Smart City / Energy

Bundesregierung blockt Fragen zum verzögerten Smart-Meter-Rollout ab

Wenig Aufschlussreiches ergibt eine Antwort zu einer umfangreichen Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag. Derweil beobachtet Messdienstleister Voltaris Verunsicherung bei den Stadtwerken in Folge des OVG-Eilbeschlusses aus.
20.05.2021

Der flächendeckende Rollout intelligenter Messysteme kommt noch nicht so richtig in Schwung.

Zu einer umfangreichen Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion mit 14 Fragen zum Stand und zu den Verzögerungen beim Rollout intelligenter Messsysteme in Deutschland, insbesondere welche Schlüsse man aus dem OVG-Eilbeschluss Münster ziehe und welchen Maßnahmen die Bundesregierung zur Beschleunigung des Rollouts zu ergreifen gedenke, äußerte sich die Bundesregierung äußerst spärlich.

Eingestanden wurde zwar, dass der Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 4. März 2021 wichtige Fragen in Bezug auf die weitere Digitalisierung der Energiewende aufgeworfen habe. Auch konnte man dem Beschluss etwas Gutes abgewinnen: "Wenngleich die Entscheidung nach Einschätzung der Bundesregierung unmittelbar nur im Verhältnis zur Klägerin wirkt und eine Hauptsacheentscheidung noch aussteht, könnten rechtliche Klarstellungen dazu beitragen, die Rechtssicherheit beim Smart-Meter-Rollout zu erhöhen."

Geeignete Vorschläge könnten im Rahmen der laufenden Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode beraten und beschlossen werden, so der Ausblick. In diesem Zusammenhang könnten auch ergänzende Bestandsschutzregelungen vorgesehen werden, heißt es in der Antwort weiter.

Wenig ergiebige Antworten

Fragen zur Zufriedenheit der Bundesregierung mit der Umsetzung des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende wurden mit Hinweisen auf den Monitoring-Bericht der Bundesnetzagentur, der Marktanalysen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Digitalisierungsbarometer abgewehrt. Die letzten beiden Papiere wurden zuletzt vergangenes Jahr aktualisiert. Bei der BSI-Marktanalyse hätte es turnusmäßig Ende Januar 2021 eine Aktualisierung geben müssen, die immer noch aussteht.

Mit diesem Feedback, sah die Regierung auch Fragen nach der Beschleunigung des Rollouts, die Folgen für Verbraucher/innen, Anzahl der eingebauten Smart-Meter-Gateways von grundzuständigen und von wettbewerblichen Messstellenbetreibern sowie Fragen nach den Vorgaben zur Interoperabilität von BSI-zertifizierten Gateways  als beantwortet.

Absage an verminderten Funktionsumfang

Auf die Anfrage, ob die Bundesregierung gemeinsam mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erwäge, die Anforderungen und Standards für intelligente Messsysteme zu vereinfachen, gab es zumindest eine eindeutige Aussage: "Eine Vereinfachung im Sinne einer Absenkung der Anforderungen und Standards an intelligente Messsysteme kommt aus Sicht der Bundesregierung nicht in Betracht."

Die angelegten Anforderungen und Standards schaffen aus Sicht der Regierung hohe Sicherheit und hohes Vertrauen in einen Smart-Meter-Rollout. Zudem würden Smart-Meter-Gateways mit einem verminderten Funktionsumfang nicht den Bedürfnissen der Energiewende gerecht, die das Oberverwaltungsgericht Münster in seiner Entscheidung vom 4. März 2021 anmahnt und die der Gesetzgeber festgelegt habe, heißt es weiter.

FDP kritisiert lustlose Antworten

Die FDP-Fraktion des Bundestags zeigte sich über die knappe Antwort enttäuscht: "Ähnlich lustlos wie die gesamte energiepolitische Arbeit der Bundesregierung wirken auch die Antworten auf meine Kleine Anfrage", beschwerte sich die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser. "Wenn das der Stil der Bundesregierung beim Umgang mit dem parlamentarischen Fragerecht der Opposition ist, dann entspricht das wohl dem Zustand dieser ambitionslosen Großen Koalition“, kritisierte sie.

Und weiter:  „Seit Jahren verschläft die Bundesregierung den Smart-Meter-Rollout. Andauernde Verzögerungen bei Zertifizierung und Einbau haben bereits dazu geführt, dass die zur Verfügung stehenden Messsysteme eigentlich schon wieder technologisch veraltet sind. Ein Trauerspiel „Made in Germany“, kritisierte Weeser.

Auswirkungen des OVG-Eilbeschlusses auf Stadtwerke

Mit den Auswirkungen des OVG-Eilbeschluss auf die Branche beschäftigte sich auch Voltaris. Auf Anfrage der ZfK erklärte der Messdienstleister. "Das OVG-Urteil bleibt bei unseren Stadtwerke-Partnern nicht unbemerkt, wir nehmen eine gewisse Unsicherheit wahr. Auch wenn der Entscheid nur für die Kläger gilt – für alle anderen ist die Markterklärung ja bestandskräftig geworden – verunsichert das Urteil die Branche insgesamt", sagte Geschäftsführer Karsten Vortanz.

"Wir haben in den letzten Wochen die Kommunikation mit unseren Kunden verstärkt und viel diskutiert. Unsere Kunden haben uns zum Beispiel angefragt, ob sie ihre Rollout-Strategie nun anpassen sollen oder ob sie die Hardwarebestellung jetzt aussetzen können. Wir raten aber ganz klar dazu, die Prozesse wie geplant weiterzuführen", so seine Empfehlung. Im Rahmen der Mengenplanung und des Beschaffungsprozesses rät Vortanz dazu, mit einer Vorlaufzeit von sechs bis acht Monaten vor dem geplanten Einbau zu starten.

