Strom

Gutachten spricht gegen 380-kV-Freileitung bei Ostküstenleitung

Zu überdimensioniert, zu teuer und zu umweltbelastend: Ein Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Erdkabel besser geeignet sind für die neuen Leitungen in Ostholstein. Der betreffende Landrat droht mit rechtlichen Schritten, sollten die Pläne für eine Freileitung nicht zurückgezogen werden.
09.01.2018

Ganz schön viel Kupfer: Die Energiewende braucht den Netzausbau.

Die Gutachter Heinrich Brakelmann von BCC Cableconsulting und Wirtschaftswissenschaftler Lorenz Jarass von der Hochschule Rhein-Main, die vom Kreis Ostholstein und einigen Gemeinden beauftragt wurden, kommen zu dem Ergebnis, dass die zwei igeplanten 380-kV-Freileitungen von Göhl nach Lübeck und von Lübeck nach Siems zu massiven Umweltbelastungen führen, überdimensioniert sind und in einigen Fällen deutlich teurer als die Alternativen. Dazu gehören Erdkabelleitungen auf 110 Kilovolt (kV) und 380-kV-Ebene.

Gegner wurden durch das Gutachten der oberirdsch verlaufenden 380-kV-Leitung bestätigt, die vor allem aus dem Kreis Ostholstein kommen. Dessen Landrat Reinhard Sager, CDU, will die Ergebnisse nun laut Norddeutschem Rundfunk an die Landesregierung, die Netzbetreiber und die Bundesnetzagentur weiterreichen. Sollte das Umweltministerium die Pläne nicht zurückziehen, habe Landrat Sager bereits rechtliche Schritte gegen das Planfeststellungsverfahren angekündigt. Umweltminister Robert Habeck von den Grünen äußerte sich ebenfalls. So einfach wie es das Gutachten darstelle, sei es nicht. Sein Ministerium werde dieses aber "sehr ernsthaft prüfen und analysieren".

Die beiden Professoren des Gutachtens favorisieren ein 110-Kilovolt-Erdkabel. Hier sei die Übertragungsleistung in den durchgerechneten Varianten zwar weniger, aber trotzdem ausreichend. Berechnet wurde der Leitungsbedarf an Hand des aktuellen Entwurfs des Regionalplans. Darin einbezogen sei auch schon der verbindliche Mindestabstand der Landesregierung zwischen Windrädern und Häusern, der erhöht werden soll. Zudem hatte auch schon die Bundesnetzagentur im September beklagt, dass die geplante Freileitung überdimensioniert sei. Die Behörde hatte zudem den Abschnitte Lübeck – Göhl mit der schlechtesten im Umweltbericht vergebenen Bewertung eingeordnet, den geplanten Abzweig Lübeck – Siems mit der zweitschlechtesten. Mit den Erdkabeln würde die Trasse weniger als fünf Meter breit – bei Freileitungen wären das 30 Meter.

Lübeck – Siems

Konkret heißt es in dem Gutachten: Weder die geplante 380-kV-Freileitung zwischen Umspannwerk Lübeck und Umspannwerk Siems noch irgendeine Alternative können einen sogenannten (n-1)-sicheren Stromaustausch mit Schweden ermöglichen, da das Seekabel nach Schweden nur einsystemig angelegt und in der Vergangenheit schon mehrere Monate ausgefallen ist. Ohne Netzausbau zwischen den beiden Umspannwerken müsse der Stromausbau mit Schweden nur weniger als 100 Stunden pro Jahr reduziert werden – und dann nur um maximal 18 Prozent, so ein weiteres Fazit. Ein Netzausbau sei hier nicht erforderlich. Wolle man trotzdem jedwede resultierende Reduzierung des Stromaustausches mit Schweden ausschließen, sollte man den Neubau eines 110-kV-Erdkabelsystems, das nur gut die Hälfte der geplanten 380-kV-Freileitungen koste, in Betracht ziehen. Auch ein neues 380-kV-Erdkabelsystem würde nur die Hälfte im Vergleich zu den Freileitungen kosten.

Lübeck – Göhl

Ähnlich verhält es sich bei der Strecke zwischen Umspannwerk Lübeck und Umspannwerk Göhl. Mit zwei 110-kV-Erdkabelsystemen ließen sich nicht nur unterwegs Windparks anschließen, sondern auch Kosten sparen: Eine Vollverkabelung wäre hier um ein knappes Fünftel kostengünstiger als die Freileitungssysteme mit einer Teilverkabelung von sechs Prozent. Jedoch müsste bei dem sehr seltenen Fall einer Leitungsstörung – die durchschnittlich bei etwa zwei Tagen pro Jahr liegt – und bei gleichzeitiger Starkwindeinspeisung die Windenergieeinspeisung im Umspannwerk Göhl reduziert werden. Entscheide man sich für zwei 380-kV-Erdkabelsystemen sei die Windenergieeinspeisung nicht zu vermindern, es gebe einen zusätzlichen erheblichen Puffer an Übertragungsleistung und die Trassenbreite liege bei 3,8 Metern. Allerdings kostet eine solche Vollverkabelung ein knappes Fünftel mehr als die geplanten zwei Freileitungen. (sg)