Komplexe Materie mit vielen Fallstricken
Ist das Entgelt freigestellter Betriebsräte pflichtwidrig zu hoch bemessen, droht den verantwortlichen Vorständen, Prokuristen, Geschäftsführern und Personalleitern eine strafrechtliche Sanktionierung wegen Untreue, wie das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Januar 2023 noch einmal verdeutlicht. Entgelte einschließlich Bonuszahlungen sowie der Umgang mit "Sonderkarrieren" sind nun erneut einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
Was ist geschehen? Das Landgericht (LG) Braunschweig hatte als Vorinstanz in seinem Urteil vom 28. September 2021 zunächst festgestellt, dass in den zu entscheidenden Sachverhalten jeweils der objektive Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Strafgesetzbuch (StGB) erfüllt worden sei. Von einer Strafe war nur deshalb abgesehen worden, weil das Gericht den individuellen Vorsatz als nicht erfüllt ansah.
Neue Entscheidung wohl erst im kommenden Jahr
Mit seinem Revisionsurteil vom 10. Januar 2023 hat der BGH die Entscheidung des LG aufgehoben, an dieses zurückverwiesen und zugleich fundamentale Kritikpunkte aufgeworfen. Eine erneute Entscheidung durch eine andere Strafkammer des LG wird diese Kritikpunkte angemessen zu würdigen haben.
Mit einer Entscheidung ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Bereits jetzt sind aber die wesentlichen Aspekte besonders für Unternehmen in öffentlicher Trägerschaft in der Praxis zu berücksichtigen. Untreue gemäß § 266 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ein Haftungsrisiko, das es unbedingt zu vermeiden gilt.
Entgeltentwicklung ohne Benachteiligung
Nach geltender Rechtslage sind den Vergütungen freigestellter Betriebsratsmitglieder enge Grenzen gesetzt – und zwar durch das Ehrenamts- und Lohnausfallprinzip des § 37 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in Kombination mit dem Begünstigungsverbot des § 78 BetrVG. Zugleich dürfen Betriebsratsmitglieder aber auch nicht benachteiligt werden, ebenfalls § 78 BetrVG. Diesen Ausgleich gilt es zu schaffen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte seine langjährige Rechtsprechung seit 2005 – zuletzt durch sein Urteil vom 22. Januar 2020 – dahingehend zurückhaltend fortgebildet, dass die Entgeltentwicklung eines Betriebsrats während der (u.U. langjährigen) Dauer seiner gesamten Amtszeit und nicht nur mit Beginn der Freistellung benachteiligungsfrei sein müsse.
Hohe Schadenersatzansprüche
Eine Benachteiligung wäre hiernach denkbar, wenn das Betriebsratsmitglied sich (lediglich) aufgrund seines Amtes nicht auf Beförderungspositionen beworben oder bestimmte Kenntnisse erworben hätte. Argumente, die in der Praxis oftmals herangeführt wurden, um auch hypothetische Ausnahmekarrieren und damit einhergehende höhere – fixe und variable – Vergütungen des Betriebsrats zu rechtfertigen.
Alledem hat der BGH nunmehr eine klare Absage erteilt und die strafrechtliche Relevanz einer überhöhten Vergütung wegen Untreue betont. Neben einer strafrechtlichen Verurteilung können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche wegen zu hoch gezahlter Gehälter und Boni an Betriebsratsmitglieder auf die handelnden Personen persönlich zukommen. Im vorliegenden Fall summiert sich der Schaden bei insgesamt fünf Betriebsratsmitgliedern auf insgesamt 4,5 Millionen Euro für das betroffene Unternehmen.
Praxishinweise – was jetzt zu tun ist
Wer bislang vor Auseinandersetzungen mit seinen freigestellten Betriebsräten wegen (vermeintlich) zu geringem Entgelt verschont geblieben ist, sollte sich fragen, ob die Vergütung der Amtsträger seinerzeit zu wohlmeinend bemessen worden ist und damit die Tür zur Strafbarkeit wegen Untreue eröffnet sein könnte.
Jeder (mit-)verantwortliche Vorstand, Prokurist, Geschäftsführer und Personalleiter muss jetzt für sich die Überlegung anstellen, ob die Vergütung der freigestellten Betriebsratsmitglieder rechtskonform ist. Es gilt Betriebsratsvergütung-Compliance-Checks durchzuführen.
Im Überblick:
- Prüfung des Status quo: Bestandsaufnahme der Vergütungsstruktur
- Rechtliche Ersteinschätzung der bisherigen Vergütungspraxis
- Rechtskonforme Vergütungsmodelle
- Unterstützung bei der rechtskonformen Implementierung
- Sicherstellung einer mitbestimmungsrechtlich konformen Lösung
So erhalten Geschäftsführende schnell Transparenz über ihr konkretes Risikoprofil und die notwendige Compliance. (hp)