Deutschland

Bund übernimmt Kontrolle über Rosneft-Anteil an PCK Schwedt

Lange haben die Betroffenen um die PCK-Raffinerie in Schwedt gebangt. Nun greift der Bund ein – und will so den Betrieb sichern. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer kritisiert das scharf.
16.09.2022

Blick von oben auf das Gelände der PCK-Raffinerie in Schwedt. Diese versorgt große Teile des deutschen Nordostens mit Treibstoff.

Die Bundesregierung präsentiert die lange erwartete Lösung für die PCK-Raffinerie in Schwedt: Sie stellt den russischen Mehrheitseigner - Rosneft Deutschland und RN Refining & Marketing GmbH - unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Freitagmorgen mitteilte. Zudem soll es ein «Zukunftspaket» für das PCK geben. Details wollen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Nachmittag in Berlin bekannt geben.

«Mit der Treuhandverwaltung wird der drohenden Gefährdung der Energieversorgungssicherheit begegnet und ein wesentlicher Grundstein für den Erhalt und die Zukunft des Standorts Schwedt gelegt», teilte Habecks Ministerium mit. Das «Zukunftspaket» soll einen «Transformationsschub» für die Region bringen und die Raffinerie unterstützen, damit die Versorgung mit Öl auf alternativen Lieferwegen sichergestellt werde.

Die Treuhandverwaltung wird an diesem Freitag wirksam und ist zunächst auf sechs Monate befristet. Die Kosten dafür haben die betroffenen Unternehmen zu tragen. Die Bundesnetzagentur kann damit Mitglieder der Geschäftsführung abberufen und neu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen erteilen.

Auf Rosneft Deutschland entfallen 12 Prozent der deutschen Raffinerien-Kapazität

Hintergrund ist das Öl-Embargo gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs, das am 1. Januar 2023 greift. Bislang ist die PCK-Raffinerie von der Belieferung mit russischem Erdöl über die «Druschba-Pipeline» abhängig. Der russische Staatskonzern Rosneft, der über die beiden nun unter Treuhandverwaltung gestellten Töchter rund 54 Prozent am PCK hielt - hatte nach früheren Angaben des Wirtschaftsministeriums wenig Interesse an einer Abkehr von russischem Öl.

Rosneft Deutschland vereine insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und sei damit eines der größten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland, so das Ministerium. Von der Treuhandverwaltung sind auch Raffinerien in Baden-Württemberg und Bayern betroffen.

PCK versorgt große Teile des Nordostens mit Erdöl

PCK hat rund 1200 Mitarbeiter und gilt als wirtschaftliche Säule der Region um Schwedt. Die Raffinerie versorgt große Teile des deutschen Nordostens mit Treibstoff. «Ein Ausfall des Betriebs der PCK-Raffinerie hätte zur Folge, dass die bundesweite Versorgung mit Erdölprodukten – und demnach mit lebenswichtigen Gütern – beeinträchtigt und insbesondere im Nordosten Deutschlands gefährdet wäre», schreibt das Wirtschaftsministerium im Bundesanzeiger.

Die Beschaffung von Öl aus anderen Quellen wäre sehr teuer, der Transport von Erdölprodukten aus anderen Raffinerien schwierig. Neben Versorgungsengpässen drohten «Preisspitzen bei Kraftstoffen für gewerbliche und private Verbraucher sowie eine Unterversorgung mit Bitumen insbesondere für den Straßenbau». Auch die Belieferung des Berliner Flughafens mit Flugbenzin sowie die Versorgung der Stadt Schwedt mit Fernwärme seien dann gefährdet.

Die deutschen Töchter des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft, RDG und RNRM, führen laut Wirtschaftsministerium jeden Monat Rohöl im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus Russland nach Deutschland ein. Mehr als die Hälfte des Erdöls kommt nach deutschen Angaben aus Russland.

