Deutschland

Wirtschaftsminister sieht Risiken bei knappem Gas aus Russland

Die Energieversorgung in Brandenburg ist nach Ansicht von Wirtschaftsminister Steinbach gesichert. Wenn Gas aber knapper wird, könnte ein Teil der Industrie gefährdet sein - Steinbach sagt warum.
08.04.2022

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach stellt sich beim Thema Embargo hinter Robert Habeck.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) hält die Energieversorgung trotz des Ukraine-Krieges derzeit für gesichert - sieht aber bei einer Verknappung die größten Risiken beim Gas. «Da ist vor allen Dingen das Problem, dass die ostdeutsche Pipeline keine Querverbindung zu den anderen Pipelines hat, die im Norden Deutschlands ankommen», sagte Steinbach der Deutschen Presse-Agentur. Bei Öl gäbe es zumindest die technische Möglichkeit, die Raffinerie PCK in Schwedt sowohl über Danzig als auch über Rostock zu versorgen, wo es Pipelineverbindungen nach Schwedt gebe. «Dazu kommt das Problem, dass wir es gar nicht so schnell schaffen, die Ersatzmengen für Gas auf dem freien Markt zu besorgen.»

Am ehesten betroffen wäre bei einer Verknappung - ob durch ein Embargo oder durch weniger Angebot - nach Angaben des Ministers die Wirtschaft. «Sollte es zu einer Verknappung kommen, ob im Bereich Gas oder Öl, wird die Versorgung erstmal für die kritische Infrastruktur sichergestellt, das sind zum Beispiel Krankenhäuser, Feuerwehr und Polizei», sagte Steinbach. An zweiter Stelle würden Privathaushalte versorgt. «An dritter Stelle stehen Unternehmen, die dann möglicherweise nicht gleichermaßen versorgt werden können.»

Versorgungsproblem nicht ausgeschlossen

Ein Energiedefizit könnte laut Steinbach zu einem Versorgungsproblem in der Industrie führen: «Beim produzierenden Gewerbe haben wir die größten Probleme», sagte er. «Die Stahlproduktion etwa braucht Gas. Wenn die Versorgung zunächst für die kritische Infrastruktur und dann für die Privathaushalte sichergestellt wird und die Abstriche dann primär im Bereich von Wirtschaft und Industrie gemacht werden, können solche Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen werden, auch relativ unabhängig vom Energiepreis. Das kann tatsächlich ein Versorgungsproblem darstellen.» So produzierten Chemiebetriebe Stoffe auf Basis von Erdgas für die Pharma- oder Autoindustrie.

Die Herausforderung ist nach Ansicht des Ministers, die Versorgung für den nächsten Winter sicherzustellen. «Da ist noch eine Lücke», sagte Steinbach. Die Gasspeicher seien in privater Hand. Um künftig ausreichende Füllstände zu sichern, habe Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) aber einen Gesetzesentwurf zur Schaffung einer nationalen Gasreserve auf den Weg gebracht. Die Stadtwerke in Brandenburg haben sich nach Steinbachs Einschätzung so gut wie möglich vorbereitet. «Sie würden eventuell sogar zum Teil auf das Verbrennen von Öl zur Erzeugung von Wärme umsteigen.» Bei Öl gebe es bundesweit Vorräte für 200 Tage. «Was mir am wenigsten Bauchschmerzen macht, ist die Stromversorgung.» Das lasse sich ausgleichen.

Steinbach: Embargo ist nicht durchzuhalten

Der Minister warnte vor einem Importstopp von Energie aus Russland. «Bei allem öffentlichen Druck, der durch das mutmaßlich russische Massaker in der Ukraine ausgelöst worden ist, halte ich es im Moment trotzdem für richtig, nicht in Richtung eines aktiven Embargos zu gehen», sagte er. «Wenn wir unsere Volkswirtschaft durch ein aktives Embargo lahmlegen, reduzieren wir auch unsere Fähigkeit, der Ukraine zu helfen.» Deshalb teile er die Auffassung Habecks, ein komplettes Energieembargo gegen Russland sei für Deutschland kaum durchzuhalten, zu 100 Prozent.

Die Wirtschaft in Berlin und Brandenburg warnt vor einem Verzicht auf russisches Gas. «Für viele unserer Branchen gibt es keine kurzfristige Alternative zum Erdgas für die Produktion und die Erzeugung von Prozesswärme», sagte der Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Christian Amsinck. (dpa/amo)