Konfliktfähigkeit – nice to have oder eine Frage des Überlebens?
Die Versorgungswirtschaft samt zigtausend Mitarbeitenden steckt in einer immensen Veränderungsphase: Internationale Krisen erfordern neue Lieferanten und Quellen. Preise schwanken. Das GDEW, Cybersicherheit, NIS II Richtlinie u.v.m. verlangen Veränderungen. Wertschöpfende neue Dienstleistungen sind zu erarbeiten, die bloße Commodities ergänzen. Und die Unternehmen? Sie reagieren noch sehr!
Wir wenden uns bzgl. notwendiger unternehmerischer Konfliktfähigkeit hier primär mittelgroßen bzw. kleineren Versorgern zu und fragen:
- Wie lautet Ihre (Gesamt-) Strategie?
- Welche strategische Botschaft haben Sie den (leitenden) Mitarbeitenden bereits kommuniziert? Wie wurde sie verstanden?
- Wie weit ist Ihre 2. Führungsebene befähigt, strategische Aussagen selbst zu vertreten und erforderliches Führungsverhalten abzuleiten?
Wertschätzende Firmenkultur
Unser Fokus richtet sich auf Steuerungs- und Führungsprozesse in Unternehmen, bei denen die Art und Weise der Kommunikation äußerst wichtig ist. Kritikbewährte, zugleich wertschätzende Kommunikation (Firmenkultur) ist überlebenswichtig für erfolgreiche Veränderungen. Hierzu machen wir u.a. diese Schlüsselerfahrungen in der Begleitung vielschichtiger Veränderungsprozesse:
- Unzureichende Aufbereitung der Strategie für die 2. Führungsebene
- Mangelhafte Klärung von Verantwortlichkeiten und Erwartungshaltungen auf 1. und 2. Führungsebene (mangelnde Priorisierung)
- Konstruktive, streitig-sachliche Auseinandersetzung wird als Angriff missverstanden
- Mangel an Reflektion von persönlichen Empfindungen im Führungskräftekreis im Kontext des Unternehmenswandels
- Unterschätzte Relevanz der Konfliktfähigkeit im Führungspersonal
- Mangelnde Verständigung zwischen Führungskräften und Experten (kein Fokus auf Relevantes für Lösungsfindung)
Unprofessionell ausgetragene Konflikte haben Folgen
Resümieren wir, dass Misserfolge im Rahmen vielschichtiger Veränderungsprozesse häufig ein Ergebnis unvollständiger Kommunikation bzw. im Kern Folge unprofessionell ausgetragener Konflikte sind, stellt sich die Frage: Wie kann eine praxistaugliche Konfliktfähigkeit im Steuerungs- und Führungsprozess eines Versorgungsunternehmens erarbeitet werden?
Unabhängig davon, wie sich Unternehmen wandeln: In allen Bereichen sind Personen von Wandlung betroffen. Viele Führungskräfte erwarten, dass das Personal die Wandlung anstandslos mitmacht. Ungenügend antizipiert werden denkbare Unsicherheiten oder Ängste. Daraus entstehende Konflikte werden häufig als unangemessen angesehen oder gar gedeckelt.
Faktor Sicherheit
Was geschieht mit Mitarbeitenden, wenn sie sich in einem Wandel befinden, und weshalb resultieren daraus Konflikte? Eines der Bedürfnisse des Mitarbeitenden ist wie bei jedermann, in sicherer Umgebung zu leben. Sicher bedeutet dabei nicht nur, dass er/sie physisch sicher leben kann, sondern auch, dass Handlungen, Lebensumstände und das soziale Umfeld stabil und zuverlässig vorhersagbar sind. Diese relative Vorhersagbarkeit erlaubt es dem Mitarbeitenden, sich sicher zu fühlen und bietet die Chance auf individuelle sowie kollektive Weiterentwicklung.
Verändert sich jedoch eines dieser Elemente, wird der Mitarbeiter verunsichert. Wird im Unternehmen die Organisation verändert, werden Abteilungen aufgelöst etc., erleben wir dies als Veränderung des Systems. Wir reagieren mit Widerstand. Diese Abwehrhaltung ist eine natürliche Art mit Veränderungen umzugehen. In diesem Zustand wirken bei allen Beteiligten diverse Interessen und Bedürfnisse. Diese können – unberücksichtigt – in Konflikte münden.
Widerstand gegen Wandel
Führungskräfte sollten damit rechnen, dass, obwohl vielleicht rationale Gründe für den Wandel sprechen, die Mitarbeitenden unbewusst zunächst in einen Widerstand treten. Rationales Einsehen steht dabei verunsichernden Empfindungen entgegen. In den Handlungen der Mitarbeitenden übernehmen jedoch die Empfindungen das Regiment.
Aus Bedürfnissen u.a. nach Orientierung, Sicherheit sowie Anerkennung entstehen Interessen, die unterschiedlich sind und zu Macht-, Verteilungs-, Beziehungskonflikten führen können. Alle diese Konflikte haben einen Effekt: Sie be-, oder verhindern notwendigen Wandel, wenn sie nicht ernst genommen, angesprochen und konstruktiv gelöst werden. Tragen die Mitarbeitenden die Veränderung nicht mit, folgen Verzögerungen oder Misserfolg.
Alle einbeziehen
Aus diesen Gründen empfehlen wir, bereits beim Entwickeln der Veränderungspläne Führungskräfte und Mitarbeitende aktiv einzubinden:
- Adressieren Sie frühzeitig zielgruppengerecht die Notwendigkeit der Veränderungen
- Verknüpfen Sie Aussagen zum Veränderungsprozess mit Aussagen zur Gesamtstrategie
- Wenn erste Ideen zu den anvisierten Zielen samt Zeitstrahl formuliert sind, besprechen Sie diese mit Ihrem Führungskreis. Greifen Sie Bedenken, Kritik, Bedürfnisse, Gefühle aktiv auf
- Kursieren Gerüchte? Beziehen Sie eindeutig Stellung und machen den Stand der Dinge für die Belegschaft transparent. Gestalten Sie bewusst die Stimmung im Unternehmen!
- Binden Sie frühzeitig Führungskräfte und Mitarbeitende in Lösungsfindungen und Umsetzungsansätze ein; aktivieren Sie gezielt deren Ressourcen, Potenziale und Konfliktfähigkeit. Hierbei sind die Führungskräfte der 2. Ebene speziell gefordert
- Handeln Sie konsequent wertschätzend und partnerschaftlich
- Wandel bedingt gegenseitiges Vertrauen und Verlässlichkeit. Reden und Handeln sollten übereinstimmen. Anderenfalls entsteht Misstrauen; der Veränderungsprozess ist in Gefahr.
Und das Wichtigste? Seien Sie zuversichtlich. Wenn Sie ein Klima der Offenheit, Wertschätzung, Transparenz und Sicherheit pflegen und auf dieser Basis Kritik professionell steuern, werden selbst schwierige Veränderungsprozesse erfolgreich gelingen. (hp)
Autoren: Carl Gert Wolfrum (Dr. Wolfrum Management- und Personalberatung, Düsseldorf) in Kooperation mit Peter Kehr (Die Wandlerei, München).