Strom

Branche will wieder deutlich mehr neue Windräder

Ausgerechnet zwischen Nord- und Ostsee stagniert der Ausbau der Windkraft. Erstmals seit den 80er Jahren nimmt die Zahl der Windräder in Schleswig-Holstein ab. Die Windkraft-Branche fordert mehr Genehmigungen.
25.04.2019

Der Windkraftausbau im Nordosten Deutschlands ist seit nunmehr zwei Jahren rückläufig. Das gefährdet nicht nur die Klimaziele, sondern auch Arbeitsplätze.

Der Ausbau der Windkraft sorgt in Schleswig-Holstein seit Jahren für Streit. Bis Ende 2020 will die CDU-geführte Landesregierung das Moratorium für neue Windräder verlängern, wie am Donnerstag bekannt wurde. Darüber muss der Landtag entscheiden. Der Grund: Erst 2020 soll die nach einer Gerichtsentscheidung nötige neue Windkraft-Planung stehen, gegen deren zweiten Entwurf es mehr als 5000 Einwendungen gab. Die Jamaika-Koalition will durch eine Vergrößerung der Abstände von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung mehr Rücksicht auf Menschen nehmen.

Die Windkraft-Branche hat von der Landesregierung nun aber mehr Genehmigungen zum Bau von Windrädern angemahnt. "Der Klimawandel schreitet voran, der Windenergieausbau stagniert in Schleswig-Holstein hingegen", sagte der Landeschef des Bundesverbandes Windenergie (BWE), Horst Leithoff, am Donnerstag. "So können wir die energiepolitischen Ziele Schleswig-Holsteins nicht erreichen." Der Norden sei lange Zeit Vorreiter beim Thema Windkraft gewesen, nun drohe die Energiewende ohne das Land stattzufinden.

Mehr stillgelegt als genehmigt

2018 waren im Norden nur 20 neue Anlagen genehmigt, aber 30 stillgelegt worden. 2017 war die Zahl der Windräder ebenfalls zurückgegangen – laut Leithoff erstmals seit den 1980er Jahren. Im Vergleich zu 2016 gab es im vergangenen Jahr einen Rückgang um 800 MW bei den erteilten Genehmigungen. Unterm Strich kamen nur gut 30 MW zusätzlicher Leistung hinzu.

"Dabei sind hier bei uns die besten Windverhältnisse Deutschlands", sagte Landesgeschäftsstellenleiter Marcus Hrach. Derzeit betrage die Menge des Windstroms im Norden 150 Prozent der selbst benötigten Strommenge. Benötigt werde ein jährlicher Zubau der Windenergie an Land von mindestens 650 MW pro Jahr bis 2025.

Mehr Genehmigungen brauchen weniger Bürokratie

Von den mehr als 700 Anlagen, die sich aktuell im Genehmigungsverfahren befinden, sind laut Leithoff für 230 Ausnahmen möglich. "Unsere Mitglieder sind frustriert", sagte er und sprach von mehr als 700 Tagen Bearbeitungszeit für Genehmigungen. "Wie traurig ist das. Wir brauchen ein positives Signal und dringend benötigte Perspektiven, um die Arbeitsplätze und die Wirtschaftskraft der Branche in Schleswig-Holstein festhalten zu können."

In einem offenen Brief forderte der Windkraft-Verband Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) auf, mehr Genehmigungen für neue Windräder zu erteilen und Bürokratie abzubauen. "Überprüfen Sie im Genehmigungsverfahren die Nachforderungen immer weiterer Gutachten und Prüfauflagen, damit die Verfahren wieder durchschnittlich 300 anstatt 700 oder 800 Tage brauchen", sagte Hrach.

10.000 MW Windkraft-Leistung bis 2025

Weil das Oberverwaltungsgericht 2015 die damaligen Windkraftpläne des Landes kippte, gilt im Norden ein Moratorium. Es soll Wildwuchs von Anlagen zwischen Nord- und Ostsee verhindern. Neue Windräder dürfen nur mit Ausnahmegenehmigung gebaut werden. Insgesamt drehten sich im nördlichsten Bundesland Ende vergangenen Jahres 2959 Anlagen. Die haben eine Gesamtleistung von gut 6500 MW. Ziel sind 10.000 MW Windkraft-Leistung an Land bis 2025.

Der Landesverband Vernunftkraft Schleswig-Holstein (ehemals Gegenwind) befürwortete eine Verlängerung des Moratoriums. Die Vielzahl der Einwendungen zum zweiten Entwurf der neuen Windpläne belegten, "dass es der Landesplanung bislang nicht gelungen ist, die Konflikte zwischen Windkraftplanung und öffentlichen Interessen beizulegen". Der Verband lehnt eine Forcierung des Zubaus von Windrädern ab.

Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

Kritik kam von der Opposition: "Das energiepolitische Versagen der Koalitionäre hat der Energiewende in Schleswig-Holstein sprichwörtlich den Saft abgedreht und die Branche schwer beschädigt", sagte der SPD-Energiepolitiker Thomas Hölck. Die Regierung setze nicht nur die Einhaltung der im Energiewende- und Klimaschutzgesetz festgelegten Ziele, sondern auch tausende von schleswig-holsteinischen Arbeitsplätzen aufs Spiel. (dpa/ls)