Deutschland

Braunkohlereserve in 17 Monaten nie gebraucht

Die "Sicherheitsbereitschaft" aus bisher drei und künftig acht alten Braunkohleblöcken ist seit dem Beginn im Oktober 2016 nur kalt herumgestanden. Das gibt das Bundeswirtschaftsministerium jetzt zu.
02.03.2018

Einer der sieben Blöcke des RWE-Braunkohlekraftwerks Neurath bei Grevenbroich mit einer addierten Nettoleistung von 4200 MW. Der 300-MW-Block C aus den 70ern geht am 1. Oktober 2019 in die vierjährige "Sicherheitsbereitschaft" und wird dann zurückgebaut.

Die drei Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) haben die Braunkohlereserve in den ersten 17 Monaten ihres Bestehens nach fast zwei Wintern noch nie abgerufen. Dies räumt Wirtschaftsstaatssekretär Uwe Beckmeyer (SPD) in der Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion ein, aus der am Freitag breit zitiert wurde, zuerst von der "Frankfurter Rundschau" und der "Berliner Zeitung". Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sieht sich in seiner Kritik an der "Sicherheitsbereitschaft" bestätigt: Sie sei ein Geschenk ohne Gegenleistung an die Braunkohlekonzerne, die einen Teil der Blöcke ohnehin vom Netz genommen hätten, während die Erneuerbaren "ausgebremst" würden.

Beckmeyer zufolge haben die ÜNB Amprion und Tennet vergangenes Jahr 85 Mio. "Abschläge" aus der insgesamt veranschlagten 1,61 Mrd. Euro ausgezahlt. Für dieses Jahr seien 149 Mio. Euro veranschlagt. Dies geschehe aber unter Vorbehalt der endgültigen Vergütung, die die Bundesnetzagentur festlegen werde.

Zuvor redete Gabriel noch vom "Gürtel zum Hosenträger"

Die "Sicherheitsbereitschaft", vorher "Kapazitätsreserve" war im Herbst 2015 das Ergebnis eines klimapolitischen Zickzackkurses der damaligen Bundesregierung und namentlich ihres Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD), um zur Klimakonferenz in Paris mitbringen zu können, dass Deutschland sein Klimaziel für 2030 wenigstens annähernd erreicht. Ein tag- und blockscharfer Zeitplan für die sukzessive Überführung von acht alten, CO2-intensiven Braunkohleblöcken in eine vierjährige "Sicherheitsbereitschaft" und die anschließende endgültige Schließung wurde ins Energiewirtschaftsgesetz eingeflickt.

Am 1. Oktober 2016 war der erste Block dran – Buschhaus im Helmstedter Revier –, ein Jahr später gingen zwei andere Blöcke vom Netz, diesen 1. Oktober sind es drei weitere Einheiten und am 1. Oktober 2019 die letzten zwei Blöcke. Das CO2-Einsparpotenzial wurde 2015 im Endausbau auf elf bis 12,5 Mio. Tonnen geschätzt. Vor dieser Entscheidung hatte Gabriel noch die Bilder vom "Gürtel zum Hosenträger" und vom "Hartz IV für Kraftwerke" gebraucht.

Würden die Blöcke überhaupt liefern?

Buschhaus könnte so einfach gar nicht mehr hochgefahren werden, denn das nahe Helmstedter Revier wurde gleichzeitig ausgefördert, und der Betreiber Mibrag hat laut klimaretter.info den Plan verworfen, Braunkohle aus dem Revier Halle/Leipzig heranzukarren. Ob die Bereitsteller der "Sicherheitsbereitschaft" ihre Blöcke auch tatsächlich auf Anforderung des jeweiligen ÜNB binnen zehn Tagen aus der Kaltreserve auf die geforderte Leistung bringen könnten, hat der Bund gar nicht testen lassen. Er vertraut schlicht den Braunkohlekonzernen. Auch das geht aus der Antwort Beckmeyers in ministerialdeutscher Doppelverneinung hervor: "Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Akteure ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachkommen." (geo)
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Hier externer Link zum "Sicherheitsbereitschaft"-Zeitplan im Paragrafen 13 g Energiewirtschaftsgesetz