Wärme

Streit um Kohlekraftwerk Moorburg spitzt sich zu

Vattenfall erhöht Druck auf den Hamburger Senat, Fernwärme aus Moorburg zu beziehen. Ein unüberlegter Deal des ehemaligen Senats spielt dem Konzern in die Hände.
09.04.2018

Das Kohlekraftwerk in Moorburg nimmt im Streit um den Kohleausstieg und die Rekommunalisierung der Netze in Hamburg eine Schlüsselrolle ein.

Fast auswegslos erscheint die Situation für den Hamburger Umweltsenat unter der Leitung von Jens Kerstan (Grüne). Noch vor wenigen Wochen hat die Landesmitgliederversammlung der Grünen in Hamburg die Unterstützung der Volksinitiative „Tschüss Kohle“ zugesichert, um den Kohleausstieg bis 2025 zu forcieren. Nun könnte ausgerechnet der geplante Rückkauf der Fernwärmenetzte von Vattenfall dieses Ziel torpedieren.

Seit dem Volksentscheid „Unser Hamburg - unser Netze“ im Jahr 2013 steht die Rekommunalisierung der Fernwärmenetze in Hamburg fest. Vor dem Hintergrund eines ersten Gutachtens über den aktuellen Wert des Fernwärmenetzes stellt sich der geplante Rückkauf schwieriger als gedacht heraus. Nach Informationen des "Hamburger Abendblatt" taxiert das von der Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV) in Auftrag gegebene Gutachten den Ertragswert des Netzes vorerst auf  550 bis 725 Mio. Euro. Der ehemalige SPD-Senat unter Olaf Schulz hatte Vattenfall jedoch einen Mindestpreis von 950 Mio. Euro für den Rückkauf bis Ende dieses Jahres versprochen.

Mindestpreis als Druckmittel für Fernwärme aus Moorburg

Für Umweltsenator Kerstan und den geplanten Kohleausstieg ist der Wertverlust der Netze der Supergau: Zum einen darf der Senat die Netze nicht zu einem überhöhten Preis kaufen, denn das widerspräche der Landeshaushaltsordnung und könnte sogar zu einer Anklage wegen Veruntreuung von Geldern führen. Andererseits sei Vattenfall nicht bereit unter Mindestpreis zu verkaufen. Damit steht die kohlefreie Wärmeversorgung Hamburgs in den nächsten Jahren auf der Kippe.

Der zugesicherte Mindestpreis dürfte Vattenfall bei seinen Plänen für das Kohlekraftwerk Moorburg gelegen kommen. Erst vor wenigen Tagen hat der schwedische Konzern beim Senat einen Antrag auf den Bau einer Fernwärmeleitung eingereicht. Bereits vergangenes Jahr kündigte Vattenfall an, das Kohlekraftwerk Moorburg an die Fernwärmeversorgung anschließen zu wollen. Während das Kraftwerk die Stadt bereits mit Strom versorgt, soll die Abwärme nun als Fernwärme genutzt werden und den Standort Moorburg wirtschaftlicher machen.

"Tschüss Kohle" könnte Wärmeleitung verhindern

Für Kerstan und den Umweltsenat steht eine kohlebasierte Wärmeversorgung nicht zur Debatte. Allerdings würden die Fernwärmenetze ohne die geplante Versorgung durch Moorburg noch niedriger bewertet werden. In das Gutachten sei bereits die Fernwärmeversorgung durch den Neuanschluss des Kraftwerks eingerechnet worden, hieß es nach Abendblatt-Informationen. Mindestpreis und geschätzter Wert der Netze würden ohne die Genehmigung des Anschlusses von Moorburg noch weiter auseinander klaffen.

Nicht nur Vattenfall übt Druck auf den Senat aus, auch die Bürgerinitiative „Tschüss Kohle“ treibt ihre Ziele voran. Mittlerweile hat die Initative über 10 000 Unterschriften für den Kohleaussteig 2025 gesammelt und ist damit auf dem besten Weg, sich zu einem Volksbegehren und später zu einem Volksentscheid zu entwickeln. Ein finaler Entscheid könnte dann auch die geplante Wärmeleitung von Vattenfall gesetzlich verhindern. So sieht der Gesetztesentwurf der Volksinitative ein Verbot für Leitungen zum Abtransport von Wärme aus der Kohleverbrennung vor. Die Hürden des Netzrückkaufs löst der Gesetzesentwurf aktuell jedoch nicht - der Senat sitzt beim Kohleaussteig vorerst in der Zwickmühle. (ls)