Deutschland

BDI skizziert Kampf gegen Klimawandel als Billionen-Projekt

Der BDI hat in einer 290-seitigen Studie Kernbotschaften seiner Klimapolitik dargelegt. Zu aktuellen energiepolitischen Fragen äußert sich Präsident Dieter Kempf zurückhaltend.
18.01.2018

Beschreibt Wege einer Klimapolitik für die kommenden Jahrzehnte: Die BDI-Studie "Klimapfade für Deutschland".

Der Industriespitzenverband BDI hält eine Reduktion der Treibhausgase von 80 Prozent bis zum Jahr 2050 für machbar und wirtschaftlich vertretbar. Eine neue Studie skizziert Wege und Kosten. Eine allgemeine CO2-Steuer oder einen CO2-Mindestpreis als energiepolitische Option lehnen die Industrievertreter aber weiterhin ab. „Unser Credo ist, den Marktmechanismus walten zu lassen“, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf am Donnerstag anlässlich der Vorstellung der Studie „Klimapfade für Deutschland“ in Berlin. Auch über einen Kohleausstieg äußert sich Kempf erneut zurückhaltend. „Wir halten es für falsch, das mit einem politischen Diktat zu machen“, erklärte der BDI-Präsident. Der CO2-Handel in seiner derzeit bestehenden Form sei ein geeignetes Instrument. Nur im Falle eines globalen Emissionshandels sollten zusätzliche Sektoren in das System miteinbezogen werden.

Zudem warnte Kempf vor zu hohen Kostenbelastungen. „Sie haben für den weltweiten Klimawandel nichts erreicht, wenn nationale Industrien abwandern.“ Die seit Jahren schleichende Verlagerung von Produktion und Investitionen sei real, die Energiekosten „ein wichtiger Treiber“ dieser Entwicklung. „Das muss jeden Politiker nervös machen“, so Kempf.

Klimaziele 2050 bedeuten Investitionen zwischen 1,5 und 2,3 Billionen Euro

Der BDI hat in seiner mit der Boston Consulting Group und Prognos erarbeiteten Studie einen Kostenrahmen für die Klimapolitik der kommenden Jahrzehnte aufgemacht. Das politische Ziel, die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent zu reduzieren, macht demnach Mehrinvestitionen von insgesamt 1,5 Billionen Euro nötig. In dieser Summe seien mehr als 500 Mio. Euro enthalten, die bereits heute beschlossene politische Maßnahmen nach sich ziehen. Das 80-Prozent-Ziel sei aber „technisch möglich und volkswirtschaftlich vertretbar“ – ohne Einbrüche für das Wirtschaftswachstum.

Das Szenario einer 95-prozentigen Treibhausgas-Reduktion bis 2050 schlage gar mit zusätzlichen Investitionen von addiert 2,3 Billionen Euro zu Buche. „Das kann aus unserer Sicht, realistisch betrachtet, in Deutschland nicht gelingen. Das ist, diplomatisch formuliert, überambitioniert“, warnte Kempf. Deutschland könne nicht im Alleingang die Emissionen seiner Volkswirtschaft quasi auf Null setzen. Dafür sei auch die gesellschaftliche Akzeptanz nicht vorhanden. „Ohne den Einsatz der in der Bevölkerung bislang auf Ablehnung stoßenden CCS-Technologie beispielsweise sind 95 Prozent überhaupt nicht erreichbar“, erklärte der BDI-Präsident.

