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Antworten für neue Stadtwerke-Strategien 2030

Das Geschäftsmodell der Stadtwerke steht durch zunehmende Regulierung, fortschreitende Digitalisierung und steigenden Wettbewerb unter Druck. Neue Strategien sind gefragt.
16.01.2018

Die Kommunalversorger müssen auf den Veränderungsdruck reagieren - die Rahmenbedingungen verändern sich immer schneller.

Durch diese Entwicklungen erwächst für die Kommunalversorger der Bedarf, noch stärker als bisher in Infrastruktur und Informationstechnologie, aber auch in neue Geschäftsmodelle sowie – angesichts des demografischen Wandels eminent wichtig – in Personal zu investieren. Diese Herausforderungen können nach Ansicht vieler kommunaler Energieversorger am besten in neuen Kooperationen gemeistert werden, auch mit neuen Playern aus anderen Branchen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer neuen Studie des Beratungsunternehmens PWC, die mit Unterstützung des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) erstellt wurde. Die Studie liegt der ZfK vor.

Die Auswertung der für die Studie „Stadtwerke 2030“ befragten Entscheidungsträger aus 300 VKU-Mitgliedsunternehmen ergibt ein detailliertes Bild, wie die Branche das derzeitige Marktumfeld sieht. Insgesamt geraten die klassischen Wertschöpfungsstufen zunehmend unter Beschuss. Für die konventionelle Erzeugung existiert kaum ein Geschäftsmodell. Die regenerative Erzeugung wird zwar positiver gesehen, der intensive Wettbewerb mit Finanzinvestoren und branchenfremden Marktteilnehmern führt jedoch zu rückläufigen Renditen.

VKU-Chefin Reiche: Gemeindewirtschaftsrecht ist eine echte Hürde

Der Energiehandel ist ebenfalls geprägt von einer steigenden Wettbewerbsintensität, einer hohen Transparenz und einem hohen Automatisierungsgrad mit der Folge sinkender Handelsmargen. Im Vertrieb werden zwar momentan noch stabile Renditen erwirtschaftet. Allerdings: Digitalisierung und der spürbar steigende Wettbewerb erhöhen auch hier den Rationalisierungszwang. Im so wichtigen regulierten Netzbereich erwarten die Stadtwerke-Manager aufgrund weiter sinkender kalkulatorischer Eigenkapitalzinsen, hohem Ausbaubedarf und mehr Regulierung gleichfalls geringere Ergebnisbeiträge.

„Die Energieunternehmen spüren den Veränderungsdruck, egal ob aus der Energieerzeugung, dem Netzbereich oder dem Vertrieb. Es ist ein ambitionierter Weg, den die Branche gehen muss. Ich bin mir aber sicher, dass wir mit Digitalisierung und Kooperationsmodellen genau die richtigen Schlüssel schon in den Händen halten“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche der ZfK. „Bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder und dem Aufbau von Kooperationen ist das Gemeindewirtschaftsrecht in all seinen unterschiedlichen Länderausprägungen allerdings eine echte Hürde. Daher muss es Verbesserungen geben“, fordert die VKU-Chefin.

Neue Geschäftsmodelle nur in Ansätzen erkennbar

Trotz Energiewende und Digitalisierung ist der radikale Wandel in der Energiebranche bislang ausgeblieben, neue Geschäftsmodelle sind nur in Ansätzen erkennbar, schreiben die Autoren der Studie. Umso mehr müssen die strategischen Handlungsoptionen in den Blick genommen werden. Da der überwiegende Teil der Befragten (82 Prozent) an der integrierten Wertschöpfungskette, also der Bündelung der Medien und der Geschäftsfelder Erzeugung, Netz und Vertrieb, festhalten will, kommen die noch nicht ausgeschöpften Potenziale in den Fokus. Die Hälfte der Befragten sieht denn auch Rationalisierungen als dringend notwendig an.

Eine weitere Option ist die Konzentration der Wertschöpfung auf die Kernkompetenz in weniger wettbewerbsintensiven Bereichen. So sehen 49 Prozent der für die Studie befragten Führungskräfte in der Fokussierung auf den reinen Infrastrukturdienstleister rund um die Netze eine sinnvolle strategische Alternative. 48 Prozent der Teilnehmer sehen dagegen ihre strategische Zukunft als (digitaler) Serviceprovider und wollen den Anteil von Dienstleistungen an der Wertschöpfung deutlich erhöhen.

Stadtwerke könnten vermehrt Aufgaben der Kommunen übernehmen

„Eine mögliche Lösung der Frage nach der strategischen Ausrichtung sehen wir in der Aufgabe des Denkens in Wertschöpfungsstufen und Sparten und vielmehr in der Weiterentwicklung von Kompetenzen hin zu Lösungen, die Verbindungen zwischen den energiewirtschaftlichen Teilmärkten bewirken“, sagte Sven-Joachim Otto, Partner PWC, der ZfK.