Grund für Intervention: Sorgen um Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs

Grund für die Anordnung der Treuhandverwaltung sei, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der betroffenen Raffinerien aufgrund der Eigentümerstellung der Unternehmen in Gefahr gewesen sei. Zentrale Dienstleister wie Zulieferer, Versicherungen, Banken, IT-Unternehmen und Banken, aber auch Abnehmer, seien nicht mehr zu einer Zusammenarbeit mit Rosneft bereit gewesen - weder mit Raffinerien mit Rosneft-Beteiligung noch mit den deutschen Rosneft-Töchtern RDG und RNRM selbst.

Hintergrund seien «Unsicherheiten über die sanktionsrechtliche Behandlung» der Unternehmen, wie das Wirtschaftsministerium im Eintrag zu dem Vorgang im Bundesanzeiger schreibt. Zudem wanderten Mitarbeiter ab. «Es ist in der gegenwärtigen Situation zu erwarten, dass zentrale Unternehmensbereiche nicht mehr besetzt werden können», schreibt das Ministerium.

Belieferung künftig über Häfen in Rostock und Danzig

Die PCK-Raffinerie soll von russischem Öllieferungen gelöst werden, da diese jederzeit ausfallen könnten, so das Ministerium. Zur Umstellung auf andere Lieferanten sollen die Hafeninfrastruktur in Rostock und die Pipeline von Rostock nach Schwedt ausgebaut werden. Darüber hinaus seien Öllieferungen über eine Pipeline vom Hafen des polnischen Danzig nötig, insbesondere bis die Pipeline aus Rostock ausgebaut ist. Dies wolle die polnische Regierung aber erst ermöglichen, wenn die russischen Gesellschafter nicht mehr im Boot sind.

Rechtliche Grundlage der Treuhandverwaltung ist eine Regelung im Energiesicherungsgesetz. Demnach ist dieser Schritt möglich, wenn das Unternehmen andernfalls seine dem Gemeinwesen dienenden Aufgaben nicht erfüllen kann und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Gegen die Entscheidung kann binnen eines Monats Klage erhoben werden.

Überwiegend positive Reaktionen

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zeigte sich erfreut, weil den Menschen damit etwas die Ängste genommen würden. Er rechnet aber weiter mit Schwierigkeiten. «Was wir leider nicht versprechen können, dass künftig alles glatt und fröhlich läuft.»

Wie hoch die Auslastung der Raffinerie sein wird, konnte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums nicht genau sagen. Das Öl aus Rostock sichere eine Auslastung von ungefähr 50 Prozent. Weitere Lieferungen seien über die Druschba-Pipeline aus Kasachstan und auch über Polen denkbar.

Reaktionen auf die Ankündigungen fielen überwiegend positiv aus. Der Branchenverband «Fuels und Energie» nannte die Entscheidung nachvollziehbar. Die Gewerkschaft IG BCE unterstützt die Entscheidungen. «Die Beschäftigten in Schwedt können aufatmen», sagte Bezirksleiter Rolf Erler. Die PCK-Betriebsratsvorsitzende Simona Schadow wertete die Investitionen von Bundesregierung und Land «als eine handfeste Grundlage für den Weiterbetrieb der Raffinerie und die Entwicklung des Standorts».

Kretschmer: "Das werden die Bürger teuer bezahlen müssen"

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hält die Entscheidung für eine staatliche Kontrolle des Ölunternehmens Rosneft Deutschland indes für falsch. «Das ist eine wirkliche Fehlentscheidung», sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtensender MDR Aktuell. «Diesen Schritt werden die deutschen Bürger und Unternehmen teuer bezahlen müssen.» Es werde auf eine weitere Mangellage und steigende Energiepreise herauslaufen, jetzt im Bereich Benzin. Das russische Öl könne nicht kurzfristig ersetzt werden. Er warf der Bundesregierung vor, «Ideologie über die Interessen des Landes zu stellen». (dpa/hoe)