Karriere

„Bettkantenentscheidung“ fällt meist zugunsten der Krankmeldung

Die Generationen gehen unterschiedlich mit Krankheit um. Führungskräfte sind gefordert, zu vermitteln.
25.01.2024

Die GenZ gilt als besonders gesundheitsbewusst, was bei älteren Menschen oft auf Unverständnis stößt.

Leichte Schniefnase am Morgen eines Arbeitstages – Angestellte fühlen sich eigentlich fit genug, doch ein arbeitsfreier Tag würde gut passen: Die sogenannte Bettkantenentscheidung fällt bei sechs von zehn der Beschäftigten in Deutschland zugunsten der Krankmeldung, obwohl sie arbeitsfähig wären. 10 Prozent tun dies häufig, 23 Prozent manchmal und 26 Prozent selten. 36 Prozent sagen von sich, gesund immer dem Job nachzugehen. Das sind aktuelle Ergebnisse der Studie „Arbeiten 2023“ der Pronova BKK.

Generationsunterschiede

Dabei verdächtigen Beschäftigte häufiger die Generation Z: Drei Viertel vermuten, dass sich die 18- bis 29-Jährigen krank melden, obwohl sie fit wären. Der Baby-Bommer-Generation ab 59 Jahren bescheinigen 28 Prozent der Befragten, dies nie zu tun. Je jünger die Arbeitnehmer sind, desto eher wird ihnen nachgesagt, auch gesund manchmal die Krankmeldung einzureichen.

Wirtschaftspsychologin und Resilienz-Trainerin Patrizia Thamm führt dieses Misstrauen vor allem auf mangelndes Verständnis zwischen den Generationen zurück. „Es ist erkennbar, dass sich die junge Generation durch ein sensibleres Frühwarnsystem für die eigenen Bedürfnisse auszeichnet, was aus meiner Sicht sehr wertvoll ist", sagt Thamm.

Allerdings stoßen die 18- bis 29-Jährigen mit diesem Verhalten bei den Älteren oft noch auf Unverständnis. Denn früher war es eher üblich, ungesunde Arbeitsbedingungen zu akzeptieren und Prozesse weniger in Frage zu stellen. Thamm: „Ein Burn-out war sicherlich nicht erstrebenswert, gehörte im Notfall aber dazu.“

Bei der jüngeren Generation sei ein Umdenken erkennbar. „Sie fordert mehr Raum für ihre Gesundheit ein als ältere Generationen, achtet stärker auf ihre mentale Balance und hegt direkt zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn Erwartungen wie eine gute Work-Life-Balance, Flexibilität und Gestaltungsspielraum sowie ein gutes Gehalt.“

Chefs können vermitteln

Sie rät deshalb: „Es ist eine wichtige Führungsaufgabe, ein gegenseitiges Verständnis zwischen den Generationen herzustellen.“ Krankmeldungen trotz Arbeitsfähigkeit können das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten beeinträchtigen – und die Arbeitsmoral in Unternehmen ernsthaft beeinträchtigen. Die Arbeitsbelastung für die verbleibenden Mitarbeitenden wird unverhältnismäßig erhöht.

Thamm sieht im Gesundheitsmanagement für Führungskräfte eine gute Investition, „damit die Gefahr für Phänomene wie eine innere Kündigung oder auch psychische Probleme – die unsere Studie zeigen – minimiert wird". Denn wer gut erholt und zufrieden unter attraktiven Arbeitsbedingungen seinen Job macht, werde auch entsprechende Leistungen erbringen.

Trotz Erkrankung am Arbeitsplatz?

Laut der Befragung gehen heute deutlich weniger Arbeitnehmende mit leichten Infekten zur Arbeit als vor der Coronapandemie. Während dies 2018 noch 50 Prozent gemacht haben, waren es 2023 nur 34 Prozent. Hinzu kommt, dass nicht mehr so viele Beschäftigte mit Rückenschmerzen arbeiten gehen. Die Anzahl der Betroffenen sank seit 2018 um 11 Prozentpunkte auf 46 Prozent. Trotzdem sind Schmerzen im Rücken die Erkrankung, mit der sich die Deutschen noch am häufigsten zum Dienst melden.

Doch nach wie vor kuriert nicht einmal ein Drittel die Krankheit bis zur vollständigen Genesung aus. Vor allem bei Erkrankungen der Atemwege und ansteckenden Infekten warten 23 bzw. 19 Prozent nur, bis die schlimmsten Symptome vorbei sind.

Homeoffice nutzen

12 Prozent der Befragten kehren auch mit positivem Coronatest und mildem Verlauf an ihren Arbeitsplatz zurück. Während der Pandemie waren es 9 Prozent. Der Respekt vor dieser Erkrankung scheint nachgelassen zu haben – vor allem in der Generation Z: Hier hat sich der Wert im Vergleich zum Vorjahr sogar fast verdoppelt.

Dazu kommen diejenigen, die bei Erkältungssymptomen inzwischen darauf verzichten, einen Coronatest zu machen. Thamm: „Das Virus bleibt nach wie vor unberechenbar. Es ist daher ratsam, zu Hause zu bleiben, um das Risiko einer Ansteckung zu minimieren. Insbesondere, weil heute deutlich häufiger als vor einigen Jahren die Möglichkeit besteht, im Homeoffice zu arbeiten.“ (bs)