Prozesse einüben und verbessern

Denn der Bestellprozess der Gateways per elektronischem Bestell- und Lieferschein müsse im Einklang mit dem Kundenanschreiben drei Monate vor dem Einbautermin und der konkreten Terminierung des Einbaus, sprich zwei Wochen vor Umbau der Messstelle, stehen – diese Prozesse gelte es nun einzuüben und zu verbessern. "Die hohen Vorlaufzeiten resultieren zum einen aus den Lieferzeiten der Hardware und zum anderen aus den vor- und nachgelagerten Planungs- und Installationsprozessen", konkretisierte Vortanz.

Ebenso spiele die Kommunikation mit den Endkunden jetzt eine größere Rolle. "Das Urteil darf auf keinen Fall zur Ablehnung des Einbaus intelligenter Messsysteme durch die Endkunden führen. Daher haben wir das Kundenanschreiben angepasst und informieren klar und transparent zum Einbau".

Rechts- und Investitionssicherheit durch geplante Änderungen

An den wesentlichen Aspekten des Rollouts – der grundsätzlichen Technik und vor allem an den zugehörigen Umsetzungsprozessen – wird sich voraussichtlich nichts ändern, schätzt Vortanz.

Innerhalb der eigenen Anwendergemeinschaft führe man die bisherige Rollout-Planung konsequent weiter. Vorrangiges Ziel sei, die Zehn-Prozent-Ausrollquote bis Januar 2022 zu erfüllen.  Mit den geplanten Änderungen des Messstellenbetriebsgesetztes von Bundeswirtschaftsministerium und Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sollte der Smart Meter Rollout wieder Rechts- und Investitionssicherheit erlangen.

Sternenförmige Kommunikation per Backend

Als eine der wichtigsten der geplanten Änderungen nennt Vortanz die Verrechtlichung der bereits abgestimmten Weiterentwicklungsansätze in der BMWi/BSI-Roadmap und bei Leitlinien zur sternförmigen Kommunikation. "Die Plausibilisierung und Ersatzwertbildung im Backend bzw. die Versendung von abrechnungsrelevanten Daten über das Backend des Messstellenbetreibers soll künftig als Grundsatz und nicht als Ausnahme festgelegt werden – solange eine Bearbeitung und Versendung im Gateway nicht möglich ist", konkretisiert der Voltaris-Geschäftsführer.

Extrem wichtig für den bisher eingeschlagenen Weg, die Piloteinbauten und den operativen Rollout – und beruhigend für unsere Kunden – sei auch die Bestandsschutzregelung für den Fall, dass sich die BSI-Markterklärung nachträglich als nichtig oder rechtswidrig erweise oder aufgehoben werde.

"Die bisher verbauten und beschafften Gateways sollen noch in diesem Jahr ein Update erhalten, sodass alle die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Die Investitionssicherheit ist also gegeben und der stranded invest in die bisher noch teuren Geräte ausgeschlossen", zeigt sich Vortanz erleichtert.

 
Maßnahmenpaket für die Mobilfunkanwendung

Zudem gebe es nach wie vor technische Herausforderungen. So lassen sich Voltaris zufolge vier von fünf Störungen bei der Anbindung der Smart-Meter-Gateways auf schlechten Empfang zurückführen. Der Dienstleister hat daher ein komplettes Maßnahmenpaket für die Mobilfunkanwendung entwickelt, um die Monteure vor Ort zu unterstützen.

Vor der Installation biete man demnach eine Abfrage der Providerdaten für die Anschlussobjekte an, um die Feldstärke am Haus festzustellen. Für Gateways, die im Keller verbaut werden, gibt es typische Abschlagswerte. "Es kann aber sein, wenn man sich die Situation vor Ort anschaut, dass der Kellerraum noch stärker abgeschirmt ist, als gedacht", so Vortanz.

Dann müsse man vielleicht eine Antenne ans Fenster legen oder gleich, nach Möglichkeit, auf eine andere Technologie ausweichen. "Wir testen gerade weitere WAN-Alternativen, zum Beispiel die Anbindung von Gateways im 450 MHz-Funknetz".

Pegelmessung zeigt, ob der Empfang ausreicht

Auch die Pegelmessung vor Ort spiele eine wichtige Rolle. Gemessen werden sollte zwei Mal: Einmal vor dem Gebäude und einmal im Zählerschrank. Die Prüfung vor dem Gebäude bestimmt, ob vor Ort überhaupt ein ausreichender Empfang gegeben ist. Diese Messung kann auch zum Vergleich mit den Providerdaten herangezogen werden.

Die zweite Prüfung erfolgt über die Einbauantenne am Zählerschrank. Anhand dieser entscheidet der Monteur, ob der Einbau durchgeführt werden soll oder nicht. "Um sicher zu gehen, sollte er auch eine Empfangsprüfung in einem geschlossenen Zählerschrank durchführen", konkretisiert Vortanz.

 Hoffnungsträger 450-MHZ-Funknetz

Erfahrungen mit der 450-MHz-Funkfrequenz sammle man derzeit: So kam im Rahmen von Designnetz im Saarland mit VSE/Energis und weiteren Partnern in einem Demonstrator schon diese Technologie, unter anderem für Smart Meter Gateways mit sehr guten Erfahrungen zum Einsatz. "Das 450-MHz-Netz ist sozusagen der Hoffnungsträger für die Energiewirtschaft. Nicht nur als Kommunikationsnetz in Krisenfällen, sondern eben auch für die Datenübertragung im intelligenten Messwesen", sagt Vortanz.

Damit ließen sich auch Gateways an Orten in Liegenschaften anbinden, die man mit herkömmlicher Mobilfunkanbindung nicht erreichen würde. (sg)