Strommarkt 2030: Ohne neue Gaskraftwerke droht Versorgungslücke
Durch den gleichzeitigen Ausstieg aus Atomenergie und Kohle wird Deutschland bis 2030 erhebliche Mengen an zusätzlicher regelbarer Leistung benötigen, um die schwankende Einspeisung der erneuerbaren Energien abzusichern. Welche Lösungen bestehen, um den Zubau dieser Leistung anzureizen, wird in einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) untersucht. Die Studie wurde im Auftrag von Zukunft Erdgas e.V. erstellt.
Allein im Jahr 2019 ist die Stromerzeugung durch emissionsarmes Erdgas um elf Prozent gestiegen. Erdgas hatte damit einen Anteil von 15 Prozent im deutschen Strommix. Gleichzeitig ist die Kohleverstromung aufgrund des höheren CO2-Preises um 25 Prozent gesunken. Durch den gleichzeitigen Ausstieg aus Atomenergie und Kohle, die bisher einen großen Teil der regelbaren Energie geliefert haben, steigt die Rolle von Gaskraftwerken als Rückversicherung der erneuerbaren Energieversorgung.
45 GW an zusätzlicher Leistung
Im aktuellen Strommarktdesign – dem Energy-Only-Markt – bilden sich Preise ausschließlich aus Angebot und Nachfrage der tatsächlichen Stromerzeugung. Die vorgehaltene Kapazität der Kraftwerke, die zur Absicherung von Engpasssituationen erforderlich ist, wird in diesem System jedoch nicht vergütet. Investoren haben daher keinen Anreiz, in Kraftwerkskapazitäten zu investieren, die zur Sicherung der Versorgung auch bei „kalter Dunkelflaute“ bereitstehen.
Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft Erdgas, ist sich deshalb sicher: „Wir müssen jetzt über Rahmenbedingungen für Investitionen in neue Kraftwerke sprechen, damit bis 2030 die zusätzlich benötigten Gaskraftwerke am Netz sind.“ Laut Berechnungen des EWI werden im Jahr 2030 zusätzlich bis zu 45 GW an regelbarer Leistung benötigt, geplant sind derzeit jedoch lediglich rund sieben Gigawatt an zusätzlicher Kapazität. Um den Zubau von zusätzlicher Kapazität anzureizen, sollten daher nach Ansicht von Zukunft Erdgas flankierende Mechanismen in das aktuelle Marktdesign integriert werden.
Skepsis bei den Branchenkennern
Andreas Schierenbeck, Vorstandsvorsitzender der Uniper SE, bestätigt: „Mit dem Ausstieg aus der Atomkraft und Kohleverstromung werden flexible Gaskraftwerke mehr denn je zum perfekten Partner der Energiewende. Die aktuellen Rahmenbedingungen werden dieser Schlüsselrolle jedoch in keiner Weise gerecht. Die Branche und der Markt allein werden es nicht richten! Wir brauchen in Deutschland dringend einen Konsens, wie wir die Versorgungssicherheit in Zukunft gewährleisten wollen." So lange das nicht geklärt sei, werde niemand in moderne Technologien investieren.
Simon Schulte, Manager und Leiter Gasmärkte des EWI, teilt solche Bedenken: „Es ist unklar, ob der Energy-Only-Markt zukünftig ein ökonomisch effizientes und gesellschaftlich akzeptables Versorgungssicherheitsniveau gewährleisten kann. Sprich, ob der Markt allein Anreize für den Ausbau von regelbarer Leitung setzen kann.“ Und Kehler hat bereits die Zukunft ins Visier genommen: „Langfristig muss auch das Gas in unseren Kraftwerken grün werden. Deshalb müssen wir jetzt anfangen, die Weichen für eine Zukunft mit Wasserstoff zu stellen.“ (sig)