrums integriert wird. Zwei Großwärmepumpen, die voraussichtlich Ende 2024 in Betrieb gehen, bringen dort die Abwärme auf die für das Wärmenetz erforderlichen 70 bis 75 Grad Celsius.

Soweit ich weiß, ist das nicht Ihr erstes Projekt in diesem Bereich, wo nutzen Sie noch die Abwärme aus Serverräumen?

Abwärme aus Rechenzentren für die Wärmeversorgung zu nutzen, liegt auf der Hand und ist für die Klimaschutzziele unserer Gesellschaft ein bedeutsamer Baustein. Bei Mainova stellten wir 2021 im Frankfurter Stadtteil Gallus erstmals solch ein innovatives Wärmekonzept für das Quartier „Franky“ – vormals „Westville“ – vor, das bis Mitte 2025 errichtet wird. Dort nutzen wir die Abwärme des benachbarten Rechenzentrums der Telehouse, um rund 1.300 Wohnungen zu versorgen. Bis zu 75 Prozent des Wärmebedarfs werden durch die Server-Abwärme abgedeckt, für den Rest sowie für Spitzenlasten besteht Anschluss an die umweltschonende Fernwärme der Mainova.

Darüber hinaus versorgen wir künftig das Frankfurter Kulturzentrum Batschkapp mit der Abwärme des Rechenzentrums unserer Tochter Mainova WebHouse. Zwei direkt im Rechenzentrum installierte Großwärmepumpen heben die Abwärme auf die notwendige Vorlauftemperatur. Die Wärme führt von dort über eine 110 Meter lange Trasse auf das Gelände der Batschkapp. Dort ersetzt die Abwärme die Versorgung mit Gas. Ein bestehender Gaskessel bleibt für Störungen und Wartungen erhalten und gewährleistet im Notfall die Versorgung. Weitere Projekte sind in Planung.

Frankfurt am Main ist nach wie vor der weltweit größte Internetknoten, dementsprechend viele Rechenzentren gibt es vor Ort. Wie wirkt sich das auf Stromverbrauch und Netzbetrieb aus?

Frankfurt ist „Hauptstadt des Internets“. Rechenzentren machen hier inzwischen mehr als 20 Prozent des Stromverbrauchs aus, Tendenz steigend. Neben der Digitalisierung wächst der Strombedarf durch die Anforderungen der Wärme- und Energiewende weiter stark an. Dieser Entwicklung tragen wir seit Jahren Rechnung und treiben den Netzausbau voran. Deshalb investieren wir gemeinsam mit den vorgelagerten Netzbetreibern in eines der größten europäischen Stromausbauprojekte. Insgesamt steigern wir in den kommenden Jahren die Leistungsfähigkeit des Stromnetzes um 50 Prozent. Das entspricht ungefähr der Kapazität einer Stadt mit 500.000 Einwohnern.

Viele Betreiber sind zwar bemüht, den enormen Stromverbrauch via Ökostrom zu decken, aber ist die CO2-Bilanz der Rechenzentren nicht dennoch relativ schlecht? Lässt sich das durch die Abwärmenutzung verbessern?

Das Potenzial von Abwärme aus Rechenzentren, Industrie und Gewerbe für Heizzwecke ist groß. Über die Einspeisung in Wärmenetze kann die Abwärme zur Senkung von CO2-Emissionen und zur Erreichung der Klimaschutzziele beitragen. Der Branchenverband AGFW geht von einem Einsparpotenzial von deutschlandweit 19 Millionen Tonnen CO2 im Jahr durch die Abwärmenutzung in Fernwärmenetzen in Verbindung mit dem Anschluss bisher einzelversorgter Gebäude aus.

Die besondere Bedeutung der Abwärme für die Wärmewende liegt darin, dass sie als CO2-frei gilt. Denn Abwärme entsteht als Nebenprodukt eines ohnehin notwendigen Prozesses. Deshalb schreibt der Gesetzgeber Betreibern von Rechenzentren ab 2026 vor, dass neue Rechenzentren mindestens 10 Prozent ihrer Abwärme weiter nutzen. Optimal ist es außerdem, wenn das Rechenzentrum sowie die notwendigen Wärmepumpen ausschließlich mit Ökostrom betrieben werden.

Entsprechende Energielösungen sind jedoch von vielen Faktoren abhängig wie zum Beispiel der räumlichen Nähe von Erzeugungsquelle und Verbraucher sowie der Stromnetzverfügbarkeit für die benötigten Großwärmepumpen. Damit das Potenzial noch besser genutzt werden kann, müssten sich auch die politischen Rahmenbedingungen sowie die finanzielle Förderung verbessern, so dass sich unter anderem das Interesse und der Bedarf an klimaneutraler Wärme insgesamt erhöht.

Sie haben 2020 eine eigene Tochtergesellschaft – die Mainova WebHouse – gegründet, um Planung, Bau und Betrieb von Rechenzentren zu übernehmen und das möglichst nachhaltig. Wie viele Projekte haben Sie bereits umgesetzt und wie stark entwickelt sich der Markt für nachhaltige Rechenzentren?

Die Mainova WebHouse betreibt besonders nachhaltige Rechenzentren, die neben der Abwärmenutzung eine ökologische Bauweise, Fassadenbegrünung, Nutzung von Photovoltaik bis hin zu der Abgasreinigung der Notstromaggregate mit AdBlue vorsehen.

Neben der Versorgung des Frankfurter Kulturzentrums Batschkapp in unmittelbarer Nachbarschaft des Rechenzentrums der Mainova WebHouse im Stadtteil Seckbach, sind weitere Projekte bereits in der Pipeline. Unter anderem ist die Errichtung eines Datacenters mit den Stadtwerken Langen geplant. Auch dort wird die bei der Kühlung der Server entstehende Abwärme sinnvoll genutzt: Sie soll direkt vor Ort ins Fernwärmenetz eingespeist werden und so mehrere Wohnquartiere in Langen mit klimafreundlicher Wärme für Heizung und Warmwasserbereitung versorgen. Der Baubeginn des Rechenzentrums ist für 2025, die Inbetriebnahme für 2027 geplant.

Der Markt für Rechenzentren entwickelt sich in Frankfurt und der umliegenden Region sehr dynamisch. Daran möchte die Mainova Webhouse mit der Planung, dem Bau und dem Betrieb ihrer besonders nachhaltigen Rechenzentren partizipieren. Deshalb ging die Mainova Webhouse im Juni eine Partnerschaft mit dem Vermögensverwalter BlackRock ein, der seitdem 50,1 Prozent der Anteile an dem Unternehmen hält. Mit dem frischen Kapital durch einen starken Partner soll die Entwicklung von nachhaltigen, kohlenstoffarmen Rechenzentren weiter ausgebaut werden. Dabei spielt die Nutzung der Abwärme für die Wärmeversorgung eine wesentliche Rolle.

Die Fragen stellte Lisa Marx.