Ein Weg zu neuen Geschäftsfeldern könnte über die Kommunen führen. So können sich knapp 45 Prozent der Stadtwerke-Manager vorstellen, künftig vermehrt Aufgaben der Kommunen zu übernehmen. Eine weitere strategische Option liege darin, mit gegebenenfalls branchenfremden Partnern neue Möglichkeiten der Wertschöpfung in Bereichen wie Elektromobilität oder Smart Energy zu erschließen.

Negative Erfahrungen bei Kooperationen in der Vergangenheit

Das Thema Kooperationen ist bei Stadtwerken nicht neu – und die Hürden und Probleme sind es auch nicht. So erweisen sich zunehmend das Gemeinderecht sowie die unterschiedlichen Ausprägungen in den einzelnen Ländern als Hürde. „Daneben bestehen weitere regulatorische Hürden, die Kooperationen behindern. So scheitern Kooperationen im Netzbereich regelmäßig am Regulierungsrahmen, da dieser Effizienzsteigerungen nicht langfristig vergütet oder bei der Auslagerung von Netzpersonal aufgrund der Nicht-Anerkennung von dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenanteilen Nachteile bietet,“ analysiert Henry Otto, Partner bei PwC.

Es gibt aber auch „emotionale“ Gründe. Angeführt werden die teilweise negativen Kooperationserfahrungen aus der Vergangenheit bzw. eine grundsätzliche Sorge vor Abhängigkeiten (76 Prozent). Auch die Furcht vor eingeschränkter unternehmerischer Entscheidungsfreiheit (56 Prozent) spielt eine Rolle.

Rückgang der Margen im Privatkundenvertrieb

Mit Blick auf die Optionen bei den einzelnen Wertschöpfungsstufen wird die konventionelle Erzeugung als dasjenige Geschäftsfeld gesehen, das am ehesten von einem Rückzug betroffen wäre. Da eine Schließung oder Veräußerung kaum möglich ist, erwarten und erhoffen mehr als 75 Prozent der Befragten eine staatlich regulierte Lösung für die Netz- und Kraftwerksreserve. Bei den Ausschreibungen im Bereich der erneuerbaren Energiensind die klassischen Energieversorger zwar jüngst vielfach ins Hintertreffen geraten. Doch bleibt für rund 51 Prozent der Befragten dieses Geschäftsfeld trotz sinkender Renditen weiterhin attraktiv. Investitionen könnten „aufgrund der niedrigen Finanzierungskosten in Folge der anhaltenden Niedrigzinsphase trotz niedriger Margen attraktiv sein“, heißt es in der Studie.

Im Privatkundenvertrieb erwarten fast drei Viertel der Befragten einen Rückgang der Margen. Auch wenn 60 Prozent Risiken im Vertrieb sehen, gehen doch nur 16 Prozent davon aus, den Vertrieb künftig aufgeben zu müssen. Die Kundenbeziehung wird zunehmend über digitale Schnittstellen gemanagt. Hier befürchten immerhin 40 Prozent eine sinkende Loyalität der Konsumenten zu ihren Lokalversorgern. Als bedeutender Erfolgsfaktor im Vertrieb wird die Option gesehen, durch Cross Selling neuer digitaler Lösungen sinkende Margen im Commodity-Vertrieb zu kompensieren.

Im Energiehandel gibt es mehr Risiken als Chancen

Gefahr im Verzug herrscht hingegen im Industriekundenvertrieb. Die Karlsruher EnBWsorgte im Juni 2016 mit der Ankündigung für Aufsehen, sich als Maßnahme des Restrukturierungsprogramms aus dem Großkundenvertrieb Strom und Gas unter den Marken EnBW und Watt zurückzuziehen. Trotz des intensiven Wettbewerbs wird das Industriekundensegment von 43 Prozent der befragten Energiemanager aus strategischen Gründen auch weiterhin bedient, da sie eine Vollsortimentsstrategie verfolgen.

In Energiehandelwerden künftig mehr Risiken als Chancen gesehen. Lediglich vier Prozent der Befragten bewerten die Geschäftschancen positiv. Folglich seien (Teil-)Rückzüge aus dem Energiehandel zu erwarten, was Chancen für Dienstleister eröffne, so die Studien-Autoren. Ob die viel zitierte Blockchain-Technologie langfristig die Wertschöpfungsstufe bedroht, werde von dem künftig erreichten Grad der Autarkie der Endverbraucher abhängen, heißt es weiter.

Bei der Netzinfrastruktur identifizieren fast alle Führungskräfte (92 Prozent) aufgrund des politischen Willens, Verbraucherpreise nicht ansteigen zu lassen, den Regulierungsdruck und dadurch sinkende Netzrenditen als zentrales Risiko. Darüber hinaus führten die Sektorenkopplung, die zunehmende Dezentralität sowie der Anschluss neuer Erzeuger und Nutzer zu immer komplexeren Netzen. (hil)