Strom

Kleinwindkraft auf dem Weg aus der Flaute

Das Umfeld für Anlagen mit einer Leistung von unter 100 kW wird professioneller. Umfangreiche Windmessungen gehören aber immer noch nicht zum Standardprogramm. Problematisch kann die Genehmigung sein, vor allem im Norden.
12.04.2018

In Berlin betreibt die Firma Enbreeze bald drei Kleinwindanlagen.

Nach der Beobachtung von Kurt Leonhardtsberger vom Technikum Wien steigt das Interesse an der Kleinwindkraft. Die Motivation liegt unter anderem in der Aufrüstung bestehender Anlagen. Einzelne Betreiber, die bereits eine PV-Anlage inklusive Speicher besitzen, möchten mehr tun für die Energiewende und würden eine Kleinwindanlage hinzubauen, sagte Leonhardtsberger auf der 5. Fachtagung Kleinwindanlagen auf der Messe Renexpo in Augsburg.

Das Technikum Wien hat gerade eine Umfrage unter rund 30 Betreibern abgeschlossen. Das wichtigste Fazit lautet: Grundsätzlich besteht eine hohe Zufriedenheit. Im Durchschnitt produzieren die Anlagen rund 1000 Volllaststunden pro Jahr, ein vergleichbarer Wert mit PV. Der Direktnutzungsgrad, also der Eigenverbrauch, liegt bei 80 Prozent.

Stromgestehungskosten von über 22 Cent pro kWh

Die Stromgestehungskosten sind sicherlich kein besonderer Anreiz für den Bau einer kleinen Windkraftanlage. Das Wiener Institut hat bei seiner Befragung hier einen Durchschnittswert von 22,65 Cent pro kWh ermittelt. Im Vergleich dazu produzieren Großwindanlagen im Bereich von vier Cent pro kWh erheblich günstiger. Die Investitionskosten betragen im Schnitt rund 4300 Euro pro kW. Besonders überraschend: Die Vorabmessung der Windsituation ist absolut nicht Standard bei der Projektrealisierung der befragten Betreiber.

Dabei ist die Standortgüte bei Kleinwindanlagen ein entscheidender Faktor. Aufgrund der gegenüber Großanlagen wesentlich geringeren Anlagenhöhe von in der Regel unter 50 Metern, kommt es aufgrund von Hindernissen in der Windanströmung wesentlich häufiger zu ungünstigen Verwirbelungen. Experten raten deshalb unbedingt zu Windmessungen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten, um die Standortgüte zu prüfen. Dabei sollte die Messstation idealerweise auf Nabenhöhe angebracht sein.

Anlagen werden erst seit 2014 erfasst

Doch was ist überhaupt eine Kleinwindanlage? Die Definition ist hier weltweit unterschiedlich. In Deutschland werden darunter in der Regel Anlagen unter 100 kW und einem Rotordurchmesser unter 16 Metern subsummiert. Dabei unterscheidet man drei Leistungsklassen. In Deutschland drehen sich derzeit inklusive der Mikroanlagen mit weniger als einem kW Leistung über 20000 Kleinwindanlagen. Dies sind aber lediglich Schätzungen, konkrete Zahlen werden erst seit 2014 erfasst.

Ein Problem ist die Baugenehmigung, die regional sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Da für Anlagen unter 50 Metern keine BImSchG-Genehmigung erforderlich ist, erfüllt die überwiegende Mehrheit der Produkte dieses Kriterium. Für Kleinwindanlagen ist ein vereinfachtes Verfahren ausreichend, aber auch das kann sehr aufwändig sein und schon mal ein Projekt scheitern lassen, sagt Thomas Kopp, Sprecher der Sektion Süd des Bundesverbands Kleinwindanlagen.

In Bayern gilt 1H

Während in Bayern und Baden-Württemberg Anlagen bis 10 Meter genehmigungsfrei sind, ist die Situation im Norden der Republik häufig problematischer. Dort gibt es auch keine Abstandsregelung, wie etwa in Bayern, wo für Kleinwindanlagen die 1-H-Regelung gilt. Das bedeutet, dass die Anlage mindestens soweit vom nächsten Gebäude entfernt sein muss, wie diese hoch ist.

Der Grund für die häufig restriktive Behandlung von Baugenehmigungen liegt in der in vielen Regionen Norddeutschlands in der bereits bestehenden hohen Windanlagendichte. Hier sind Sensibilität und Widerstand in der Bevölkerung gegenüber Neuanlagen besonders groß.

Ungleiche Auflagen in Berlin

Eine spezielle Erfahrung hinsichtlich der unsicheren Genehmigungssituation hat der Anlagenhersteller Enbreeze in Berlin gemacht. In der Hauptstadt baut das Unternehmen derzeit drei 15-kW-Anlagen auf, die letzte entsteht derzeit in einem Industriegebiet in Berlin-Marzahn. Für die drei Projekte waren drei unterschiedliche Bezirksämter zuständig. Ergebnis der Verfahren: drei völlig unterschiedlich ausgeprägte behördliche Auflagen. (mn)