Ärger über geplante EU-Plastiksteuer
Der Vorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel zur Einführung einer neuen EU-Steuer auf nicht recycelte Kunststoffverpackungen stößt bei den Unternehmen der deutschen Kunststoff verarbeitenden Industrie auf Unverständnis. Die Branche weist auf die negativen Folgen der Abgabe für die Kreislaufwirtschaft und die wirtschaftliche Erholung der zumeist mittelständischen Unternehmen hin. Im Vorfeld des EU-Gipfels am 17./18. Juli fordern der Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie (GKV) und die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen die Bundesregierung auf, den Vorstoß für eine Plastiksteuer in der jetzigen Form zurückzuweisen und stattdessen eine Deponieabgabe einzuführen.
Die Plastiksteuer ist einer von mehreren Vorschlägen für neue sogenannte "Eigenmittel", mit deren Hilfe die EU unabhängiger von den Zuweisungen der Mitgliedstaaten werden soll. EU-Ratspräsidenten Michel hat am 10. Juli den Vorschlag gemacht, ab 1. Januar 2021 eine EU-Plastiksteuer zur Finanzierung des EU-Haushalts einzuführen. Damit will er die "Brexit-Lücke" im EU-Haushalt schließen. Die Plastiksteuer soll dem Vorschlag zufolge ausdrücklich nicht der Rückzahlung der Schulden aus dem Corona-Wiederaufbau-Fonds dienen, sondern in den allgemeinen EU-Haushalt fließen.
Folgenabschätzung fehlt
Konkret hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, dass ab 2021 die EU-Mitgliedstaaten 800 Euro pro Tonne nicht recycelter Kunststoff-Verpackungsabfälle zusätzlich in den EU-Haushalt einzahlen. Nach aktuellen Schätzungen würde die Plastiksteuer die Haushalte der EU-Mitgliedstaaten mit circa 6 bis 8 Mrd. Euro pro Jahr belasten. Für Deutschland wird mit Mehrkosten in Höhe von voraussichtlich mehr als 1,3 Mrd. Euro pro Jahr gerechnet. Genaue Zahlen gibt es nach Angaben der Verbände nicht, weil die EU-Kommission keine Folgenabschätzung vorgelegt hat.
Sicher sei nur, dass die Mittel keiner Zweckbindung unterliegen und daher nicht dazu dienen, die für eine bessere Kreislaufführung notwendige Infrastruktur für das Recycling von Kunststoffverpackungen zu schaffen. Im Gegenteil: "Die EU-Plastiksteuer entzieht gerade den Mitgliedstaaten, die noch nicht über eine gute Recycling-Infrastruktur verfügen, wertvolle Investitionsmittel", kritisiert Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des GKV. Außerdem sei die vorgeschlagene Abgabe dem Umfang nach völlig unverhältnismäßig im Vergleich mit den Kosten der Verwertung von Kunststoffverpackungen.
Auswirkungen in Italien
Der Wandel hin zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe wird erhebliche Investitionen der Unternehmen in Innovationen, neue Maschinen und das ökologische Design von Kunststoffverpackungen erfordern. "Diese Investitionen werden nur getätigt, wenn die Politik verlässliche Rahmenbedingungen setzt, die den Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit gibt", erklärt Möllenstädt.
Eine Abgabe allein auf Kunststoffverpackungen würde den Wechsel von Kunststoff auf Materialien mit größeren Umweltauswirkungen befördern. Hier drohen ungewollte Nebenwirkungen: "Die Diskussion um eine italienische Plastiksteuer hat bereits dazu geführt, dass immer mehr Verpackungen aus Kunststoff-Papier-Verbünden auf den Markt kommen. Damit senken die Hersteller zwar den Anteil von Kunststoff und damit ihre Steuern, gleichzeitig sinkt aber auch die Recyclingfähigkeit der Verpackungen. Somit erweist die Plastiksteuer dem Ziel der Kreislaufwirtschaft einen Bärendienst", kritisiert Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der IK.
Zweckgebundene Abgabe
Die Verbände fordern die Bundesregierung auf, von der EU-Kommission eine genaue Analyse der direkten und indirekten Folgen der Plastiksteuer einzufordern. Ohne eine solche Folgenabschätzung könne dem Vorschlag nicht zugestimmt werden. Um die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe in Europa zu fördern, schlagen die Verbände stattdessen eine zweckgebundene Abgabe vor, die an die Menge der Kunststoff-Verpackungsabfälle geknüpft ist, die in dem jeweiligen Land deponiert werden.
Eine solche Abgabe könne die paradoxe Situation ausgleichen, dass in der EU die Deponierung von Siedlungsabfällen (und damit auch von Kunststoff-Verpackungsabfällen) noch bis 2035 in erheblichem Umfang erlaubt ist. Die Erfahrung in Deutschland habe gezeigt, dass ohne ein Deponieverbot eine Verbesserung der Kreislaufführung auch von Kunststoffabfällen nicht erreicht werden kann. (hp)