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Der Betriebsrat und die Künstliche Intelligenz

Das Arbeitsgericht Hamburg sorgte Anfang 2024 mit einer der ersten Entscheidungen zu KI für Aufsehen. Ist der Fall eher die Ausnahme als die Regel? Gastbeitrag von Nicole Elert und Malte Schönfeld von PwC.
04.10.2024

Unternehmen sollten die Einbindung des Betriebsrates nicht nur als rechtliche Notwendigkeit, sondern auch als strategische Chance sehen.

 

Ein Unternehmen erlaubte mittels einer Richtlinie seinen Mitarbeitenden, dienstlich ChatGPT zu nutzen, wobei es für den dienstlichen Gebrauch vorgab, dass ChatGPT nur in der Browser-Version und mittels eines privaten Accounts der Mitarbeitenden zu nutzen war. Eine Einbindung des Betriebsrats erfolgte nicht.

Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wehrte sich der Betriebsrat gegen die Zulassung der Nutzung von ChatGPT ohne seine Beteiligung. Er vertrat unter anderem die Auffassung, dass im Rahmen der dienstlichen Nutzung von ChatGPT eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Mitarbeiter durch das Unternehmen möglich sei. Insofern bedürfe es zwingend der Zustimmung des Betriebsrates aufgrund seines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

  • Nicole Elert, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partnerin der PricewaterhouseCoopers

Keine Überwachung des Arbeitsverhaltens

Das Arbeitsgericht Hamburg lehnte ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in Bezug auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG jedoch unter anderem mit dem Argument ab, dass eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle ausgeschlossen war, da ChatGPT nicht arbeitgeberseitig auf den Computern der Mitarbeiter installiert, sondern lediglich die dienstliche Nutzung auf der Basis privater Accounts erlaubt wurde.

Insofern fehle es an der Zugriffsmöglichkeit des Unternehmens auf die für eine Überwachung des Arbeitsverhaltens notwendigen Nutzerdaten der Mitarbeitenden. Das Unternehmen könne beispielsweise nicht nachverfolgen, wann welcher Mitarbeiter wie lange und mit welchem Anliegen ChatGPT genutzt habe.

  • Malte Schönfeld, Rechtsanwalt, Manager der PricewaterhouseCoopers Legal

Keine falschen Schlüsse ziehen

Unternehmen sollten jedoch aus dieser Entscheidung keine falschen Schlüsse ziehen. Denn der Trend in der KI-Transformation des Arbeitslebens geht aktuell eindeutig in die Richtung arbeitgeberseitig bereitgestellter KI-Systeme.

Die für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates erforderliche Möglichkeit zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle wird dabei regelmäßig anzunehmen sein. So beschränken oder untersagen aus Gründen des Schutzes vertraulicher Daten mittlerweile viele Unternehmen die dienstliche Nutzung von ChatGPT auf Basis privater Accounts und führen im gleichen Zug eigene chatbasierte KI-Anwendungen ein, für deren Zugang Mitarbeiter vom Arbeitgeber bereitgestellte Accounts verwenden.

KI in HR-Prozessen

Immer relevanter wird auch die Implementierung von spezifischen KI-Anwendungen, die auf bestimmte Anwendungsfälle zugeschnitten sind, um insbesondere repetitive Abläufe wie z.B. die tägliche Arbeitszeiterfassung oder bestimmte HR-Prozesse von Personalabteilungen zu automatisieren. Die Einsatzmöglichkeiten von KI sind hierbei nahezu grenzenlos.

Eine weitere zentrale Dimension der KI-Transformation ist die Implementierung von KI in bereits bestehende IT-Anwendungen, bei deren Einführung ohnehin die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich ist. Prominentestes Beispiel hierfür ist Microsofts KI „Copilot“, die die Office-Anwendung „Microsoft 365“ mit Funktionen wie u.a. der automatisierten Erstellung von Gesprächsprotokollen von virtuellen Meetings ergänzt.

KI ist weit mehr als ChatGPT

Dies zeigt beispielhaft, dass die Einsatzmöglichkeiten von KI mittlerweile weit über die Nutzung von ChatGPT hinausgehen. Die Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass Unternehmen regelmäßig auch Zugriff auf Daten haben werden, die Rückschlüsse auf das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter zulassen.

Der Fall des Arbeitsgerichts Hamburg stellt in diesem Kontext daher eine Ausnahme mit voraussichtlich weiter abnehmender Bedeutung dar, da hierbei die Kontrollmöglichkeiten gerade nicht gegeben waren. In der Mehrzahl der Fälle jedoch, in denen Unternehmen jetzt selbst KI-Anwendungen ihren Mitarbeitern bereitstellen, wird eine solche Kontrollmöglichkeit in aller Regel vorhanden und damit die Zustimmung des Betriebsrates erforderlich sein.

Mitbestimmung als Chance

Außerdem erschöpfen sich die Rechte des Betriebsrates keineswegs in der Mitbestimmung bzgl. einer möglichen Leistungs- und Verhaltenskontrolle. Abhängig von der spezifischen Ausgestaltung der KI-Implementierung können weitere Mitbestimmungs-, Beteiligungs- oder Informationsrechte ausgelöst werden.

Unternehmen sollten in der Einbindung des Betriebsrates jedoch nicht nur eine rechtliche Notwendigkeit, sondern auch eine strategische Chance für das eigene Unternehmen sehen. Gerade angesichts der rasanten Entwicklung von KI, ist es von entscheidender Bedeutung für die eigene Wettbewerbsfähigkeit, dass die betriebliche Mitbestimmung bei ihrer KI-Transformation nicht zu einem Hemmnis für ihr Unternehmen wird. (hp)