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Zehn Jahre EnBW-Aktienkauf des Landes – ein Erfolg? 


Der Kauf eines großen EnBW-Aktienpakets vor zehn Jahren kostete den damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Mappus das Amt. Lange schien der rechtswidrig zustande gekommene Deal auch wirtschaftlich nachteilig.
29.11.2020

Der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus, äußert sich 2010 bei einer Informationsveranstaltung zur Übernahme von EnBW durch das Land in der Firmenzentrale in Karlsruhe.

 

Selten hat sich ein Ministerpräsident bei einem Alleingang so viel Ärger eingehandelt wie Stefan Mappus (CDU) im Jahr 2010 mit dem milliardenteuren Kauf von EnBW-Aktien. Das Geschäft war verfassungswidrig, weil Mappus am Landtag vorbei agierte, beschäftigte einen Untersuchungsausschuss und brachte den damaligen Regierungschef ins politische Abseits.

Doch ist der Kauf, dessen Abschluss am 6. Dezember zehn Jahre her ist, am Ende gut oder schlecht für die Steuerzahler im Südwesten? Der Blick auf den Aktienkurs sieht aktuell günstig aus. Seit September liegt der Kurs deutlich über 50 Euro. Am 6. Dezember 2010 hatte das Land für 112,5 Millionen Aktien 4,67 Milliarden Euro an den französischen Energiekonzern EDF gezahlt. Macht pro Aktie 41,50 Euro. Stand heute ein satter Buchgewinn.

Zinsen mit Dividenden tilgen

Der Kauf des gut 45 Prozent umfassenden Unternehmensanteils wurde über Kredite finanziert, für die jedes Jahr Zinsen fällig werden. Mappus' Idee war, mit den EnBW-Dividenden die Zinsen zu bezahlen. Das Geschäft sollte sich selbst finanzieren.

Das hat bisher nicht gut funktioniert und birgt nach Einschätzung der landeseigenen Beteiligungsgesellschaft Neckarpri, deren Zweck das Halten und die Finanzierung der EnBW-Aktien ist, Risiken in der Zukunft. Die Dividende des Energiekonzerns liegt für 2019 bei 70 Cent je Aktie. 73 Cent wären aktuell nötig, um die Zinsen zahlen zu können. In den vergangenen Jahren sah es zum Teil viel schlechter aus. Für 2018 hatte EnBW 65 Cent gezahlt, für 2017 waren es 50 Cent. 2016 liefen die Geschäfte so schlecht, dass die Dividende ganz ausfiel.

EnBW im Corona-Jahr

Bei EnBW sehen die aktuellen Zahlen trotz Coronavirus-Pandemie ordentlich aus. Das Unternehmen mit mehr als 24.000 Mitarbeitern steuert sein Geschäftsmodell seit einigen Jahren massiv um. Weg von Atom und Kohle hin zu Wind, Sonne und Dienstleistungen.

Der überwiegende Teil der Finanzierung läuft nach Zahlen des Nackarpri-Jahresabschlusses vom 30. Juni über Inhaberschuldverschreibungen mit Zinssätzen zwischen gut 0,52 Prozent und gut 2,33 Prozent. Es kann sein, dass die Zinsbelastung kurzfristig sinkt, wenn im nächsten Juli 400 Mio. Euro neu aufgenommen werden müssen, die bisher mit fast 2,3 Prozent verzinst werden. Die längste Laufzeit mit einem Volumen von 1,5 Mrd. Euro reicht bis ins Jahr 2047. Aus Sicht von Neckarpri besteht aber ein nicht unerhebliches Zinsrisiko in der Zukunft.

Keine Verkaufsabsichten

Das baden-würtembergische Finanzministerium teilt mit, es werde mittelfristig «eine Tilgungsmöglichkeit der Finanzverbindlichkeiten angestrebt und zu gegebener Zeit dann auch entsprechend vorbereitet». Überlegungen zum Verkauf von EnBW-Aktien gebe es dagegen nicht.

Aus Sicht des Staatsministeriums trägt die Arbeit der vergangenen zehn Jahre nun erfreulicherweise Früchte, der Blick zurück fällt aber kritisch aus: «Zu einem guten Geschäft sollte stets gehören, dass es legal zustande kommt. Das war beim Kauf der EnBW-Anteile nicht der Fall, er erfolgte auf verfassungswidrige Art und Weise», teilt ein Sprecher mit.

Verlust bei Neckarpri

Dazu komme, dass Neckarpri nach zehn Jahren noch immer einen Jahresfehlbetrag verzeichne. Das Land habe Garantien in Milliardenhöhe und Zuschüsse von mehr als 311 Mio. Euro geleistet und gemeinsam mit dem Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW), dem weiteren EnBW-Großaktionär neben Neckarpri, eine Kapitalerhöhung gestemmt.

Die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Beteiligung des Landes nicht für einen Nachteil, im Gegenteil: «Die staatliche Beteiligung kann sicherstellen, dass der Konzern die Energiewende konsequent umsetzt und zielgerichtet investiert.» Der Wandel von einem früheren Atomkonzern zu einem Konzern, der die Energiewende in allen Facetten – von erneuerbaren Energien bis Verkehrswende inklusive dezentraler Elektromobilität und Speicherung - effektiv und stringent umsetze, sei bemerkenswert, sagt die Professorin. (dpa/hp)