Deutschland

Arbeitsmarkt: Erneuerbaren-Industrie statt Kohleförderung

Mit der Kohle verschwinden die Arbeitsplätze, was von Kohleverfechtern oft propagiert wird, entschärft einen neue Studie des BMWi. Allerdings bedarf es politischer Weichenstellung.
15.11.2018

Sö könnte es nach dem Kohleausstieg in den vier großen Revieren aussehen. Wind- und Solarkraft sollen Einzug halten.

Vor diesem Moment graut knapp 21.000 Beschäftigten: Wenn die Förderbänder in den deutschen Braunkohlereverien in den nächsten Jahren zum Erliegen kommen, bangen sie um ihre berufliche Zukunft. Allerdings sieht eine neue Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) in der Industrie rund um Wind- und Sonnenenergie eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt.

Ein Konsortium aus diversen Forschungs- und Beratungsunternehmen, darunter Prognos, IFOK und das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung haben sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche sozioökonomischen Perspektiven sich durch den Ausbau von Windkraft- und Solaranlagen in den vier großen, deutschen Kohlerevieren ergeben. Auf der Basis geplanter Zubauzahlen im Zeitraum von 2018 bis 2030 ergibt sich allein in der Lausitz ein Wertschöpfungspotenzial in Höhe von 120 Mio. Euro. 

Lausitz hat die stärksten Ausbaupotenziale

Das entspricht einem Beschäftigungseffekt von mehr als 1000 Vollzeitäquivalenten bis 2030. Allerdings wurde die Produktion von Erneuerbaren-Energie-Anlagen (EE-Anlagen) nicht mit in das Ergebnis einbezogen. Derzeit beschäftigen Hersteller in der Lausitz circa 1250 Mitarbeiter. Bleiben die Produktionsbedingungen unverändert, ergeben sich somit für das Zieljahr in Summe mehr als 2000 neu geschaffene Stellen.

Grundsätzlich geht die Studie mit dem Titel "Erneuerbare Energien – Vorhaben in den Tagebauregionen – Ein Beitrag für den Strukturwandel?" davon aus, dass in allen vier Revieren für den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie Luft nach oben ist. In der Lausitz werden knapp zwei GW für die Windenergie und rund neun GW an PV-Leistung prognostiziert. Im Mitteldeutschen Revier herrscht zwar beim Wind Flaute, aber dafür könnte die Solarleistung auf 4,5 GW anwachsen. Die rheinischen Tagebaue bieten Chancen für rund 1 GW in beiden Technologien.

Chancen für Power-to-X

Damit sich die ermittelten Werte tatsächlich bewahrheiten, müssten 80 Prozent der identifizierten Fläche in den Tagebauen mit einer mindestens 70-prozentigen Standortgüte für die Erzeugung von Erneuerbaren genutzt werden. Neben der reinen Erzeugungstechnologie beleuchtet die Studie auch das Potenzial von Power-to-X. Vor allem die Lausitz eignet sich als Power-to-Gas und Power-to-Heat-Standort. Das hohe Erzeugungspotenzial für Wind- und Solarstrom verbunden mit den hohen Abnahmequoten in Radius von 200 Kilometern bietet optimale Voraussetzungen für ein Reallabor.

Damit es nicht bei Prognosen bleibt, sondern der Strukturwandel in der Praxis gelingt, braucht es politisches Engagement. Um die Tagebaufläche für den Erneuerbaren-Betrieb nutzen zu können, müssen sie planungsrechtlich genehmigt und die Verfügbarkeit geeigneter Areale gesichert werden. Planungs- und zivilrechtliche Anforderungen obliegen der jeweiligen Region. Hier können Länder, regionale Planungsträger und Kommunen die Voraussetzungen schaffen.

Bund und Länder gefragt

Aber auch die Bundespolitik ist gefragt: Noch gibt es keine Förderinstrumente für EE-Anlagen auf Tagebauflächen. Laut Studie wäre zu prüfen, ob durch regionale Ausschreibungen und die Ausgestaltung der Förderinstrumente eine zielgenaue, regionale Steuerung des Ausbaus ermöglicht werden würde. (ls)