Gradueller Ersatz von Kohle durch Wind sowie Ausbau der Fernwärme in den Städten notwendig

Der 80-Prozent-Pfad komme mit bestehenden Technologien aus, heißt es in der BDI-Studie. Im Energiesektor seien dafür bis zum Jahr 2050 insgesamt 240 Gigawatt Wind- und Solarkapazitäten sowie ein gradueller Ersatz von Kohle durch Wind notwendig. Im Gebäudesektor müssten 50 Prozent mehr energetische Sanierungen (1,7 Prozent pro Jahr), ein Ausbau der Fernwärme in Städten, sowie elf Mio. Wärmepumpen vor allem in Ein bis Zwei-Familienhäusern realisiert werden. Für den Verkehrssektor werden 26 Mio. elektrische Pkw und für den Gütertransport auf der Straße 4000 Kilometer Autobahn mit Lkw-Oberleitungen benötigt. In der Industrie seien eine 90-prozentige Durchdringung von Effizienztechnologien und eine Konzentration auf feste Biomasse für Wärme erforderlich. Für die Landwirtschaft müsse ein effizienterer Düngereinsatz zum Einsatz kommen.

Das Reduktionsziel von 95 Prozent bis 2050 stößt der BDI-Studie zufolge an „Grenzen von Technik und Akzeptanz“. Notwendig seien dann etwa der Import erneuerbarer Brennstoffe (Power toLiquid, Power to Gas) in einem Volumen von 340 TWh sowie 292 Gigawatt Wind- und PV-Kapazitäten. Der Gebäudebestand müsse in diesem Fall zu über 70 Prozent energetisch saniert sowie eine vollständige emissionsfreie Wärmeversorgung – vor allem durch 14 Mio. Wärmepumpen und Fernwärme – garantiert sein. Im Verkehrssektor stünden dann 31 Mio. elektrische Pkw – vier Fünftel des Fahrzeugbestandes – sowie 8000 Kilometer Autobahn mit Lkw-Oberleitungen auf dem Programm. 

Debatte um Elektroautos und Quoten „greift zu kurz“

Bei der energetischen Gebäudesanierung müsse die künftige Bundesregierung endlich die Versäumnisse der vergangenen Legislaturperiode nachholen, mahnte Kempf. „Wir brauchen eine attraktive steuerliche Förderung, um Hausbesitzern einen wirksamen Sanierungsanreiz zu bieten“, forderte er. Bei Neubauten hingegen solle die Schraube bei den Vorschriften zur Energieeffizienz nicht überdreht werden.

Mit Blick auf die Mobilität greife die aktuelle Debatte um Elektroautos, Quoten und das Verbot des Verbrennungsmotors zu kurz, sagte der BDI-Präsident weiter. Notwendig sei ein schlüssiges Gesamtkonzept, das alle Verkehrsträger „optimal sowie digital“ vernetzt. Alternative Antriebe und Kraftstoffe müssten gefördert, die Lade- und Tankinfrastrukturen ausgebaut werden.

VKU: Studie erkennt zentrale Rolle intelligenter Verteilnetze

In einer ersten Reaktion auf die Studie hob der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) die Rolle der Verteilnetze hervor. „Die Stromverteilnetze sind für das Gelingen der Energiewende elementar, ihre Rolle wird leider oft unterschätzt. Der BDI erkennt und beschreibt die Bedeutung intelligenter Verteilnetze für die Energiewende und hebt deren zentrale Rolle in einem zunehmend diversifizierten und dezentralisierten Energiesystem hervor“, erklärte VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche. Das Gutachten spreche sich zudem für eine Änderung des Regulierungsrahmens aus. Nur so könnten die Verteilnetzbetreiber in den Aus- und Umbau ihrer Netze investieren, betonte die VKU-Chefin.

Lob für die Studie gab es auch von der Brancheninitiative Zukunft Erdgas. Der BDI plädiere für die Förderung von Innovationstechnologien wie etwa Power to Gas und die gasbetriebene Brennstoffzelle. „Wir stellen uns hinter die Forderung des BDI nach besserer Innovationsförderung. Wir wissen heute, dass wir diese Technologien in Zukunft benötigen werden, also müssen wir jetzt anfangen, sie zur Marktreife zu bringen und den Markt zu entwickeln“, erklärte Vorstand Timm Kehler. (hil)

Die BDI-Studie im Internet:

https://bdi.eu/themenfelder/energie-und-klima/klima2050/