ÖPNV

Berlin: Koalition bei Mobilitätsgesetz uneins

Die Stadt Berlin will als erstes Bundesland das Miteinander von Autos, Fahrrädern, Bussen und Bahnen sowie Fußgängern gesetzlich regeln. Der Weg zum Mobilitätsgesetz ist steinig.
24.05.2018

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) kamen im letzten Jahr auf über 500.000 regelmäßige Nutzer.

Die Verabschiedung eines Mobilitätsgesetzes für Berlin vor der Sommerpause ist in Frage gestellt. Weil die rot-rot-grüne Koalition über Inhalte streitet, wurde die ursprünglich für Donnerstag anberaumte abschließende Beratung des Entwurfs im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses kurzfristig abgesagt. «Es gibt noch Beratungsbedarf», sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tino Schopf, der Deutschen Presse-Agentur.

Knackpunkt ist der erst vor einer Woche vorgetragene Wunsch der SPD, in dem Gesetz auch ein Kapitel zum stadtverträglichen Autoverkehr zu verankern. Dies sorgt insbesondere bei den Grünen für massiven Ärger, denn eigentlich sollte es vornehmlich um die Stärkung des Radverkehrs, des öffentlichen Nahverkehrs und der Fußgänger gehen. Auch der Grünen-Wunsch nach einem Verbandsklagerecht ist umstritten.

Das Umsatteln anreizen

Berlin will als erstes Bundesland das Miteinander von Autos, Fahrrädern, Bussen und Bahnen sowie Fußgängern gesetzlich regeln. So sollen einerseits mehr Menschen zum Umsatteln auf den öffentlichen Nahverkehr und das Fahrrad animiert und andererseits der Verkehr für alle sicherer werden. Das Vorhaben zählt zu den wichtigsten von Rot-Rot-Grün in dieser Legislaturperiode.

Nach Einschätzung der SPD sollte das Gesetz alle Verkehrsträger abbilden, also auch die Autos. In der Stadt seien schließlich allein 1,3 Millionen private Pkw zugelassen.

Grüne: Umweltverbund soll gestärkt werden

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Harald Moritz, widersprach: «Wir können die Verkehrsprobleme nicht lösen, indem wir versuchen, alle Verkehrsträger gleichmäßig zu beglücken», sagte er der dpa. Ziel des Gesetzes solle laut Koalitionsvertrag sein, den Umweltverbund zu stärken. «Jegliche weitere gesetzliche Stärkung des Autoverkehrs ist für uns nach jahrzehntelanger Planung von autogerechten Städten ausgeschlossen. Daran werden wir und die Stadtgesellschaft die Koalitionspartner messen.»

Moritz kritisierte, die SPD sei mit ihren Änderungswünschen nach monatelangen Diskussionen über das Gesetz erst kurz vor Toreschluss um die Ecke gekommen. «Wir hatten uns in der Koalition eigentlich einen Regierungsstil auf Augenhöhe vorgenommen, aber die SPD hat das offenbar noch nicht so verinnerlicht», sagte er. «Die Peinlichkeit, das Thema von der Tagesordnung im Verkehrsausschuss zu streichen, hätten wir uns sparen können.»

Keine Einigung bei Konfliktpunkten

Am Mittwoch hatten die Koalitionäre rund sechs Stunden bis in den Abend hinein über das Gesetz diskutiert. Während laut Teilnehmern in vielen Punkten Konsens herrschte, gelang bei den in Folge des SPD-Vorstoßes aufgekommenen Streitpunkten keine Einigung.

«Unser gemeinsames Ziel bleibt, das Gesetz bis zur Sommerpause zu beschließen», betonten alle drei Fraktionen dennoch unisono. Es bestehe «kein Grund für Dramatik», hieß es aus der Linke-Fraktion. Die letzte Plenumssitzung des Abgeordnetenhauses vor dem Sommer findet am 28. Juni statt, zuvor tagt der Verkehrsausschuss am 7. und 21. Juni noch zweimal.

"Intelligente Mobilität"

Der zur Beschlussfassung anstehende erste Teil des Gesetzes enthält vor allem Maßnahmen zur Verbesserung des Radverkehrs und des Personennahverkehrs (ÖPNV). In einem zweiten Teil, der noch nicht ausgearbeitet ist, sollte es nach bisherigen Plänen um Fußgänger, «intelligente Mobilität» und den Wirtschaftsverkehr gehen. Hier soll nun nach dem Willen der SPD das Autokapitel hinzukommen - mit einem entsprechenden Hinweis bereits in der Präambel des ersten Teils.

Die Initiative «Changing Cities», die sich als Interessenvertretung der Radfahrer sieht, reagierte verärgert auf die neue Entwicklung. «Wir nehmen nicht hin, dass die SPD die Bürgerbeteiligung und das bisherige Verhandlungsverfahren mit Füßen tritt», erklärte ihr Vertreter Heinrich Stößenreuther und rief für den späten Nachmittag zu einer «Spontan-Demo» in der Leipziger Straße auf. (dpa/al)